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    Donkey Punch - Blutige See
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,0
    solide
    Donkey Punch - Blutige See
    Von Jan Hamm

    Der Remake- und Reboot-Wahn der vergangenen Jahre nimmt einfach kein Ende! Alles was nicht niet- und nagelfest ist, wird hemmungslos recycelt. Doch auch die Suche nach genuin neuen Filmstoffen treibt inzwischen kuriose Blüten. So will Regie-Altmeister Ridley Scott Blade Runner, Alien) etwa das Brettspiel Monopoly auf die große Leinwand bringen. Nichts ist mehr unmöglich! Und es geht noch schräger: Oliver Blackburns Thriller „Donkey Punch“ basiert auf nichts weiter als einem Running Gag aus den sumpfigsten Ecken des Internets. Der Titel bezeichnet einer Sexualpraktik, die Alice Schwarzer zur Weißglut treiben würde: Kurz vor dem Orgasmus versetzt der Mann seiner Gespielin einen Schlag ins Genick, um eine impulsive Muskelanspannung und damit eine Intensivierung des Höhepunktes zu forcieren. Kaum zu glauben: „Donkey Punch“ macht das Beste aus der quasi nicht vorhandenen Grundidee. Blackburn skizziert das Gewaltpotential ganz normaler Twens in einer Extremsituation und hält sein Publikum dabei mit einer klaustrophobischen Inszenierung bei Laune. Schade ist nur, dass er nicht bis zur Wurzel der eruptiven Brutalität gräbt, sondern an der Oberfläche der plötzlichen Gewaltausbrüche verhaftet bleibt.

    Auf ihrem Trip nach Mallorca wird den drei hippen Engländerinnen Lisa (Sian Breckin), Tammi (Nichola Burley) und Kim (Jaime Winstone) ein Angebot unterbreitet, das einer Paris Hilton zur Ehre gereichen würde: Vier schnieke Kerle laden zur Sex & Drugs-Tour auf einer geliehenen Yacht. Gesagt, getan! Wenige Pulvernasen später beziehen Kim und Lisa unter Deck Quartier, um den paarungswilligen Jungs Gesellschaft zu leisten. Doch dann kommt es zur Katastrophe: Beim krönenden „Donkey Punch“ vor laufender Digicam bricht Lisa leblos zusammen. Panisch schieben sich Bluey (Tom Burke, Cheri) und Josh (Julian Morris, Operation Walküre) die Schuld für den entgleisten Witz zu, während die Mädchen schnellstmöglich Meldung erstatten wollen. Skipper Marcus (Jay Taylor) schlägt vor, den Leichnam kurzerhand über Bord zu befördern - und löst damit eine unkontrollierbare Kettenreaktion der Gewalt aus...

    „Donkey Punch“ greift einen abstrusen Sexgag auf und verkehrt ihn ins Gegenteil. Statt schlüpfriger Komik gibt es hier blankes Entsetzen. Naive Mädels trippen ins Partyparadies, nur um kurz darauf in den Abgrund zu blicken. Das klingt nach Gore-Porn à la Hostel, läuft jedoch auf etwas anderes hinaus. Hier gibt es keinen eigentlichen Antagonisten, niemanden, der per se auf ein Blutbad aus wäre. Stattdessen stehen hier völlig überforderte Twens vor den unvorhersehbaren Auswirkungen ihres eigenen, hedonistischen Treibens. Die Schuld verteilt sich symmetrisch auf alle Beteiligten. Mag der Junkie Bluey auch einen Zacken unsympathischer als der Rest rüberkommen – es haben hier alle gleichermaßen Blut an den Händen. Durch die bestenfalls rudimentäre Figurenzeichnung ist emotionale Teilhabe zwar kaum möglich, gleichsam aber auch kaum relevant.

    Sobald nämlich klar wird, dass selbst die harmlosesten Partybunnies zu Killern mutieren können, wenn sie mit dem Rücken zur Wand stehen, wird der Film angenehm unvorhersehbar und die klassische Täter- und Opferaufteilung untergangen. Hier wird beobachtet, nicht mitgefibert. Ärgerlich zwar, dass – frei nach altbekannter und reichlich prüder Genremoral - zuerst diejenigen ins Gras beißen, die es zuvor am wildesten getrieben haben. Doch die Twens werden nicht dafür bestraft, sich dem in zweckdienlicher Softcore-Manier dargestellten Sex- und Drogenrausch hingegeben zu haben. Das Unheil wurzelt in der entwürdigend-chauvinistischen Praxis der Truppe. Dass Lisa auf die Frage nach ihrem Lustgewinn beim „Donkey Punch“ nur Spott erntet und sich dann doch bereitwillig für die ausufernde Männerphantasie hergibt, ist symptomatisch.

    Die Gewalt ist eine Folge- und Begleiterscheinung der Missachtung physischer und psychischer Grenzen, nicht ihre Vorbedingung. Leider tragen Drehbuch und Dialogregie dieser zentralen Einsicht kaum Rechnung, sobald das Gemetzel beginnt. Blackburn filmt ab, was da auf hoher See passiert, statt es wirklich zu ergründen. Die Erkenntnis, dass in jedem Menschen irgendwo eine Bestie schlummert, ist an sich banal. So ist die zweite Hälfte von „Donkey Punch“ mehr an möglichst fiesen Todesarten interessiert, während die Psychologie der Figuren in entscheidenden Augenblicken reine Suggestion bleibt. Interessant ist der Film dennoch, denn eigentlich sitzen alle Beteiligten sprichwörtlich im selben Boot. Hier gibt es keinen Mike Myers, bloß verstört um sich stechende und schießende Twens. Als visuell sehr solide und von den Jungdarstellern akzeptabel gespielte Adaption eines feucht-fröhlichen Running Gags ist „Donkey Punch“ eine bemerkenswerte Leistung. Aufgemerkt: Hiermit ist der „Angry Pirate“ zur Verfilmung freigegeben.

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