Hollywoods Produzenten und Drehbuchautoren leben ihre Fortsetzungskreativität seit einigen Jahren verstärkt mit chronologischen Rückgriffen aus. Im Horrorgenre sind diese Erzählungen von den Anfängen besonders beliebt. Schließlich wollte jeder schon immer wissen, mit welch erschreckender Kindheit Leatherface, Hannibal Lecter und die anderen Fieslinge gestraft wurden. Der solide Horror-Thriller Motel war aufgrund des durchschnittlichen Einspielergebnisses sicherlich nicht der erste Kandidat für einen erneuten Aufguss. Aber durch den Umweg eines Prequels konnten die Produktionskosten gehörig in den Keller gedrückt werden: Einerseits wurde durch diesen Kniff der Weg für kostengünstigere Hauptdarsteller frei geräumt, andererseits fällt es mit neuen Gesichtern nicht mehr so sehr auf, dass mal wieder nur eine öde Variation der ursprünglichen Geschichte erzählt wird. Regisseur Eric Bross kann allerdings nicht an die Atmosphäre des ersten Films anknüpfen. Der irreführend betitelte „Motel – The First Cut“ ertrinkt so in seiner Vorhersehbarkeit.
Auf der Fahrt zu Jessicas (Agnes Bruckner, Blood And Chocolate) Eltern machen sie, ihr Freund Caleb (Trevor Wright) und Tanner (Arjay Smith, The Day After Tomorrow, Abgedreht) Halt in einem abgelegenen Motel. Was sie nicht wissen: Eine Gruppe von Snuff-Filmern hat im Meadow View Inn ihr geheimes Aufnahmestudio, und die drei sollen unfreiwilligerweise die kommenden Filmstars werden…
Trotz überraschungsarmer Geschichte lag Nimród Antal bei seinem Hollywood-Debüt nicht allzu falsch. Er besetzte die Hauptrollen von Motel gegen den Strich mit Luke Wilson und Kate Beckinsale – zwei Darsteller, die dem Teenageralter schon längere Zeit entwachsen sind. Zudem verlief der Aufenthalt in dem Horrormotel trotz der Snuff-Thematik verhältnismäßig unblutig, dafür wurde im Gegenzug die Atmosphäre über weite Strecken gut ausgearbeitet. Dieses solide Grundgerüst wurde für „The First Cut“ übernommen – und dennoch wird der Film von Antals Nachfolger Eric Bross gehörig gegen die Wand gefahren.
Das Übel beginnt bereits mit der Eröffnungsszene. Ein frisch verheiratetes Pärchen benötigt auf dem Weg in die Flitterwochen unbedingt ein Motelzimmer. Sein Liebesakt wird dort heimlich mit Videokameras aufgenommen, danach verschwindet es wieder – und wird im weiteren Verlauf des Films nicht mehr gesehen. Diese Sequenz hat nur den Zweck, dem Zuschauer zu vermitteln, dass die späteren Snuff-Filmer die Kameras ursprünglich installierten, um Paare beim Sex zu filmen. Das Ganze wird über mehrere Minuten breitgetreten und zusätzlich mit altbackenen Schockeffekten aufgepeppt.
Die eigentliche Handlung setzt erst ein, als Smith (Scott G. Anderson, Titanic), einer der Fieslinge aus dem Vorgänger, die Bildfläche betritt und in dem verkabelten Zimmer eine Prostituierte umbringt. Aufgrund der zu erwartenden größeren Nachfrage nach Snuff-Aufnahmen entscheiden sich die Motel-Angestellten Gordon (David Moscow, „Big“) und Reece (Brian Klugman, Cloverfield), Smith nicht bei der Polizei abzuliefern, sondern ihn seine Mordlust fortan in Großaufnahme vor der Kamera ausleben zu lassen. Obgleich sich „Motel 2“ natürlich in einem Horroruniversum mit eigenen Regeln bewegt, in dem logische Handlungen nicht unbedingt zu erwarten sind, ist dieser Sinneswandel dennoch sehr erstaunlich. Wie schnell die selbsternannten Pornoregisseure beschließen, mit einem Psychopathen gemeinsame Sache zu machen, verblüfft zusätzlich. Aber immerhin ist die Bühne nach einer überlangen Exposition nun endlich frei für die jugendlichen Opferlämmer.
Leider bemüht Drehbuchautor Mark L. Smith, der auch schon Motel schrieb, in der Folgezeit einige der abgeschmacktesten Wendungen und Motive, die es Horrorgenre gibt. Kopflose Teenies hetzen wie in einem Backwood-Slasher durch einen dunklen Wald. Sie kämpfen mit den Killern, die auch im größten Gefecht noch mit ihrer Kamera herumfuchteln, und stolpern über ein einsames Haus, dessen Bewohner (Typ: klassisches Kanonenfutter) noch dämlicher als die Teenager sind. Spannung und Atmosphäre bleiben bei dieser einfallslos ausgedachten und konventionell gefilmten Jagd weitgehend auf der Strecke.
Trotz der zahlreichen Einwände ist „The Final Cut“ in der Umsetzung durchaus ordentlich gelungen. Die fünf Millionen Dollar, die Sony Pictures in die Produktion pulverte, sind ihr deutlich anzumerken. Die Kulissen sind stimmig, die Kameraführung überzeugt zumeist und selbst die unbekannten Darsteller liefern anschauliche Vorstellungen ab. Es wäre aber besser gewesen, noch einige Cents mehr in das Drehbuch zu investieren. Gerade bei einem Prequel gilt es, die Klippen der Vorhersehbarkeit – schließlich ist das Überleben des Killers abzusehen – mit Kreativität zu umschiffen, und hieran mangelt es dem Film gehörig.
If the camera starts filming, you are dead
„Motel – The First Cut“ ist weder Shakespeare noch Goethe, aber auch als simpler Slasherstreifen kann das Prequel nur mit zwei zugedrückten Augen unterhalten. Zu häufig wird die Klischeekiste geöffnet und die Handlung mit unnötigen Nebensächlichkeiten auf Spielfilmlänge gedehnt. Das wird Genreanfänger vielleicht noch in Angst und Schrecken versetzen, kritischere Freunde des gepflegten Grusels werden sich allerdings aufgrund der extremen Vorhersehbarkeit von Eric Bross’ Motel-Fortsetzung ziemlich schnell langweilen.