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    The Expendables
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,0
    solide
    The Expendables
    Von Björn Becher

    Die Männer-Unterhaltung der Achtziger ist zurück. Es ist sicher kein Zufall, dass in geringem zeitlichen Abstand das „A-Team", die Comic-Adaption „The Losers" und „The Expendables" in den amerikanischen Kinos starten: Allesamt Filme, in denen es hoch bewaffnete Söldnergruppen in einer auswegslosen Situation so richtig krachen lassen müssen - ganz wie es im testosterongeschwängerten Jahrzehnt von Ronald Reagan und Arnold Schwarzenegger populär war. Ein wesentlicher Unterschied ist zwischen den drei Filmen aber doch festzustellen. Während die Kinoneuauflage der Serie, die geradezu als Inbegriff dieses Männerkults gelten kann, mit Jessica Biel als Alibi-Frauenfigur an prominenter Stelle der Besetzungsliste aufwartet und Zoe Saldana in „The Losers" zwischenzeitlich sogar gleichberechtigt auftreten darf, verzichtet Regisseur und Star Sylvester Stallone bei „The Expendables" ganz auf eine weibliche Komponente. Die beiden einzigen erwähnenswerten weiblichen Charaktere sind völlig an den Rand gedrängt, selbst die heute eigentlich obligatorische Sexszene fehlt. Stattdessen setzt der alte Haudegen Stallone voll auf die ikonenhafte Inszenierung männlicher Actionstars. Und obwohl (oder auch weil) sich der „Rocky"-Star dramaturgisch bisweilen etwas verheddert und eine reaktionäre Seite des männlichen Treibens nicht zu verleugnen ist, kommt insgesamt ein launiger Actioner heraus, der Geist und Atmosphäre der inzwischen historischen Vorbilder wirkungsvoll wiederaufleben lässt.

    „The Expendables", so nennt sich eine knallharte Söldnergruppe unter der Leitung von Barney Ross (Sylvester Stallone). Zum Team gehören noch Ross‘ rechte Hand Lee Christmas (Jason Statham), der kleingewachsene Kampfsportexperte Yin Yang (Jet Li), der Schusswaffenfetischist Hale Ceasar (Terry Crews), der belesene Muskelberg Toll Road (Randy Couture) und Gunnar Jensen (Dolph Lundgren), der Psychopath mit der großen Wumme. Die Truppe löst gegen die richtige Menge Cash Probleme wie Geiselnahmen in Somalia. Der mysteriöse Mr. Church (Bruce Willis) erteilt dem Team den Auftrag, den Diktator General Garza (David Zayas) zu stürzen, der einen südamerikanischen Inselstaat mit Brutalität regiert und von einem Amerikaner (Eric Roberts) mit CIA-Verbindung finanziert wird. Obwohl sich der Job schnell als ein Himmelfahrtskommando entpuppt, das sogar Ross' größter Konkurrent (Arnold Schwarzenegger) nicht übernehmen wollte, sagt der alternde Söldner zu...

    Sylvester Stallone wurde in den vergangenen Jahren nicht müde zu betonen, wie sehr er computergenerierte Action verabscheut und handgemachte Stunts bevorzugt. „John Rambo" mit seinen ultra-brutalen Metzeleien war dann das Ausrufezeichen hinter dieser Aussage. Und da knüpft Stallone nun mit „The Expendables" an. Gerüchten, dass für eine finanziell möglicherweise einträchtigere Altersfreigabe die Gewalt zurückgeschraubt wird, nimmt Stallone schnell die Grundlage. Da werden gleich zu Beginn knallhart ein paar somalische Piraten erledigt wie es Kampfmaschine John Rambo anno 2008 mit den Burma-Militärs machte. Und wenn dabei der irre Gunnar Jensen einen der Piraten in zwei Hälften zerballert, ist unmissverständlich klar: Hier werden keine Gefangenen gemacht. Aber: Ganz die Old-School-Schiene fährt Stallone dann doch nicht. Das Blut stammt komplett aus dem Computer und der nachträgliche Einbau ist bisweilen deutlicher zu sehen.

    Stallone verwendet sein bereits vor zwei Jahren erfolgreiches Rezept ein weiteres Mal: Mit wenigen kleinen Szenen werden General Garza, sein mysteriöser amerikanischer Compagnon, dessen hünenhafter Mann fürs Grobe (Steve Austin) und Hundertschaften namenloser Schergen zu Erzbösewichten aufgebaut, die Frauen und Kinder tyrannisieren und foltern. Diese Einführung verschafft Stallone in der Logik des Films den Freifahrtschein zum Meucheln und von diesem macht er dann auch gnadenlos Gebrauch. Doch der erneut als Regisseur, Drehbuchautor, Produzent und Hauptdarsteller in Personalunion auftretende Altstar ist clever genug, sich nicht nur zu wiederholen: Die One-Man-Show wird zur Team-Mission, für die er einen Haufen gleichgesinnter Action-Haudegen um sich geschart hat. Alte Weggefährten wie Dolph Lundgren sind ebenso mit von der Partie wie einige Konkurrenten aus den goldenen Achtzigern wie Bruce Willis, Mickey Rourke und Arnold Schwarzenegger. Dazu kommen die Haudrauf-Wrestler Randy Couture und Steve Austin sowie die modernen Action-Heroen Jason Statham und Jet Li, Künstler der Körperbeherrschung, die wie Stallone am liebsten ohne Netz und doppelten Boden arbeiten. Für diesen war es die schwierigste Aufgabe, all diese Alphatiere unter einen Hut zu bringen und jedem seine eigene große Actionszene zu bescheren, auch um die jeweiligen Fangruppen zufriedenzustellen. Das ist ihm recht gut gelungen. Alle werden mit kurzen Szenen prägnant etabliert und jeder hat mindestens einen spaßigen Auftritt, auch wenn einige dabei natürlich mehr herausstechen als andere.

    Das gestalterische Prinzip von „The Expendables" heißt Überhöhung. Die Figuren werden fast alle zu Action-Ikonen stilisiert und die Darsteller profitieren davon. Ein sprechendes Beispiel hierfür ist der vieldiskutierte gemeinsame Cameo-Auftritt von Arnold Schwarzenegger und Bruce Willis. Was ursprünglich offensichtlich als Überraschungsgag konzipiert war, wurde nicht zufällig zur Speerspitze des Marketings. Die Szene eröffnet den Trailer und die Namen der beiden zieren groß das deutsche Poster. Dabei ist das Aufeinandertreffen der drei Legenden ausgerechnet in einer Kirche nicht sonderlich gut geschrieben oder inszeniert. Schauspielerisch ist die Szene sogar zum Teil richtig miserabel (Schwarzenegger!), aber sie funktioniert. Wenn der heutige Gouverneur von Kalifornien im Gegenlicht mit einem überdeutlichen „Terminator"-Zitat den Schauplatz betritt, ist das ein durchaus ehrfurchtgebietender Moment. Der anschließende Dialog ist für die Handlung belanglos, aber die andauernde Frotzelei und Neckerei zwischen Schwarzenegger und Stallone macht trotzdem Spaß. Es ist, als ob sich die beiden legendären Stars zufällig privat getroffen hätten, denn ihre konkreten Rollen treten hier komplett in den Hintergrund. Die Darsteller selbst, mit ihrem überlebensgroßen Starimage, das es heute in dieser Form kaum noch gibt, treten in den Vordergrund. Sie sind die wahren Ikonen.

    Bei Stallone dürfen die Stars noch Stars sein. In „The Expendables" geht es sehr schnell nicht mehr um die Figuren, sondern vielmehr um die meist bereits über Jahrzehnte gewachsenen Leinwandpersönlichkeiten ihrer Darsteller. So sind Barney Ross und Co. selbstredend unbeschreiblich cool (und überall tätowiert), sie bewegen sich scheinbar nur per Motorrad oder Flugzeug fort, denn alles andere wäre uncool. Neben dieser selbstreflexiv angehauchten Ikonenbildung will Stallone noch allerlei andere Themen in seinem Film unterbringen und übertreibt es dabei ein wenig. Die korrupte CIA ist immer ein netter Handlungsmotor, aber für die Katharsis der interessantesten Figur, des Schweden Gunnar Jensen, bleibt leider kaum Zeit und Dolph Lundgren bekommt keine wirkliche Gelegenheit, sich in der Starriege zu profilieren. An anderen Stellen wiederum drosselt Stallone das Tempo und nimmt sich angenehm viel Zeit für Szenen wie einen mehrminütigen Dialog über die Einsamkeit alter Helden mit Mickey Rourke, in dem selbst die Plattitüden glaubhaft klingen. Die Balance zwischen Besinnung hier, Action dort und Ikonenbildung überall, gelingt Stallone nicht immer. Aber auch dass er sich gelegentlich verzettelt, ist nicht uncharmant und so hat auch ein Seitenhieb gegen die aktuelle Mode der Filmindustrie, billig in Osteuropa zu produzieren, seinen gebührenden Platz.

    Sylvester Stallone ist ein zu guter Regisseur, um den gleichen kleinen Fehler zu oft zu begehen. Es gelingt ihm trotz aller Abschweifungen immer wieder rechtzeitig, die markige Seite des Actioners hervorzukehren. Dabei schwelgt er in den politisch unkorrekten Mustern der Achtziger-Jahre-Vorbilder, in denen es noch keine Sexszene brauchte, um zu zeigen, dass die Helden „richtige", sprich heterosexuelle, Männer sind. Wie damals haben auch hier die Frauen immer ultralange Beine, tragen Hotpants und erstrahlen schutzbedürftig im Licht. In dieser Welt spielen Laptops und Handys keine Rolle, selbst Rap-Musik ist tabu, denn die Beschallung stammt von Creedence Clearwater Revival. Aber das Wichtigste ist natürlich, dass Konflikte mit den Fäusten oder mit Schuss- und Stichwaffen gelöst werden, die nur eins sein müssen: möglichst groß!

    In einer früheren Version dieser Kritik hatte „The Expendables" noch 3,5 von 5 Sternen. Nachdem wir uns den Film in Vorbereitung auf die Pressevorführung von „The Expendables 2" noch einmal angesehen haben und gerade im Vergleich zu diesem, mussten wir aber aufgrund der angesprochenen Schwächen eine kleine Abwertung vornehmen.

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