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    In jeder Sekunde
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,0
    solide
    In jeder Sekunde
    Von Christian Horn

    „In jeder Sekunde“, das Regiedebüt des erfahrenen Kameramanns Jan Fehse (Tattoo, Herr Bello), erzählt in zwei mehr oder minder scharf voneinander abgegrenzten Episoden von drei Männern und drei Frauen, die alle an einem entscheidenden Wendepunkt in ihrem Leben stehen. Dabei orientiert sich das Episoden-Drama sowohl dramaturgisch als auch visuell ganz deutlich an den Filmen von Alejandro González Iñárritu (21 Gramm, Babel). Für einen Debütfilm sehr stilsicher und ohne großen Pomp inszeniert, leidet der Film ein wenig an der konstruierten Abfolge der Ereignisse. Die erzählerische Kausalkette nie durchbrechend, verliert der Film so einiges an innerer Spannung.

    Zu Beginn des Films sind es noch drei Episoden, die recht schnell zu zwei verschmelzen. Hans Frick (Sebastian Koch, Das Leben der Anderen) und seine Frau Anna (Barbara Auer, Die innere Sicherheit) kümmern sich um ihre kranke Tochter. Die Ehe der beiden liegt in Trümmern und Dr. Frick stürzt sich zunehmend in seine Arbeit als leitender Arzt einer psychiatrischen Anstalt. Hier kommt er auch Luisa (Jenny Schilly), der Schwester einer ehemaligen Patientin, näher. Es entwickelt sich eine zaghafte, von Zweifeln begleitete Affäre. Frick muss sich entscheiden: Soll er bei seiner Familie bleiben oder mit Luisa einen Neuanfang wagen? Der zweite Handlungsstrang handelt ebenfalls von einem Paar, das an einem Ende angelangt ist: Sarah (Mina Tander, Selbstgespräche) und Christoph (Wotan Wilke Möhring, Gegenüber) führen eine exzessive Beziehung zwischen Partys, Koks und wildem Sex. Doch Sarah hat den Rand voll - sie kann die drogengeschwängerte Ziellosigkeit ihres Freundes nicht länger ertragen und trennt sich von ihm. Die dritte Episode dreht sich um den angehenden Fotografen Ben (Ronald Zehrfeld, Der rote Kakadu), der nebenher bei einem Abschleppservice arbeitet und auf den Start seiner Karriere wartet. Recht bald lernt Ben Sarah, die sich gerade von Christoph getrennt hat, in einem Club kennen…

    Eines der deutlichsten Vorbilder für diesen Debütfilm ist der südamerikanische Autorenfilmer Alejandro González Iñárritu, dessen drei bisherigen Filmen auch episodisch aufgebaut sind. Wenn die Kamera in Fehses Film gegen Ende einen Vogelschwarm einfängt, ist das sogar ein direktes Zitat aus „21 Gramm“. Im Gegensatz zu diesem Film Iñárritus verwebt „In jeder Sekunde“ die Episoden allerdings nicht durch Perspektivwechsel und Zeitsprünge mosaikartig ineinander, sondern erzählt sie – abgesehen vom Schlussteil – getrennt voneinander. Und dies nicht nacheinander, sondern stetig abwechselnd, wobei die chronologische Reihenfolge der Erzählung zu jeder Zeit gewahrt wird. Das verbindende Element der Episoden ist die alltagsnahe und ein wenig trostlose Grundstimmung, sowie die Tatsache, dass alle Figuren sich an einem Wendepunkt befinden: Frick muss sich entscheiden, wie er sein weiteres Leben verbringen will, Christoph startet nach der Trennung von Sarah in einen neuen Abschnitt ohne Drogen, Ben erhält die Chance als Fotograf zu arbeiten, und Sarah unternimmt den Versuch, mit ihm eine – im Gegensatz zu ihrer vorherigen Verbindung – erwachsene und stabile Beziehung aufzubauen.

    Stilistisch ist „In jeder Sekunde“ extrem kohärent. Was vor allem auffällt, ist die stimmige Kamera, die immer wieder durch Türen, Fenster oder im Vordergrund platzierte Gegenstände filmt. Damit visualisiert sie – ob gewollt oder nicht – die Beengtheit der Figuren, zwischen deren möglichem Glück und der faktischen Realität sich immer wieder etwas dazwischen schiebt. Ob nun Fricks Affäre von seiner Ehe in Frage gestellt wird, oder Jennys Exfreund ihre Beziehung zu Ben in fatale Mitleidenschaft zieht - das Glück der Figuren verhindert immer wieder (und zuletzt mit brutaler Konsequenz) ein Störfaktor.

    Jan Fehse ist mit „In jeder Sekunde“ ein stimmiges Regiedebüt gelungen. Es besticht vor allem durch seine Nähe zum Alltag und den weitgehenden Verzicht auf sensationelle Höhepunkte. Fehse tut gut daran, die Episoden nicht ständig miteinander zu verweben, was in den allermeisten Fällen allzu konstruiert wirkt. Einzig die alles erklärende, auf kausalen Zusammenhängen beruhende Abfolge der Ereignisse gereicht dem Gesamteindruck zum Nachteil. Ein wenig mehr Mut an dieser Stelle, also ein Aussparen mancher Erklärung oder der Verzicht auf das Ausbuchstabieren jeder Hintergrundinformation, hätte dem Film sicherlich gut getan.

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