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    Das gelbe Segel
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    Das gelbe Segel
    Von Andreas R. Becker

    Sieht man das Leben als eine Reise mit Sackgassen und Umwegen, gespickt mit kleinen und großen Begegnungen, schmiegt sich das Genre des Roadmovies seiner Natur nach ideal an diese Metapher an. Ein hübscher Beitrag des Genres ist „Das gelbe Segel“ des britischen, in Indien geborenen Regisseurs Udayan Prasad. Der Film erzählt die Story eines Ex-Sträflings und zweier Teenager, die im sommerlichen Louisiana einige Tage und viele Meilen in einem ranzigen Straßenkreuzer-Cabrio verbringen und dabei Geschichten, Leid und Hoffnungen miteinander teilen. Neben wildromantischen Bildern und straßenphilosophischen Dialogen trägt eine markante, mit viel Gespür gewählte Besetzung den durchweg optimistischen Film: William Hurt (A History Of Violence, Der unglaubliche Hulk) als nicht gänzlich einzuordnender, aber doch vertrauenserweckender Ex-Sträfling Brett harmoniert perfekt mit den Teenagern Martine (Kristen Stewart, Twilight) und Gordy (Eddie Redmayne, Der gute Hirte). Zwangsselbstständig, aber nicht erwachsen, aussätzig und auf der Suche nach Halt und Trost finden die Teenager in ihrem vom Leben gezeichneten Begleiter eine Vaterfigur. Für den wiederum ist guter Rat teuer, da ihn ein Phantom aus seiner Vergangenheit einfach nicht loslässt: Seine von der charakterstarken Maria Bello (The Cooler) verkörperte Ex-Frau May.

    Brett (William Hurt) wird nach Jahren im Gefängnis endlich entlassen, doch der Grund für seine Verurteilung verbleibt im Dunkeln. Orientierungslos und überwältigt von der wiedergewonnen Freiheit begegnet er in einem kleinen Ort im ländlichen Louisiana den Teenagern Martine (Kristen Stewart) und Gordy (Eddie Redmayne). Zunächst verbindet die drei Fremden nur das Ziel, möglichst schnell den Fluss zu überqueren und das Weite zu suchen. Eine Reihe kleinerer Zufälle verlängert die gemeinsame Reise jedoch immer wieder, bis sich in den Gesprächen schließlich eine unerwartete Vertrautheit entfaltet. Dabei enthüllt Brett mehr und mehr von sich, seiner Ehe mit May (Maria Bello) und der Verkettung von Ereignissen, die ihn letztlich ins Gefängnis brachte. Brett wird immer wieder von seiner Vergangenheit eingeholt, bis seine beiden Begleiter ihn dazu bringen, sich ihr endgültig zu stellen...

    Es ist das geschickte Zusammenspiel von Flashbacks und Szenen aus dem Hier und Jetzt, das vor allem zu Beginn des Films eine ambivalente Atmosphäre erzeugt. So bleibt lange Zeit unklar, wofür Brett eigentlich einsaß. Von Kontrollverlust gezeichnete und aus dem Kontext gerissene Eindrücke aus der Vergangenheit vermischen sich mit einer eigentümlichen Vertrauenswürdigkeit. Mit ebendieser erzeugt William Hurt bei seinen beiden jungen Wegbegleitern und damit auch beim Zuschauer eine Skepsis und eine gewisse Zutraulichkeit zugleich. Kristen Stewart als Martine meistert ebenso gekonnt den schmalen Grat zwischen taffer Frühreihe und zarter Verletzlichkeit. An ihrer Seite sind es die wissbegierigen und traurigen großen Augen von Eddie Redmayne als zutiefst empfindsamer Gordy, die bedingungslos fesseln. Es ist diese geschickte emotionale Konstellation, die es im Fortgang der Handlung immer unwahrscheinlicher erscheinen lässt, dass Brett tatsächlich für ein immer wieder vorsichtig angedeutetes Gewaltverbrechen an seiner Frau May verurteilt worden sein soll.

    Zu Beginn ist es vor allem das, was nicht gezeigt, gesagt und offenbart wird, das den Spannungsbogen von „Das gelbe Segel“ ausmacht. Vieles, das zunächst im Nebel verborgen bleibt, wird aber später durch dann eher lineare Erzählungen von Brett langsam entschleiert, was die anfänglichen Ambivalenzen und Spannungen zunehmend reduziert. Trotz allem wird der überschaubare 96 Minuten lange Film aber niemals langweilig, spielt doch die stellenweise eindrucksvoll schön eingefangene Ästhetik von Weite, Schmutz und Abseitigkeit ganz im Sinne des Road-Movie-Genres die fünfte Hauptrolle.

    Bei alledem deutet Regisseur Prasad immer wieder darauf hin, dass es bloße Banalitäten, Unfälle und kleine Fehlinterpretationen sein können, die ein Menschenleben in einem Maß aus der Bahn werfen, dass es in keinem Verhältnis mehr zur Ursache steht. Auch die Einordnung von gerecht und ungerecht, von richtig und falsch verschwimmt so zusehends. Dennoch – und hier mag es dem einen oder anderen dann doch einen Deut zu kitschig zugehen – lässt er keinen Zweifel daran, dass es immer eine zweite Chance gibt, wenn man sie denn nur sehen und ergreifen will.

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