Was ist wohl der bestbewertete Steven-Seagal-Film bei der Internet Movie Database? Vielleicht Alarmstufe: Rot, sein größter Kassenerfolg? Oder der Flugzeug-Thriller Einsame Entscheidung, bei dem Seagal recht früh einen Abflug macht und Kurt Russell das Feld überlässt? Vielleicht sein kultiges Debüt Nico, das Öko-Plädoyer Auf brennendem Eis oder der sträflich unterschätzte, dabei aber ungemein stringent inszenierte Deadly Revenge? Nein, alles falsch! Die richtige Antwort lautet „The Onion Movie“! Was, den Titel noch nie gehört? Kein Wunder, denn die Komödie von den Herausgebern der News-Satire-Seite The Onion ist nach vielen Jahren, in denen der Film in Schubladen vor sich hin rottete, erst 2008 in den USA auf DVD erschienen. Das Ergebnis ist dabei eine fast zusammenhanglose, aber ungemein amüsante Ansammlung zahlreicher politisch unkorrekter Gags, deren Höhepunkte an die guten alten Zeiten von Zucker/Abrams/Zucker (Die nackte Kanone-Trilogie) erinnern.
Ein ganz normaler Tag in Amerika. Der TV-Sender „Onion News“ mit der Anchormanlegende Norm Archer (Len Cariou) informiert die Bürger über alle Neuigkeiten. Heiß erwartet wird der neue Steven-Seagal-Film „Cockpuncher“. Außerdem wird diskutiert, ob die Videos und Songs (Titel: „Take Me From Behind“, „Down On My Knees“ oder „Shoot Your Love All Over Me“) der sich als Jungfrau und Unschuld vom Lande vermarktenden Sängerin Melissa Cherry (Sarah McElligott) nicht vielleicht sexistisch seien. Um die übervollen Gefängnisse zu entlasten, hat die Regierung ein neues Programm beschlossen, so dass Familien nun Häftlinge bei sich aufnehmen können. Das Informatikgenie Gil Bates (Michael Delaney) erfindet fast sekündlich einen neuen Computer und die Armee ködert mit Hasch und Pornopostern neue Rekruten. Also eigentlich alles ganz normal, nur bei „Onion News“ selbst gibt es kleine Unstimmigkeiten. Während Archer die Unabhängigkeit der Nachrichten predigt, platzieren die beiden jungen Produzenten (Orlando Seale, Erik Stolhanske) des Senders immer mehr Werbeeinblendungen in seinen Moderationen. Und während Archer den Konflikt zwischen den Kleinstaaten Sloravia und Uzbagiyak in den Fokus der Berichterstattung rücken will, interessieren sich die Produzenten nur noch für den „Cockpuncher“…
„The Onion Movie“ hat eine bewegte Entstehungsgeschichte hinter sich. Bereits 2003 - auf dem Höhepunkt des Bekanntheitsgrades der Website - für einen großen Kinostart produziert, fielen die ersten Testscreenings eher negativ aus. Beim US-Verleih Fox Searchlight bekam man kalte Füße, vor allem da „The Onion Movie“ auch noch respektlos und ganz und gar nicht jugendfrei ist. Der Film verschwand in den Giftschränken, so dass sogar die Regisseure in Interviews davon ausgingen, dass er niemals das Licht der Welt erblicken würde. Doch ein Trailer löste bei YouTube einen kleinen Kult aus und die Nachfrage nach dem Film wuchs, so dass sich Fox Searchlight 2008 doch noch zu einem Release (wenn auch nur auf DVD) entschloss. Das ist ein Glück für den von guten Parodien und Satiren in letzter Zeit nicht gerade verwöhnten Zuschauer, denn mit seiner keine Rücksicht nehmenden Art ist „The Onion Movie“ über weite Strecken ein gnadenloser Volltreffer.
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Wenn man „The Onion Movie“ in aller Kürze beschreiben müsste, könnte man sagen, er ist eine Kreuzung aus Postal und den ganzen „… Movie“-Filmen wie Date Movie, Epic Movie und Fantastic Movie - bloß eben in richtig gut. Nicht vorstellbar? Okay, dann ein zweiter Versuch: „The Onion Movie“ ist die ZAZ-Kultkomödie „The Kentucky Fried Movie“ in die heutige Zeit übertragen. Mit David Zucker ist sogar einer aus dem legendären ZAZ-Comedy-Trio als Produzent an dem Projekt beteiligt. Auch wenn Zuckers Name heute nicht mehr so für Qualität steht wie noch in den Achtzigern, lässt er hier endlich mal wieder positiv aufhorchen.
Ähnlich wie bei „Kentucky Fried Movie“ versuchen die Macher von „The Onion Movie“, die Videoclipregisseure Tom Kuntz und Mike Maguire sowie die Autoren Robert D. Siegel (The Wrestler) und Todd Hanson, erst gar nicht, ihre Sketche in eine zusammenhängende Geschichte zu verpacken. Es gibt zwar einen losen Strang rund um die Neuausrichtung des Senders, der läuft aber sehr dezent im Hintergrund ab und wird erst im Finale stärker thematisiert, wo sich die Wege vieler Protagonisten einzelner Sketche treffen. Im Wesentlichen ist einfach ein Sketch an den anderen gereiht, wobei nur lose Überleitungen geschaffen werden. Da wird vom „Cockpuncher“-Trailer zu einem arabischen Möchtegernterroristen übergeblendet, der sich nach dem Trailer ein Trainings- und Werbevideo seiner Terrororganisation anschaut, um von dort zu einer Gruppe Jugendlicher zu schneiden, von denen gerade einer das Videogame „Suicide Bomber“ spielt. Nach der Verhaftung eines der Jugendlichen geht es zurück zum Newskanal, von wo aus eine neue Runde gestartet wird.
Diese Methode erweist sich als vorteilhaft. Die oft sowieso nur lieblos konzipierten Geschichten anderer Parodien bremsen meist die Gags aus, während die Macher hier ihre volle Kreativität in die Sketche stecken können, weil sie sich nicht um ein eh überflüssiges Storykonstrukt kümmern müssen. Wie jede Gagsammlung hat allerdings auch „The Onion Movie“ ein paar Rohrkrepierer im Sortiment. Diesen steht aber gleich eine ganze Latte an Volltreffern gegenüber. Ein Beispiel: Ein maskierter und bewaffneter Mann (Terrence Flack) stürmt eine Bank. Als die verängstigte Kassiererin ihm Geld geben will, macht er ihr klar, dass er damit ja zu kurz denken würde. Er will stattdessen lieber einen Job und damit ein dauerhaftes Einkommen. In mehreren großartigen Sequenzen macht der „Armed Gunman“ (so auch sein Namensschild auf dem Schreibtisch) von nun an Karriere in der Bank. Allein schon die Musikvideos von Sängerin Melissa Cherry sind das Anschauen von „The Onion Movie“ wert. Cherrys Auftreten und Songs sind eine bissige Parodie auf Britney Spears. Auch wenn das Ganze nicht mehr voll aktuell ist, weil die Gags halt auf die Britney Spears von 2003 abzielen, wo sich die Sängerin gerade auf dem absoluten Höhepunkt ihrer Karriere befand, schaffen es die Macher mit ihrer gekonnten Montage aus Videoszenen und einem aberwitzigen Interview, dem Zuschauer Lachtränen in die Augen zu treiben. Das Zusammenwirken der sich als naive Unschuld gebende Cherry, den heißen Videos und den eigentlich ganz eindeutigen Songtexten ist schlicht großartig. Gesteigert wird dieser Spaß noch durch Cherrys abstruse Ausflüchte, dass ihre Lieder gar nicht von Analsex, Blow-Jobs und Cum-Shots, sondern von ganz anderen Themen handeln würden.
„Oh, shoot your love all over me.
Hey, drown me in a milky sea,
love all over me.” - Songzeilen aus einem Melissa-Cherry-Hit
Eine Glanzidee der Macher ist es, die zentrale Rolle mit dem hochkarätigen Charakterdarsteller Len Cariou (About Schmidt, Thirteen Days) zu besetzen. Cariou bringt immer wieder den nötigen Ernst in die Zwischenmoderationen des TV-Anchormans, die die humoristische Fallhöhe der folgenden Sketche deutlich erhöhen. Wundervolle Momente beschert er dem Zuschauer, wenn er während der Anmoderation inne hält, weil mal wieder der Werbepinguin seiner Senderbosse durchs Bild watschelt. Daneben verzichtet „The Onion Movie“ größtenteils auf bekannte Namen. „Lost“-Fans werden Daniel Dae Kim (The Cave) in einer allerdings nur durchschnittlichen Nummer rund um ein Vergewaltigungsspiel erkennen. Und um den Bogen zur Einstiegsfrage zu schließen: Für Steven-Seagal-Fans ist „The Onion Movie“ sowieso Pflicht. Seine Auftritte als Cockpuncher sind einfach urkomisch. Seagal, dem oftmals nachgesagt wird, er sei zu ernst und nicht kritikfähig, liefert hier eine gnadenlose Selbstparodie ab: sicherlich der beste Seagal-Auftritt der vergangenen zehn Jahre, aber nicht der einzige Grund, warum „The Onion Movie“ nur empfohlen werden kann. Wer keine Probleme mit respektloser Satire und reihenweise bösen Zoten hat, ist hier an genau der richtigen Adresse.