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    Die Jungfrau und die Peitsche
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,0
    lau
    Die Jungfrau und die Peitsche
    Von Stefan Ludwig

    Regisseur Jess Franco hat viele Namen, im Laufe seiner langen Karriere arbeitete er unter circa vierzig verschiedenen Pseudonymen. Genauso abwechselungsreich wie seine zahlreichen Bezeichnungen sind auch die Genres, zwischen denen er von Film zu Film hin und her springt. Die Angaben über seine Regiearbeiten schwanken zwischen 140 und 200, wobei er teilweise auch mehrere Filme gleichzeitig abdrehte. Dabei zeichnete sich Franco vor allem durch seine ständige Bereitschaft zur Arbeit aus – so berichtet zum Beispiel Jack Tyler, Hauptdarsteller des erotischen Dramas „De Sades Eugenie - Die Jungfrau und die Peitsche“, dass Franco ihn sogar einmal spontan zu einem Dreh in seinen Garten zerren wollte. Aber amüsante Anekdoten hin oder her, mit dieser Arbeitsweise lässt sich im Endeffekt doch einfach nur Trash produzieren – und so schwankt auch „Die Jungfrau und die Peitsche“ auf dem schmalen Grat zwischen unterhaltsamer, mit den von Franco so geliebten sadomasochistischen Einlagen gespickter Exploitation und unglaubwürdigem Unfug.

    Als sie von Madame de Saint Ange (Maria Rohm) auf ihre Insel eingeladen wird, sagt die unbedarfte Eugenie (Marie Liljedahl) ohne zu wissen, dass Madame und ihr Bruder Mirvel (Jack Taylor) den perversen Schriften des Marquis de Sade huldigen, freudig zu. Auf der idyllischen Insel finden geheime okkulte Zusammenkünfte statt, die von dem zwielichtigen Dolmance (Christopher Lee, Die purpurnen Flüsse 2, „Herr der Ringe“-Trilogie) geleitet werden. Doch von diesen bleibt Eugenie zunächst noch verschont, stattdessen wird sie unter Drogen gesetzt und in die Kunst abartiger sexueller Praktiken eingeführt, bei denen die Mordlust immer mehr in den Vordergrund rückt.

    Franco erzählt seine Geschichte mit Hilfe einer grellen Farbpracht und so manch exzessivem Bilderrausch. Der Zuschauer übernimmt dabei die Perspektive der unschuldigen Eugenie, wobei schon in der Eröffnungssequenz deutlich gemacht wird, in welche düsteren Abgründe die Story noch vorzustoßen bereit ist. Die aufreizende Verführung Eugenies durch die Madame ist dabei zwar nicht unbedingt glaubwürdig, aber immerhin hübsch anzusehen. Und so steht dann auch im weiteren Verlauf des Films nicht etwa die Philosophie des Marquis de Sade, sondern vielmehr die Verführung einer Jungfrau mittels der von ihm in seinen Schriften beschriebenen sadistischen Mittel im Fokus der Geschichte.

    Es bleibt dabei dem Zuschauer überlassen, ob er sich an solch drastischen Szenen noch erfreuen kann, oder ob er sich schon entsetzt abwendet. Die großzügige „ab 16“-Freigabe resultiert nur daraus, dass Franco viel mit der ausschweifenden Phantasie des Publikums arbeitet, auf die explizite Darstellung der Gewalt aber größtenteils verzichtet. Seinen größten Reiz zieht das Drehbuch von Francos langjährigem Hausproduzenten Harry Alan Towers aus der Existenz des okkulten Zusammenschlusses, der am Rande der Gesellschaft seine obskuren Praktiken verrichtet: Gibt es solch organisierten Sektenkulte wirklich? Eine Frage, aus der auch Dan Browns Bestseller The Da Vinci Code - Sakrileg seine Faszination zieht.

    Die Umsetzung gelingt Franco aber nur teilweise – die Geschehnisse erscheinen insgesamt doch als zu konstruiert. Die Drogen wollen als einzige Erklärung für die Verwirrung Eugenies nach den ersten sexuellen Übergriffen einfach nicht ausreichen – hier hätte man deutlicher herausstellen müssen, dass de Sade davon ausgegangen ist, dass die Opfer immer auch ein eigenes Verlangen nach Masochismus entwickeln. Hier macht es sich Franco eindeutig zu leicht – je weiter der Film voranschreitet, desto mehr beschränkt er sich darauf, zu provozieren, ohne dabei das Gezeigte noch in einem nachvollziehbaren Rahmen halten zu können. Und dabei wurde im Nachhinein gar mehr über die Besetzung von Christoper Lee, dem man seinen Auftritt später als Mitspielen in einem Softporno auslegte, denn über die gewagten sexuellen Abarten selbst diskutiert – somit sind die Darstellungen der Phantasien des Marquis de Sade in „Die Jungfrau und die Peitsche“ insgesamt weder treffend noch skandalös genug geraten.

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