Kaum ein Tier hat einen so gewichtigen Platz in unserem Fantasieleben wie der Bär. Für die meisten Kinder sind Teddys wichtige erste Gefährten, und auf die Kleinen zugeschnittene Bärengeschichten gehören zum unverzichtbaren Repertoire vorlesender Eltern. Winnie der Pu alias Pu der Bär ist wahrscheinlich der berühmteste bärige Stammgast in den Kinderzimmern, daneben gehören der kleine Eisbär Lars und seit zehn Jahren der Mondbär ebenso zu den beliebtesten Figuren beim jungen Publikum. Aber auch viele Erwachsene lassen sich gerne von Knopfaugen, flauschigem Fell und freundlichem Gemüt bezaubern, sonst würde etwa die beharrlich geschürte Begeisterung für den realen Eisbären Knut im Berliner Zoo kaum bis heute anhalten. An seinem Beispiel lässt sich allerdings auch die Diskrepanz zwischen Knuddelimage und Raubtierwirklichkeit erkennen, denn ein echter Bär unterscheidet sich natürlich erheblich von den Bären in unseren Träumen und Herzen. Versuche, Realität und Projektion zu vereinen, wie etwa Jean-Jacques Annauds (Der Name der Rose, Zwei Brüder) Braunbären-Spielfilm „Der Bär“, bleiben zumeist erzählerisch unbefriedigend. Das Zeichentrickabenteuer „Der Mondbär“, das Mike Maurus und Thomas Bodenstein nach den Büchern von Rolf Fänger und Ulrike Möltgen inszeniert haben, folgt glücklicherweise dem Pfad der Vorlage und entführt seine Zuschauer in einen Fabelwald, in dem die Regeln der Fantasie gelten. „Der Mondbär“ ist ein liebevoll gestalteter und sanft erzählter Kinderfilm mit positiver Ausstrahlung, aber ohne pädagogischen Zeigefinger - eine spannende Entdeckungsreise speziell für kleinere Mädchen und Jungs ab dem Vorschulalter.
Ein merkwürdiges Luftgefährt gerät außer Kontrolle und rammt den Mond. Der Erdtrabant fällt vom Himmel in den Wald, wo ihn sein größter Bewunderer, der Mondbär, unter einem Baum aufliest und mit nach Hause nimmt. Während der Bär seinen angeschlagenen Freund aufpäppelt, breitet sich im Wald große Aufregung aus. Ohne den Mond ist es stockfinster, deshalb organisieren die Tiere einen Suchtrupp. Es dauert nicht lange, bis sie das helle Licht des Himmelskörpers aus Mondbärs Fenster strahlen sehen. Nachdem dieser sich zunächst gegen den Vorwurf wehren muss, den Mond gestohlen zu haben, folgt schnell das nächste Problem, denn das Nachtgestirn ist eingeschlafen und lässt sich nicht wecken. Erst der Rabe Jonathan hat eine gute Idee: Der Sonnenvogel, von dessen Gesang sie alle jeden Morgen aufwachen, soll auch den Mond wecken. Der kleine Vogel ist aber zunächst nirgends zu finden. Nach allerlei Abenteuern führt die Suche Mondbär, Marienkäfer und Hase schließlich in das Finstere Tal, das Reich des grantigen Erfinders Pollux...
Das Team um Produzentin und Co-Autorin Gabriele Walther hat schon Felix - Ein Hase auf Weltreise und Felix - Ein Hase und die verflixte Zeitmaschine in die Kinos gebracht und bleibt dem dort angeschlagenen Tonfall treu. Unaufgeregt und in eher langsamem Tempo entfalten sich auch die Abenteuer von Mondbär und seinen Freunden. Die Animation in sogenannter Flat-3D-Optik geht damit Hand in Hand, der Stil des Films lässt mit seinen leuchtenden Farben und klaren Konturen an ein Bilderbuch in Bewegung denken. Auch im Hintergrund ist immer wieder etwas zu entdecken. Die Szene von Mond und Bär bei Honigkuchen und Damespiel am Tisch wäre in diesem Sinne nicht nur ein detailfreudiges Posterbild, sondern zeugt von der gelungenen Verbindung der originell versammelten Elemente in selbstverständlich wirkender Harmonie.
Die Einfachheit der Gestaltung steht nicht im Gegensatz zu differenzierender Charakterzeichnung und lebendiger Interaktion der Figuren. Mondbär selbst strahlt Herzenswärme und Unerschütterlichkeit aus, eine idealtypische Variante des liebenswerten, gütigen und niedlichen Bären. Der leicht schusselige und ängstliche Hase, der als eifriger Möhrchenknabberer selbst im Dunkeln sehen kann und für die komischen Momente zuständig ist, die lebhafte Entenfamilie und der einschließlich cooler Sonnenbrille und Gitarre mit den Zutaten eines Rockstars versehene Frosch sind weitere Beispiele aus der fein abgestimmten Mischung an Figuren, wobei auch die Sprecherbesetzung und Stimmauswahl passende Akzente setzt. Das keinem klaren Vorbild aus dem Tierreich nachempfundene Zwillingspaar Pollux und Polly wiederum erlaubt die Einführung wundersamer Maschinen in die Handlung, ihre Fluggeräte und der gigantische Kartoffelkuchenautomat sind bei aller Fehleranfälligkeit die reinste Freude.
Die leicht zu verfolgende Handlung setzt auf ein einfaches Muster mit einem eindeutigen Ziel: Der Mond muss zurück an den Himmel. Bei der aufregenden Suche nach einer Lösung gilt es, Zusammenhalt und Mut zu zeigen. Die Filmemacher verzichten dabei auf eine allzu starke Dramatisierung, das Finstere Tal etwa erweist sich für die Zuschauer ähnlich wie für Mondbär und seine Freunde als weitaus weniger sinister als der Name suggeriert. Dennoch gibt es auch in „Der Mondbär“ einen Bösewicht, und dieser Reinecke Fuchs verbreitet doch einigen Schrecken. Seine hinterhältige Attacke auf den Sonnenvogel bleibt durch die schnelle glückliche Rettung aber ein singulärer Gruselmoment. Mit einem für die Befreiung des Vogels nötigen Bungee-Sprung des Fuchses wird wie mit einem launigen Rap der Krähen gezielt versucht, die etwas älteren Kinder anzusprechen - eine gelegentliche allzu kalkuliert wirkende Mischung, die nicht immer funktioniert.
Die Musik von Danny Chang nimmt im gesamten Film eine prominente Rolle ein. Die sehr einprägsamen Melodien sind sinnvoll integriert, die Erfindung des Mondlieds und das gemeinsame Musizieren der Tiere werden in Bild und Ton zum unaufdringlichen Ausdruck des Solidaritätsthemas. Das Thema des Sonnenvogels dagegen wird doch einige Male zu häufig wiederholt, sein unablässiger Einsatz im zentralen Teil des Films kann stellvertretend für die Empfindung eines gewissen Leerlaufs stehen, die ab und zu droht. Hier zeigt sich weniger die Ungeduld erwachsener Wahrnehmung als die Herkunft des Stoffes aus kurzen Bilderbuchgeschichten, die in der Fernsehserie um den Mondbär noch in Episoden von wenigen Minuten umgesetzt wurden.
Fazit: „Der Mondbär“ ist ein auf kleine Zuschauer zugeschnittenes Kinovergnügen mit Ansteckungspotential für die ganze Familie. Mit seinem Detailreichtum und einer aufregenden Handlung, in der auch der Humor nicht zu kurz kommt, hat der Film das Zeug zum Zielgruppen-Hit.