Trennungen sind in den seltensten Fällen etwas Schönes. Viel häufiger zieht die Beendigung einer Beziehung ausdauernde Streitigkeiten nach sich. Wer bekommt das Familienauto? Wer den Flügel? Und soll man den Brockhaus in zwei Hälften teilen? All diese Fragen, die den gemeinsamen Besitz betreffen, lassen sich trotz Meinungsverschiedenheiten meist lösen, weil sich Gegenstände aufteilen lassen. Aber wem „gehört“ fortan das gemeinsame Kind? Im Regelfall landet dieser Streitpunkt vor einem Richter. Dabei wird der Mutter das Sorgerecht deutlich häufiger als dem Vater zugesprochen. Auch Douglas Wolfsperger hat das Sorgerecht für seine Tochter vor Gericht verloren. Und nicht nur das, er soll sie sogar überhaupt nicht mehr zu Gesicht bekommen dürfen. Deshalb begab sich der Dokumentarfilmer (War‘n Sie schon mal in mich verliebt, Der lange Weg ans Licht) auf die Suche nach anderen Opfern und wurde fündig: „Der entsorgte Vater“ erzählt neben der Geschichte des Regisseurs auch noch fünf weitere, ganz ähnliche Väterschicksale.
Wolfsperger macht sich auf die Reise, um seine Tochter zu treffen. Auf halbem Weg sagt seine Ex-Frau das Treffen überraschend ab. In Karlsruhe gestrandet, beschließt der Regisseur, Leidensgenossen zu treffen. Dazu zählt auch Franzjörg Krieg, der sogar einen gemeinnützigen Verein ins Leben gerufen hat, der sich speziell um die Probleme von Vätern kümmert, die ihre Kinder nach gescheiterter Ehe weiterhin besuchen wollen. Krieg, der seine eigene Tochter seit mehr als zehn Jahren nicht mehr gesehen hat, kennt aufgrund seiner Vereinsarbeit viele ähnlich gelagerte Fälle. Drei Gesichter dazu treten in „Der entsorgte Vater“ vor die Kamera und berichten von ihrem Leid. Die Runde komplettiert Birgit Laub – die einzige Mutter, die bereit war, aus ihrer Perspektive zu erzählen, warum sie vor Gericht ein Umgangsverbot erstritten hat.
Der Einstieg in die Dokumentation, also die Fahrt zur Tochter, die abrupt und zufällig in Karlsruhe ihr Ende findet, ist offensichtlich fiktiv und wirkt dementsprechend aufgesetzt. Dennoch ist er als Exposition durchaus zweckdienlich. So macht Wolfsperger sofort klar, dass seine Motivation für diesen Film seine private Leidensgeschichte ist. Die stellt er mithilfe der Dokumentation nun ins Licht der Öffentlichkeit, um eine Diskussion anzuregen, die im allgemeinen Bewusstsein nicht allzu präsent ist. Die nackten Zahlen geben Wolfsperger Recht, in diese Kerbe zu schlagen, da es tatsächlich eine nicht unerhebliche Anzahl von Vätern gibt, die bei Sorgerechtsklagen als Verlierer aus dem Prozess hervorgehen. Über den Einzelfall oder die Gerechtigkeit der Entscheidungen ist damit freilich noch nichts gesagt.
Anfang der 70er Jahre etablierte sich eine Männerbewegung, die in ihren Anliegen ähnlich heterogen war wie die parallel aufkommende Frauenbewegung. Während im Zuge der Gleichberechtigung viele politische und rechtliche Werkzeuge (etwa die Frauenquote) eingeführt wurden, um Frauen Chancengleichheit einzuräumen, bemängelte die Gegenseite, dass für ins Hintertreffen geratene Männer nichts getan würde. Mit dem Namen des Spiegel-Kolumnisten Matthias Matussek verbindet sich die wohl öffentlichkeitswirksamste Episode der Bewegung: In einem polemischen Artikel, aus dessen Überschrift auch der Titel von Wolfspergers Dokumentation zurückgeht, prangerte Matussek 1997 die Missstände des deutschen Rechtssystems an und forderte Veränderungen. Wolfspergers Film zeichnet ein aktualisiertes Bild der Lage, das aussagt: „Viel hat sich in den vergangenen zwölf Jahren nicht geändert.“
Dies in einem Dokumentarprojekt objektiv zu beurteilen, gestaltet sich aber ziemlich schwierig, weil „Der entsorgte Vater“ ausschließlich von berichteten Einzelschicksalen lebt und kaum andere Mittel verwendet. Ein gerechtes Urteil zu fällen, gestaltet sich mitunter auch deshalb schwierig, weil es letztlich doch eine Sympathiefrage ist, ob man sich auf die Leidensgeschichten der fünf Porträtierten einlässt oder nicht. An vielen Stellen wird deutlich, dass das Leid der entsorgten Väter echt ist. Andererseits versteht man manchmal aber auch die abwesenden Frauen ein Stück weit. Ein Polizist versteht etwa bis heute nicht, warum seine Frau ihn eigentlich verlassen hat: „Sie hatte doch alles: Geschirrspüler, Waschmaschine, Trockner.“
Fazit: „Der entsorgte Vater“ will betroffen machen und seine Zuschauer für die Einzelschicksale sensibilisieren, die hinter der Statistik stehen. Dieses Bestreben wird mit allen Mitteln verfolgt, was sich etwa beim Umgang mit einlullender, sentimentaler Musik allzu plump zeigt. Streckenweise schafft es der Film aber trotz der mitunter manipulativen Methoden noch nicht einmal, tatsächlich zu berühren. Gerade an diesen Stellen leidet die Dokumentation besonders unter der Eintönigkeit der eingesetzten Stilmittel.