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    Boot Camp
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    1,0
    schlecht
    Boot Camp
    Von Anna Lisa Senftleben

    Was sich in den USA schon lange etabliert hat, findet mittlerweile auch in Deutschland nach und nach immer mehr Anhänger: die so genannten Boot Camps, Lager zur Rehabilitation von straffällig gewordenen Jugendlichen, die zurück auf den Pfad der Tugend gebracht werden sollen. Die Fernsehkameras einiger Privatsender sind live dabei, wenn sich 15-jährige Drogendealer irgendwo in der Wüste oder am Nordpol von ihren Campleitern den Gehörgang durchpusten lassen. Harmloses Anbrüllen und der Entzug des Mittagessens (beliebte Mittel deutscher Wärter) sind allerdings ein Klacks im Vergleich zu den amerikanischen Methoden: Allein in den vergangenen zwei Jahrzehnten kamen in den USA rund 65 Jugendliche während ihres Aufenthalts in einem Boot Camp ums Leben. Nicht nur pädagogisch Geschulte lehnen den psychischen und physischen Terror, der in solchen Lagern auf der Tagesordnung steht, längst ab. Ob es nun die Medienwirksamkeit oder wirklich ein kritisches Anliegen war, das den kanadischen Regisseur Christian Duguay („Hydrotoxin“, Extreme Ops) zu seinem Exploitation-Drama „Boot Camp“ bewogen hat, steht an dieser Stelle nicht zur Diskussion. Entscheidend ist: Der gute Mann hat sich und dem Publikum mit diesem Film keinen Gefallen getan.

    Die platte – wenn auch auf einer wahren Begebenheit „beruhende“ - Story ist schnell erzählt: Die aufsässige Sophie Bauer (einziger, wenn auch leider nur optischer Lichtblick des Films: Mila Kunis, Nie wieder Sex mit der Ex) genießt ihr Teenager-Leben in vollen Zügen - keine Party wird ausgelassen und jede Droge konsumiert. Das verzogene Gör reicher Eltern eckt insbesondere beim Stiefvater an. Sophies einziger Hoffnungsschimmer, dem elterlichen Terror zu entgehen, ist eine Hochzeit mit ihrem Freund Ben (Gregory Smith). Doch dieser möchte nur aus Liebe und aus keinem anderen Grund der Welt vor den Traualtar treten. Mitten während eines Schäferstündchens stürzt sich eine Horde Polizisten auf Sophie und „verschleppt“ sie auf Anweisung ihrer Eltern in das Erziehungscamp Serenity auf den Fidschi-Inseln. Die Erziehungsberechtigten sind natürlich im Glauben, ihrem Kind ginge es dort gut und würde mit vernünftigen Methoden ins wahre Leben zurückgeholt. Doch der Leiter der Einrichtung, der ominöse Dr. Arthur Hails (Peter Stormare, „Prison Break“), versucht hier, den Willen der Jugendlichen mit fragwürdigen Methoden zu brechen: Auch die vorlaute Sophie muss bald erkennen, dass sie sich ihren Platz im Camp mit allen Mitteln erkämpfen muss und jeglicher Fluchtversuch zwecklos ist. Nur mit harter Arbeit, Disziplin und Demut kann man sich als Camp-Insasse hocharbeiten und erhält dafür bunte T-Shirts, die den nächsthöheren Rang symbolisieren…

    Selten wurde eine potenziell Spannung versprechende Story derart oberflächlich und in jeglicher Hinsicht jämmerlich umgesetzt. Schon bei der Ankunft von Sophie und ihren Leidgenossen auf der Sonneninsel überkommt einen nicht nur aufgrund der schlechten schauspielerischen Leistungen, sondern auch wegen der diversen, vollkommen willkürlich eingesetzten filmischen Stilmitteln das kalte Grausen. Der erste Auftritt von Camp-Leiter Dr. Hails wirkt dann sogar geradezu lächerlich: Im schnieken Dandylook mit Stock und Sonnenbrille begrüßt er die Neuankömmlinge und preist seine Erziehungsmethoden an. Sein Handlanger Logan (Tygh Runyan) stellt das Gegenstück zu seinem Boss dar: Grobschlächtig und muskelbepackt erledigt er die Drecksarbeit für den Doktor und erfreut sich an seinen sadistischen Spielchen, die er regelmäßig mit den Jugendlichen treibt.

    Es ist schade, wie ausdauernd Christian Duguay auf jeglichem Camp-Klischee herumreitet – so löst sich der potentiell ernste Kern seines Films schnell in Luft auf. Da wäre zum einen das sektenähnliche Camp selbst, das von der Außenwelt abgeschnitten mitten auf einer Südseeinsel liegt und von einem geheimnisvollen Anführer geleitet wird, der eine ganze Horde brutaler Aufseher hinter sich weiß. Zum anderen ist auch die Darstellung des Psychoterrors, der von den ranghöheren Jugendlichen gegen die niederen Insassen ausgeübt wird, arg holzschnittartig und deshalb wenig glaubhaft. Die seichte Hintergrundmusik und die beliebigen Einstellungswechsel zwischen Kamerafahrten, Slow-Motion- und Shaky-Cam-Aufnahmen machen es nicht besser, im Gegenteil: Aufgrund der formalen Schwächen bekommt man von Minute zu Minute mehr Lust, den DVD-Rekorder einfach auszustellen.

    Christian Duguay, der mit seinen Fernseharbeiten bereits zwei Mal für den Emmy nominiert war (1999 für „Jeanne d‘Arc - Die Frau des Jahrtausend“, 2003 für „Hitler - Der Aufstieg des Bösen“) und mit Aidan Quinn und Donald Sutherland in den Hauptrollen 1997 „The Assignment - Der Auftrag“ drehte, hat sich mit „Boot Camp“ nun wahrlich nicht mir Ruhm bekleckert. Von der ersten bis zur letzten Minute fehlt es an Spannung, Charme und Witz. Sicherlich wäre der Film dennoch irgendwie auszuhalten gewesen, wenn man nur nicht wüsste, dass er sich selbst so wahnsinnig ernst nimmt, eben nicht alles nur Satire oder Unterhaltung nach alter Exploitation-Manier sein soll. Mit erhobenem Zeigefinger zeigt Duguay dem Zuschauer das Böse in den Jugendlichen: Eines der Mädchen hatte angeblich mit sieben Männern hintereinander in einer Nacht Sex, die Protagonistin selbst ist drogensüchtig und belügt ihre Eltern. Dieses freizügige, aufrührerische Verhalten gehört selbstverständlich bestraft und vor der ganzen Truppe in obskuren Sitzungen „ausdiskutiert“.

    Leider kann auch Mila Kunis, die als Jackie Burkhart in der Sit-Com „Die wilden Siebziger“ Berühmtheit erlangte, nicht überzeugen. Als rebellische Sophie sieht sie zwar sexy aus (selbst - beziehungsweise gerade - ungeduscht und voller Schlamm), doch das reicht nicht, um eine ansonsten verkrampfte Darstellung auszubügeln. Das Unvermögen des überwiegenden Teils der Nachwuchsdarstellerinnen-Riege führt an vielen Stellen dazu, dass die eh schon schwach geschriebenen Dialoge endgültig hops gehen.

    Fazit: Aufgrund seiner oberflächlichen Klischees ist „Boot Camp“ als kritisches Drama ungeeignet. Ohne Spannung und Atmosphäre taugt er aber ebenso wenig als anspruchslose Unterhaltung. Der Weg vorbei an den deutschen Kinosälen direkt in die Videothekenregale ist also mehr als gerechtfertigt. Noch eine amüsante Anekdote zum Schluss: Das einzige Land, in dem „Boot Camp“ regulär auf der großen Leinwand zu sehen war, ist übrigens Kuwait!

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