Mutter werden ist nicht schwer, Mutter sein dagegen sehr! Genau das muss Barbara in Rémi Bezançons sehr persönlicher und überaus berührender Tragikomödie „Ein freudiges Ereignis" am eigenen Leib erfahren. Werden uns speziell im Hollywood-Kino meistens Hochglanz-Babys, Vorzeigemütter und Muster-Ehen präsentiert, wagt der französische Regisseur einen Blick hinter die glatte Fassade der Bilderbuch-Mutterschaft und führt sein Publikum unprätentiös in die Welt von Wehen, Windeln und Wickeltisch. Das ist mal emotional, mal komisch, aber oft auch sehr schmerzhaft: Denn selten wurde die Gefühlswelt einer jungen Mutter so glaubhaft und echt auf die Leinwand gebracht wie in „Ein freudiges Ereignis", der Verfilmung des gleichnamigen Romans von Eliette Abécassis. Herausgekommen ist ein bemerkenswert ehrlicher Film über die Freuden des Mutterseins, aber nicht zuletzt auch über deren gern verschwiegene Schattenseiten.
Barbara (Louise Bourgoin) ist jung, attraktiv, intelligent – und verliebt: die Psychologie-Studentin und ihr Freund Nicolas (Pio Marmai) schweben auf einer rosaroten Wolke und genießen jeden gemeinsamen Augenblick. Das von beiden ersehnte Baby soll nun die Krönung ihrer perfekten Liebe sein. Als Barbara bald darauf tatsächlich schwanger wird, ist sie aufgeregt und voller Vorfreude. Doch angesichts einer wahren Flut gut gemeinter Ratschläge und der scheinbar ganz normalen Bevormundung durch Frauenärzte und Hebammen ändert sich das schnell. Zunehmend fällt es Barbara schwer, das Bild einer glücklichen Schwangeren abzugeben: Ihr Sexleben ist auf dem Nullpunkt, der Hormonspiegel fährt Achterbahn und nach der Geburt fällt es ihr schwer, sich in der neuen Mutterrolle zurechtzufinden. Eine Situation, die auch ihre Beziehung zu Nicolas zunehmend gefährdet.
Die Geburt des eigenen Kindes wird im Outlook-Kalender verwaltet, der Lebenslauf des Babys schon pränatal durchgeplant und das gesamte Mutterdasein straff organisiert – schwangere Frauen und junge Mütter haben es heute zunehmend schwer, den fremden, aber auch eigenen Ansprüchen zu genügen. So werden Schwangerschaft und Babyerziehung zu einer Grenzerfahrung, die Eliette Abécassis in ihrem teilweise autobiografischen Roman „Ein freudiges Ereignis" pointiert und unverblümt verarbeitet hat und die der Regisseur Rémi Bezançon („Der erste Tag vom Rest deines Lebens", „Zarafa") in seiner gleichnamigen Verfilmung ebenso ungeschönt wie behutsam auf die Leinwand bringt.
Geradezu verblüffend offen und vorbehaltlos geht Bezançon mit dem sonst so in Watte gepackten Thema Schwangerschaft um. Das Wichtigste dabei: Er degradiert seine zweifelnde und oft überforderte Protagonistin nicht zur Rabenmutter, sondern nimmt ihre Ängste und Sorgen jederzeit ernst. Zwischen Geburtsvorbereitungskursen und Baby-Yoga, der schier unbegrenzten Auswahl an verkehrssicheren Buggys und der ausufernde Suche nach dem richtigen Bio-Babybrei verliert die Protagonistin Barbara wie viele Neu-Mamas die eigenen Wünsche und Bedürfnisse aus den Augen. Was für sie zu Beginn wie die Erfüllung eines Traums erscheint, wird zunehmend zur fremdbestimmten Tortur durch aufdringliche Hebammen, klotzige Frauenärzte und vor allem durch dieses kleine Wesen, das in ihr heranwächst und ihr Leben vollkommen auf den Kopf stellt. Aber neben den kräftezehrenden und aufreibenden Phasen stehen eben auch viele kleine Momente des Glücks und vor allem die tiefe und aufopferungsvolle Liebe, die Barbara für ihre kleine Tochter empfindet.
Nicht nur Barbaras komplizierte Beziehung zu ihrer Tochter wird in dieser tragisch-komischen Geschichte feinfühlig ausgelotet. Durch Schwangerschaft und Geburt stehen auch ihre Partnerschaft, Freundschaften, die Karriere und das Verhältnis zu ihrer ruppigen, aber liebenswerten Mutter Claire (Josiane Balasko) auf dem Prüfstand. Hauptdarstellerin Louise Bourgoin („Adèle und das Geheimnis des Pharaos") stürzt sich engagiert und voller Energie in ihre anstrengende Rolle und überzeugt als aufgewühlte junge Frau, die sich von der lebenslustigen Studentin erst zur tief verunsicherten und schließlich zur hingebungsvollen Mutter entwickelt. Barbara steht klar im Mittelpunkt, aber dennoch vernachlässigen Bezançon und seine Co-Autorin Vanessa Portal keineswegs die Nebenfiguren: Pio Marmai („C'est La Vie - So sind wir, so ist das Leben") durchlebt als junger Vater mindestens genauso viele Sorgen, Ängste und Nöte wie die Mutter seines Kindes. Und auch Josiane Balasko („Die Eleganz der Madame Michel") hat ihr Päckchen zu tragen: Als alleinerziehende Mutter versucht sie ihrer Tochter mit Rat und Tat beiseite zu stehen – und stößt dabei nicht immer auf Gegenliebe.
Fazit: Mit viel Humor und noch mehr Herz erzählt Rémi Bezançon in „Ein freudiges Ereignis" von den guten wie den schlechten Zeiten des Mutterwerdens und des Mutterseins, aber auch vom steinigen Weg vom Paar zur Familie.