Max Ernst, Caspar David Friedrich, Niki de Saint Phalle und Friedensreich Hundertwasser hat Regisseur Peter Schamoni, früher Vertreter des Neuen Deutschen Films der Sechzigerjahre („Schonzeit für Füchse“), bereits filmisch porträtiert. Nun ist einer der bekanntesten südamerikanischen Künstler der Gegenwart an der Reihe: der Kolumbianer Fernando Botero. Oft als „der Maler der dicken Frauen“ bezeichnet, ist sein Stil sehr von satten Farben und verschobenen Proportionen geprägt. Auch politische Themen greift er in seinen Bildern auf, etwa die Folterfotos aus Abu Ghraib oder die misslichen sozialen Zustände in seinem Heimatland. Der vielseitige Botero malt nicht nur Ölgemälde, sondern modelliert auch kleine und riesige Skulpturen. Schamoni zeichnet nun zum 75. Geburtstag Boteros den Lebensweg des Künstlers nach. Dabei nutzt er keinen gesichtslosen Off-Kommentar, sondern lässt ausschließlich den Künstler selbst (in der deutschen Fassung von Mario Adorf gesprochen) zu Wort kommen. Probleme ergeben sich aus der Montage des Films: Zu viele Schnitte, Splitscreens, Zeitraffer und Bild-im-Bild-Aufnahmen erschweren die Rezeption des Porträtierten und seiner Werke.
Fernando Botero wird 1932 in Medellín geboren. Mit 16 Jahren stellt er erstmals seine Bilder aus. Von nun an widmet er sein Leben der Kunst, wobei sein großes Vorbild von Anfang an Paul Gauguin ist. Nach dem Studium in Madrid zieht er nach New York, wo er sich jedoch nicht gegen die Vormachtstellung der abstrakten Malerei eines Andy Warhol durchsetzen kann. Seine Erfolgsgeschichte beginnt erst in Deutschland, wo seine Werke angenommen, gekauft und ausgestellt werden. In seinem überaus produktiven Leben schafft er zahlreiche Gemälde und Skulpturen. Letztere werden in etlichen Metropolen ausgestellt, etwa in Berlin, New York oder Barcelona. Dies sind auch die Städte, in die Schamoni den Künstler begleitet, um ihn vor Ort erzählen zu lassen. Botero will sich in seiner Kunst eine eigene Realität schaffen, denn die richtige gebe es ja schon. So würde er keine Orange abzeichnen, sondern sie vorher lieber essen und dann seine Vorstellung von derselben festhalten – keine Einschränkung durch die Wirklichkeit lautet das Diktum. Neben den anarchischen Proportionen spielen die satten Farbkompositionen, die für Botero ein Gemälde maßgeblich bestimmen, die zweite große Rolle. So ist der Stierkampf, der „Tanz mit dem Tod“, ein zentrales Thema seiner Werke. Denn dort wimmelt es nur so von Farben, von bunten Kostümen und roten Tüchern, die Botero in seine Bilder einfließen lässt…
Peter Schamoni begleitet den Künstler an wichtige Orte seines Lebens, etwa die Toskana, nach New York oder Madrid. Dabei führt er keine Interviews mit ihm, sondern lässt ihn schlicht erzählen. Vor allem über die Rezeption seiner Kunst, aber auch über private Schicksalsschläge, wie den Unfalltod seines vierjährigen Sohnes, den er immer wieder in seinen Bildern verarbeitet. „Botero“ kränkelt dabei nicht an der inhaltlichen, sondern an der formalen Gestaltung. In einer Besprechung der Abendzeitung heißt es: „Diese Dokumentation schwelgt in Botero-Bildern…“ Und genau das ist leider nicht der Fall. Mit treibender Musik unterlegt wird zu Beginn des Films eine Skulptur Boteros in zig schnell aufeinander folgenden Einstellungen gezeigt – von vorne, von hinten, nah, fern, wieder von vorne und so weiter. So bekommt der Betrachter keine Gelegenheit, sich das Werk in Ruhe anzuschauen. Auch die Bilder Boteros folgen zu rasch aufeinander: Mal in Abfolgen, die jedem Gemälde etwa zwei Sekunden lassen, mal in Detailaufnahmen bestimmter Aspekte der Bilder, die ebenfalls schlaglichtartig präsentiert werden. Schamoni treibt das auf die Spitze, wenn er mittels Splitscreen gleich zwei Bilder auf einmal zeigt oder mit Bild-im-Bild-Techniken arbeitet, wie man es aus TV-Werbesendungen kennt. Wo soll man da hinschauen? Sicher, an manchen Stellen ist dieses Verfahren sinnvoll. Etwa, wenn ein Vergleich zwischen der „Mona Lisa“ und Boteros Version derselben hergestellt wird. Aber in der Regel verhindert die formale Ausgestaltung ein Schwelgen in den Bildern, die doch ein so wesentlicher Bestandteil des Lebens Boteros sind.
Der Fokus liegt in Schamonis Dokumentation vor allem auf der Rezeption des Künstlers; präzise und klar strukturiert klappert der Regisseur Museen ab und besucht Städte, in den Boteros Skulpturen öffentlich ausgestellt sind. Ganz hervorragend funktioniert „Botero“ immer dann, wenn er die Vergangenheit mit der Gegenwart vermischt. Geschickt nutzt Schamoni alte Dokumentaraufnahmen, um sie zwischen seine aktuellen zu montieren. Und hier – bei dieser Verschränkung von Vergangenheit und Gegenwart – machen auch die geteilten Bildschirme Sinn.
Auch wenn Schamoni sich mit seiner Art der Montage oftmals selbst im Weg steht und dem Zuschauer eine eigene kritische Auseinandersetzung mit Fernando Botero größtenteils verwehrt, merkt man dem Film deutlich die Versiertheit Schamonis an. Ein Glück ist etwa der Verzicht auf einen erklärenden Off-Kommentar. So bleiben am Ende trotz der schnellen, verspielten und teils überladenen Montage dennoch Bildfragmente aus Boteros Schaffen hängen. Das liegt aber freilich mehr an der kompositorischen und ästhetischen Wucht der Werke selbst, und weniger an Schamonis Inszenierung.