Um rustikale Statements ist der bodenständige Boston-Boy Mark Wahlberg nie verlegen und „haut gern mal einen raus". 9/11? Hätte mit „Marky Mark" nie stattgefunden („Wenn ich mit meinen Kindern in einem dieser Flugzeuge gewesen wäre, dann hätte es keinen Absturz gegeben. Es wäre viel Blut in der ersten Klasse geflossen")! Europäischer Fußball nach Art seines auch wegen der vielen Paparazzi nervenden L.A.-Nachbarn David Beckham? Ist langweilig und überflüssig („Ich verstehe nicht, warum er überhaupt in die USA gekommen ist. Mann, wir wollen deinen Fußball nicht. Da wird 90 Minuten herumgerannt, ohne dass viel passiert"). Wir verstehen: Nur American Football ist ein richtiger Männersport! Und Selbstjustiz? Keine schöne Sache, aber was muss, das muss - wenn der Bastard es verdient hat. Das ist jedenfalls die Einstellung, die sich aus dem von Hauptdarsteller Wahlberg produzierten „Broken City" herauslesen lässt. Womit wir gleich beim größten von vielen Problemen des Großstadt-Thrillers sind. Der von Allen Hughes („From Hell", „The Book of Eli") inszenierte Polit-Reißer fängt stark an, aber dann gleiten dem Regisseur bei der ersten größeren Arbeit ohne Zwillingsbruder Albert an seiner Seite die erzählerischen Zügel aus der Hand. Das Gespür für ausdrucksstarke und stimmungsvolle Bilder hat ihn indes nicht verlassen und so sieht „Broken City" bei allen Schwächen immerhin fabelhaft aus und die Star-Besetzung überzeugt insgesamt auch – vor allem der zwielichtige Russell Crowe.
Seine Karriere als New Yorker Cop endete vor sieben Jahren jäh, als Billy Taggert (Mark Wahlberg) angeklagt wurde, einen Gangster kaltblütig niedergeschossen zu haben. Die Anklage wurde zwar fallengelassen, aber aus dem Polizeidienst musste Taggert trotzdem ausscheiden. Pikant: Er verdankte es nur dem damaligen und heute immer noch amtierenden Bürgermeister Nicholas Hostetler (Russell Crowe), dass ihm das Gefängnis erspart blieb. Das New Yorker Stadtoberhaupt ließ belastendes Beweismaterial gegen Taggert einfach verschwinden, weil er ihn moralisch im Recht sah. Mittlerweile hält sich der Ex-Cop als redlicher Privatdetektiv nur noch mit Mühe und Not über Wasser - da kommt ihm ein lukratives Angebot Hostetlers gerade recht: Der Politiker bietet Taggert 50.000 Dollar für die Beschattung seiner Frau Cathleen (Catherine Zeta-Jones). Hostetler, der gerade mitten im Wahlkampf gegen seinen smart-bissigen Kontrahenten Jack Valliant (Barry Pepper) steckt und negative Schlagzeilen gar nicht gebrauchen kann, glaubt, dass seine Gattin fremdgeht. Als dann jedoch Valliants Wahlkampfmanager Paul Andrews (Kyle Chandler), Cathleens mutmaßlicher Liebhaber, ermordet wird, schwant Taggert, dass sich hier nichts Gutes zusammenbraut und er in ein ausgewachsenes Komplott verwickelt wurde.
Allen Hughes‘ New York ist tatsächlich eine „Broken City", in ihrer rauen Verkommenheit erinnert die Stadt des in der Gegenwart angesiedelten Films frappant an die 90er Jahre, an die Zeit vor der Regentschaft des berühmt-berüchtigten republikanischen Bürgermeisters Rudy Giuliani, der vor 20 Jahren den eisernen Besen in die Hand nahm und den Sündenpfuhl kräftig auskehrte. Auch der Stil des Films ist pure 90er, aber die Hoffnung einen packenden und moralisch fordernden Polit-Thriller wie etwa Harold Beckers „City Hall" zu sehen zu bekommen, erschöpft sich mit zunehmender Dauer – und das obwohl Allen Hughes gewohnt ansehnliche Arbeit leistet und für eine dichte Atmosphäre sorgt. Die Cinemascope-Bilder von Kameramann Michael Seresin („Unstoppable") sehen großartig aus und auch die Stars zeigen ihre Klasse, aber nachdem erst einmal die Ausgangssituation etabliert ist, verliert Hughes die Kontrolle über seinen Film und verheddert sich in einem Wirrwarr aus unmotivierten Wendungen, Handlungssackgassen und fallengelassenen Erzählfäden: Kommissar Zufall steigt zum leitenden Sonderermittler auf!
Zu Beginn schürt Hughes ordentlich die Erwartungen und deutet einen Skandal epischen Ausmaßes an, in dem es um Leben und Tod geht. Einlösen kann er sein Versprechen mit dem kostspieligen Fall von Baukorruption, als der sich das intrigante Treiben schließlich entpuppt, nicht: Statt eines Orkans der Entrüstung weht ein flaues Lüftchen von Aufregung. Das liegt auch daran, dass der Protagonist des naiv in den Schlamassel stolpernden Privatdetektivs trotz vielversprechender Anlage nie zu einer wirklich facettenreichen (Identifikations-)Figur ausgeformt wird. Statt psychologischer Komplexität und moralischer Fallhöhe gibt es für Mark Wahlberg („The Departed", „Ted"), der seinen Part entsprechend routiniert herunterspielt, eine überflüssige, halbgare Liebesgeschichte mit Natalie Martinez („End of Watch") als aufstrebende Schauspielerin Natalie. So kommt letztlich nicht einmal dann ein Gefühl von lebensbedrohlicher Gefahr auf, wenn aus vollen Rohren auf Taggert geschossen wird, zumal sich der Ex-Cop immer wieder mit Leichtigkeit aus der Bredouille befreit.
Mark Wahlberg kann angesichts seiner unterentwickelten Rolle keine besonderen darstellerischen Akzente setzen, die schauspielerisch interessanteren Parts sind ohnehin wie so oft die zwielichtigen und doppelbödigen. Russell Crowe („Gladiator", „Les Misérables") gefällt als schmierig-umtriebiger New Yorker Bürgermeister, der um keinen schäbigen Winkelzug verlegen ist. Das kehrt der Australier auf herrlich überzogene nach außen. Seine extrovertierte Darbietung ist altmodisch im besten Sinne und von hohem Unterhaltungswert - selbst wenn Crowe von seiner Bestform aus „L.A. Confidential"- und „Insider"-Tagen noch einiges entfernt bleibt. Auch Barry Pepper („Der Soldat James Ryan") als Hostetlers Gegenkandidat bei der Wahl des Bürgermeisters lässt einige charakterliche Abgründe aufblitzen – ebenso wie Jeffrey Wright („Source Code"), der heimliche Star des Films. Seine Figur des Polizeischefs Carl Fairbanks ist faszinierend undurchsichtig. In ihr deutet sich eine Komplexität und Unberechenbarkeit an, die der Film als Ganzes nicht bietet.
Im Vergleich zu den genannten Kollegen kann Catherine Zeta-Jones („Chicago") als vermeintlich untreue Bürgermeister-Gattin rollenbedingt nicht mithalten, denn ihre Figur steht im Zentrum der Ungereimtheiten des unübersichtlichen Storygeflechts. Die Handlung wird im Verlauf des Films immer beliebiger und unplausibler, aber statt sie einfach im Sand verlaufen zu lassen, sorgen die Macher am Ende doch noch einmal für einen – allerdings unrühmlichen – Paukenschlag. Mit der Schlusswendung geben sie ein ebenso unmissverständliches wie fragwürdiges Statement zum Thema Selbstjustiz ab, das nicht nur auf die handelnde Figur zurückfällt – diese Lesart legen jedenfalls Drehbuch und Inszenierung nahe.
Fazit: Der Stoff ist ähnlich ergiebig und vielversprechend, aber „Broken City" ist nicht „Chinatown". Das Drehbuch zu Allen Hughes‘ New York-Reißer ist nicht einmal halb so clever konstruiert wie Robert Townes oscarprämiertes Skript von Roman Polanskis Los Angeles-Saga und somit verlieren sich die guten Ansätze des immerhin tadellos gefilmten Thrillers schließlich im Nichts.