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    Greenberg
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    1,5
    enttäuschend
    Greenberg
    Von Björn Becher

    Das von Robert Redford gegründete Sundance-Filmfestival ist das wichtigste Forum für Independent-Filmemacher der Welt. Ein Teil des Festivals ist das „Screenwriters Lab“, in dem junge Drehbuchautoren sich gegenseitig unterstützen können und Tipps von alten Hasen bekommen. Diese an sich gute Idee hat dazu geführt, dass es scheinbar eine Art Checkliste für den typischen Independent-Film gibt, die viel zu oft einfach abgearbeit zu wird. Regisseur Noah Baumbach (Margots Hochzeit) hat bereits bewiesen, dass er dieses kleine Einmaleins nicht braucht, doch bei seinen Aufenthalten in Sundance, wo er 2005 für Der Tintenfisch und der Wal den Drehbuch- und den Regiepreis bekam, hat er es offenbar doch aufgeschnappt. Anders ist nicht nicht zu erklären, dass er in seinem neuesten Film „Greenberg“ einen schon zigfach gesehenen Indie-Standard an den anderen reiht. Heraus kommt ein langweiliger, uninspirierter Film über einen in der Adoleszenz steckengebliebenen Mann in der Midlife-Crisis.

    Roger Greenberg (Ben Stiller) kommt kurz vor seinem 40. Geburtstag frisch aus der Behandlung in einer Nervenheilanstalt. Der stressanfällige New Yorker will jetzt erst einmal rein gar nichts tun. Als sein jüngerer und erfolgreicher Bruder Phillip (Chris Messina) samt Frau und Kindern für mehrere Wochen nach Vietnam reist, übernimmt Roger gerne das Hüten des mondänen Hauses im schicken Hollywood, Los Angeles. Vor allem kann der gelernte Tischler die Zeit nutzen, um neben dem Bauen einer Hundehütte und dem Schreiben von Beschwerdebriefen seine alten Freunde wiederzutreffen. So zum Beispiel Beth (Jennifer Jason Leigh), seine Jugendliebe, die inzwischen eine verheiratete Mutter von zwei Kindern ist. Oder Ivan (Rhys Ifans), seinen früheren Bandkollegen, der nun irgendwas mit Computern macht. Vor allem trifft Roger aber die junge Florence (Greta Gerwig), die persönliche Assistentin seines Bruders. So gut diese darin ist, das Leben anderer zu organisieren, so sehr scheitert sie an ihrem eigenen. Die beiden notorisch Unglücklichen fühlen sich sofort irgendwie voneinander angezogen…

    Obwohl Noah Baumbachs dritter Spielfilm den Titel von Ben Stillers Figur trägt, beginnt er nicht mit Greenberg, sondern mit Florence. Dem Zuschauer wird erst einmal die sympathische, mit ihrem Leben überforderte Mittzwanzigerin präsentiert. Ein durchaus kluger Schachzug, ist sie doch der deutlich interessantere Charakter. Doch leider schert das Baumbach im Folgenden nicht und so muss Florence den Staffelstab nach einiger Zeit an den in der Krise steckenden Greenberg übergeben. Und so sehr sich Ben Stiller mit hängenden Schultern auch müht, das Drehbuch lässt dem Betrachter kaum eine Chance, mit dieser Figur warm zu werden. Und letztlich ist Stiller auch eine Fehlbesetzung, denn der Comedy-Star kann seinem Image nicht entfliehen, auch wenn er mit reduziertem Spiel, wuscheligen Haaren und angegrauten Schläfen alles versucht.

    „Er kann nicht über sich selbst lachen“, das ist ein Vorwurf den Ivan gegen seinen einstigen besten Kumpel Greenberg vorbringt. Dessen in einer Sackgasse steckendes Leben ist auch gar nicht zum Lachen. Das sieht Baumbach allerdings anders: Immer wieder gibt er seine Protagonisten – neben Greenberg leider zunehmend auch die zunächst so sorgsam aufgebaute Florence - der Lächerlichkeit preis. Wenn schon die Figuren nicht über sich lachen können, möge es doch bitte der Zuschauer tun. Und soll dieser sich über diverse missglückte und/oder peinliche Beischlafunternehmungen amüsieren oder darüber, wie Florence aus dem Nichts eine peinliche Rede über ein unangenehmes Erlebnis aus ihrer Jugendzeit hält. Ganz billig wird es, wenn sogar eine Abtreibung noch für einen Gag herhalten muss.

    Mit der dem großen Publikum noch unbekannten Greta Gerwig (The House Of The Devil) hat Baumbach eine der zentralen Schauspielerinnen der sogenannten Mumblecore-Bewegung gecastet. Unter diesem Begriff werden einige, mittlerweile auch eng zusammenarbeitende junge US-Low-Low-Budget-Filmer wie Andrew Bujalski („Funny Ha Ha“), die Duplass-Brüder (Cyrus, „Beghead“), Joe Swanberg („LOL“, „Hannah Takes the Stairs“) oder Lynn Shelton (Humpday) zusammengefasst, deren Geschichten sich meist um Mittzwanziger drehen. Gerwigs Florence scheint fast diesen Filmen entsprungen zu sein, nur dass Baumbauch mit ihr im Gegensatz zu seinen Kollegen nichts anzufangen weiß. Er gibt seinen Schauspielern keine Freiheiten, ihre Charaktere zu entwickeln und zu prägen, sondern sie müssen sich genau an die von Baumbach gemeinsam mit Schauspielerin Jennifer Jason Leigh geschriebenen Dialoge halten. Und die stammen leider allesamt aus der Sundance-Drehbuchschule und könnten genauso auch in ähnlicher Indie-Durchschnittsware wie Winter Passing oder Dan – Mitten im Leben auftauchen.

    „Greenberg“ ist aus den gängigen Indie-Mustern zusammengeschustertes Flickwerk: Da gibt es den starken musikalischen Einschlag und den irgendwie dann doch sympathischen Loser samt Metamorphose in der Hauptrolle. Dieser Greenberg schreibt dann noch dauernd irgendwelche Beschwerdebriefe, was als humoristischer Einschub gedacht ist, der Figur aber fast nichts gibt. Alles andere als originell ist auch die Partyszene, die illustriert, wie wenig der Greenberg in die Gemeinschaft eingegliedert ist. Baumbach lässt seinen Protagonisten diese Isolation gleich bei zwei Partys spüren. Der seiner Jugendzeit nachtrauernde Greenberg ist nicht nur meilenweit von seinen gleichaltrigen Ex-Freunden entfernt, sondern auch von der jungen Generation. Eine unterschwellig gemeinte, aber im Gegenteil allzu aufdringliche Symbolik darf auch nicht fehlen, etwa wenn munter eine Hütte für einen Hund gebaut wird, der möglicherweise in wenigen Tagen stirbt.

    Positiv hervorzuheben ist allenfalls die Besetzung von Rhys Ifans (Notting Hill, Radio Rock Revolution. Den auf spleenige Typen, die nicht richtig erwachsenen geworden sind abonnierten Briten in einem Film über eine solche Figur als gewichtigen Nebencharakter zu besetzen, der es mittlerweile schafft, sich der zusätzlichen Verantwortung zu stellen, die das Leben jenseits der 30 mit sich bringt, ist ein überraschender Schachzug, der weitestgehend aufgeht. Aber auch das kann „Greenberg“ nicht retten.

    Fazit: Dass Noah Baumbach ein starker Drehbuchautor ist, hat der für sein Skript zu „Der Tintenfisch und der Wal“ für den Oscar nominierte Filmemacher erst jüngst bei seiner Mitarbeit an Wes Andersons Der fantastische Mr. Fox bewiesen. Nach seinem Ausflug nach Los Angeles für „Greenberg“ würde man dies dem New Yorker Regisseur aber nicht glauben. Auf der Berlinale-Pressekonferenz verriet Baumbach, beim nächsten Film wieder in seiner Heimatstadt zu arbeiten. Vielleicht stimmt im Big Apple dann auch wieder die Qualität.

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