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    Anvil! Die Geschichte einer Freundschaft
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    Anvil! Die Geschichte einer Freundschaft
    Von Julian Unkel

    Auch nach 25 Jahren gilt This Is Spinal Tap weiterhin als einer der Musikfilme schlechthin. Rob Reiners (Das Beste kommt zum Schluss) im Dokustil gedrehter Film über die fiktive Rockband Spinal Tap ist nicht nur hinreißend komisch, sondern auch – wie die Aussagen vieler echter Rockstars belegen – erstaunlich nahe an der Wirklichkeit. Für sein Regiedebüt hat sich Drehbuchautor Sacha Gervasi mit „Anvil! Die Geschichte einer Freundschaft“ nun ebenfalls an einer Rockumentary versucht, die einige inhaltliche Parallelen zu „This Is Spinal Tap“ aufweist: Beide Filme verfolgen den Weg einer Band, die ihren Zenit längst überschritten hat. Beide zeigen Rückschläge wie kaum besuchte Touren und bandinterne Streitereien. Und schließlich rücken beide Stonehenge in den Mittelpunkt einer Szene und lassen die Bands am Ende mit großen Shows in Japan doch noch einen Erfolg genießen. Einen großen Unterschied gibt es dann aber doch: Gervasis Geschichte ist wahr.

    Mitte der 80er Jahren touren Anvil mit späteren Größen wie Bon Jovi, Whitesnake oder den Scorpions. Ikonen wie Slash (Guns’n’Roses), Tom Araya (Slayer), Lemmy Kilmister (Motörhead) oder Lars Ulrich (Metallica) bescheinigen der kanadischen Speed-Metal-Band und besonders deren zweitem Album „Metal to Metal“ einen riesigen Einfluss auf die gesamte Branche. Doch auch nach einem guten Vierteljahrhundert im Geschäft warten Anvil weiterhin auf den Durchbruch, von der Urbesetzung sind inzwischen nur noch die beiden Gründer – Sänger und Gitarrist Steve „Lips“ Kudlow und Drummer Robb Reiner – übrig. Geld bringt ihnen die Musik schon lange nicht mehr ein, Lips liefert inzwischen hauptberuflich Essen auf Rädern, Reiner hilft auf dem Bau aus. Trotz der konstanten Erfolglosigkeit haben beide aber den Traum vom Rockstar-Dasein noch nicht aufgeben. Gervasi begleitete die Band drei von Enttäuschungen geprägte Jahre lang - er zeigt eine komplett verkorkste Europatour und den Versuch, für das dreizehnte Album eine Plattenfirma zu finden. Nach wiederholtem Zwist zwischen Lips und Reiner steht die Band sogar kurz vor dem Aus...

    „We said we’re gonna do until we’re old men. We really meant that.” – Steve „Lips” Kudlow

    Sacha Gervasi zählt zu der kleinen Gruppe langjähriger Anvil-Fans und war in den 80ern gar selbst als Roadie für die Band tätig. Dieser persönlichen Verbindung zu der Band ist es wohl zu verdanken, dass „Anvil!“ weit mehr als ein unterhaltsames Kuriositätenkabinett darstellt – Material dafür wäre zumindest zu Genüge vorhanden: Die Archivaufnahmen von früheren Auftritten, in denen Lips seine Gitarre mit einem Dildo bespielt; die zitierten Texte, die nur so vor sexuellen Anspielungen und Eindeutigkeiten strotzen; die beiden „Original Fans“ Mad Dog und Cut Loose, die man in einem Spielfilm wohl als „zu schräg“ kritisieren würde. Doch auch wenn viele dieser Szenen für sich genommen ebenso absurd wie irrsinnig komisch sind, wird in den teils sehr intimen und überraschend ergreifenden Gesprächen immer deutlicher, wie wichtig Lips und Reiner die Band wirklich ist. Der Lächerlichkeit werden die Protagonisten so nie preisgegeben. Und auch wenn man sich zu Beginn noch über die zum Teil aberwitzigen Fehlschläge amüsiert, würde man ihnen den Erfolg mit der Zeit wirklich gönnen.

    Die Balance zwischen Komik und Tragik funktioniert besonders gut bei der Europatour, die einen Großteil der ersten Hälfte des Films ausmacht. Von der kaum Englisch sprechenden Freundin eines Bandmitglieds geplant, geht hier wirklich alles schief, was nur schiefgehen kann: Die Band verfährt sich und verpasst Züge, in München erscheinen nach nicht vorhandener Promotion nicht einmal fünf Leute zum Konzert, in Prag werden sie statt mit der vereinbarten Gage mit einem Teller Gulasch abgespeist. Die große Abschlussshow der Tour beim „Monsters of Transylvania“-Festival, bei dem Anvil als Headliner gelistet sind, findet schließlich in einer Halle statt, die 10.000 Gäste fasst – es erscheinen jedoch nur 174. Wie Lips und Reiner bei all diesen Widrigkeiten ihr Ding weiterhin durchziehen, verdient großen Respekt.

    Geschmälert wird der Eindruck des auch formal durchgehend überzeugenden Films vor allem in der zweiten Hälfte durch einige Szenen, in denen Gervasi und seine Crew offensichtlich nachgeholfen haben. Das mag bei kleineren Gags – der Produzent des Comeback-Albums besitzt einen Verstärker, der sich als Reminiszenz an eine vielzitierte Szene aus „This Is Spinal Tap“ ebenfalls bis elf aufdrehen lässt – nicht stören, aber spätestens der heftige Streit zwischen Lips und Reiner samt anschließender Versöhnung vor laufender Kamera wirkt aber dramaturgisch viel zu sehr forciert. Dass es nach all den Tiefen am Ende doch noch auf ein Happy End hinausläuft, sollte man dem Film hingegen nicht anlasten, denn Gervasi hat nicht nur eine sehr unterhaltsame Banddokumentation, sondern auch ein Plädoyer für das Festhalten an den eigenen Träumen gedreht. Das macht „Anvil! Die Geschichte einer Freundschaft“ nicht nur für Metal-Fans sehenswert.

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