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    [REC] 2
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,0
    solide
    [REC] 2
    Von Florian Koch

    Die Kamera wackelt wie ein Kuhschwanz, der Ton setzt gelegentlich aus und plötzlich wird das Bild auch mal nachtschwarz. [Rec] gab dem Zombiefilmgenre vor zwei Jahren stilistisch einen deutlichen Reality-TV-Anstrich. Die spanischen Horrorveteranen Paco Plaza („Romasanta - Im Schatten des Werwolfs“) und Jaume Balagueró („The Nameless“) rannten mit diesem effektiven und kostengünstigen Konzept bei innovationshungrigen Kritikern und Splatterfans offene Türen ein. Wie in diesen Fällen üblich, schlachteten profitorientierte US-Produzenten die „[Rec]“-Idee gleich für ein mittelmäßiges Remake (Quarantäne) aus. Mit der nahtlos an das Original anknüpfenden Fortsetzung „[Rec] 2“ sind Plaza und Balagueró den Amerikanern nun wieder eine Nasenlänge voraus. Während sie ihr Stilmittel der unmittelbaren Subjektivität weiterhin beibehalten, setzen die beiden Gruselspezialisten im Sequel inhaltlich zusätzliche Schwerpunkte.

    Die Handlung von „[Rec] 2“ beginnt wenige Minuten nach dem Ende von „[Rec]“. Unter der Führung von Dr. Owen (Jonathan Mellor), einem Spezialisten des Gesundheitsministeriums, dringt ein dreiköpfiges SWAT-Team in das unter Quarantäne stehende Wohnhaus ein, um sich ein genaueres Bild von der Lage zu machen. Gleich im Treppenhaus findet das Einsatzkommando zahlreiche Blutspuren und die ersten Infizierten lassen auch nicht lange auf sich warten. Während die schwerbewaffneten Soldaten immer panischer reagieren, scheint Dr. Owen seine eigenen Ziele zu verfolgen. Der geheimnisvolle Mann will unbedingt an eine Blutprobe des ominösen Mädchens Niña Medeiros (Javier Botet) gelangen, um schnellstmöglich ein Gegenmittel herstellen zu können. In einer Kühlbox in einem verstaubten Luftschacht kann endlich eine Blutampulle des spurlos verschwundenen Mädchens gefunden werden. Doch ein SWAT-Mitglied lässt die Phiole in Panik fallen und der entsetzte Dr. Owen sieht sich dazu gezwungen, seine wahre Identität zu enthüllen…

    Wer mit der subjektiven Wackelkamera aus dem ersten Teil seine Probleme hatte, sollte einen Bogen um „[Rec] 2“ machen. Denn das spanische Regiegespann Paco Plaza und Jaume Balagueró baut den Doku-Stil für die Fortsetzung weiter aus. Zu den bereits bekannten Bildausfällen, blinkenden Batterieanzeigen und Tonproblemen gesellen sich jetzt auch noch die häufig unscharfen Helmkameraaufnahmen des SWAT-Teams hinzu. Durch das Switchen der Perspektiven schaffen Plaza und Balagueró neue Räume und Möglichkeiten für Suspense-Variationen, die aber letztlich nicht konsequent genug ausgeschöpft werden. Neu in „[Rec] 2“ ist auch, dass mehrere Handlungsstränge parallel erzählt werden. Mit jugendlichen Hobbyfilmern, die im Wohnhaus ihr Unwesen treiben, hält kurz ein auflockernd-humoristisches Element Einzug in den ansonsten düster-brutalen Plot. Eine einigermaßen qualifizierte Kameraführung beherrschen die pubertierenden Jugendlichen, die gern auch mal eine Gummisexpuppe sprengen, leider nicht. Die aus ihrer Perspektive gezeigten Bilder sehen derart diffus und dilettantisch aus, dass selbst ein mittelmäßiges Urlaubs-Homevideo dagegen wie großes Kino wirkt.

    Was Plaza und Balagueró wie im ersten Teil hervorragend gelingt, ist das Erzeugen eines mitreißenden Horrorinfernos, das nur über brillant adaptierte Geräusche und ausgefeilte Licht/Schatten-Effekte operiert. Wie in „[Rec]“ wummert im Hintergrund kein klassischer Horrorscore, weil dieses Stilmittel schließlich das Doku-Konzept torpedieren würde. Während die technische Umsetzung der Geschichte also wieder einmal überzeugend ausfällt, schludern Plaza und Balagueró bei der Figurenzeichnung. An einer identifikationsstiftenden Protagonistin – wie die Moderatorin Angela (Manuela Velasco) aus dem ersten Teil – fehlt es in „[Rec] 2“ völlig. Das SWAT-Team bleibt unter den martialischen High-Tech-Helmen nahezu gesichtslos und verhält sich mit hysterischen Schreiattacken seltsam unprofessionell. Auch die Jugendlichen werden auf austauschbare Stereotype reduziert. Die Verweigerung einer Charakterentwicklung zeigt sich besonders bei der eigentlichen Hauptperson, dem eigenwillig-verbissenen Dr. Owen. Selbst der überzeugende Darsteller Jonathan Mellor kann ihr keine Tiefe verleihen.

    Allerdings entwickeln Plaza und Balagueró anhand dieser Figur eine neue interessante Handlungsausrichtung. Das klassische Zombiefilmgenre wird trotz gelegentlicher heftiger Kämpfe, die ihren Höhepunkt mit einem „menschlichen Feuerwerkskörper“ erreichen, in „[Rec] 2“ verlassen. Auch die subtile Medienkritik des ersten Teils entwickeln die Regisseure nicht mehr weiter. Im Mittelpunkt steht jetzt die mysteriöse Hintergrundgeschichte der Niña Medeiros. Was hat dieses Mädchen aufgrund der Machenschaften der Kirche erleiden müssen und was hat es mit ihrer Besessenheit auf sich? Das sind die entscheidenden Fragen, auf die Plaza und Balagueró Bezug nehmen. Dadurch rückt „[Rec] 2“ thematisch in das Fahrwasser okkulter Horrorfilme wie Der Exorzist und bietet für die sicher erscheinende weitere Fortsetzung wieder neue inhaltliche Optionen an.

    Fazit: Mit „[Rec] 2“ gelingt Paco Plaza und Jaume Balagueró eine stilistisch nahtlos an „[Rec]“ anknüpfende, mitunter sehr spannende Fortführung ihres Reality-TV-Konzepts. Vorhalten lassen muss sich das bereits fleißig an einem Prequel und an einem weiteren Sequel arbeitende Regieduo aber, dass letztlich zu viele Einfälle aus dem ersten Teil rekapituliert werden und die Figurenzeichnung unter dem Zwang zu derben Schockeffekten leidet.

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