James Reese ist der persönliche Assistent des US-Botschafters in Paris – scheinbar zumindest. Denn in Wahrheit verbirgt sich hinter dem kultiviert-korrekten Brillenträger mit reichlich Bücherbildung ein kultiviert-korrekter Geheimagent mit reichlich Bücherbildung. Für die großen Aufträge reicht es bislang noch nicht, doch das ändert sich schlagartig, als Reese mit Charlie Wax zusammenarbeiten soll, einem unorthodoxen CIA-Veteran, der alles gesehen und aus jeder Waffe geschossen hat. An seiner Seite wird Reese von einer wüsten Schießerei in die nächste gezerrt, ohne überhaupt eine Ahnung zu haben, was eigentlich der Sinn hinter Wax‘ rücksichtsloser Orgie aus Ballern und Blut ist…
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Videospielästhetik wirft man bei Filmen oft CGI-Spektakeln à la „G.I. Joe“ (2009) und Michael Bays „Transformers“-Filmen (2007/09) vor. Liegt auf der Hand, würden sich die Effekt Shots in solchen Dauerkrachern auch in den Zwischen- und Spielszenen eines Games ganz gut machen, ohne hier wie dort, dem Erlebnischarakter angepasst, wirklich einer Geschichte dienen zu müssen. Auch James Camerons dreidimensionaler Rausch der Künstlichkeit „Avatar“ (2009) lässt schnell den Gedanken an die aufwendigen Rendersequenzen der „Final Fantasy“-Reihe aufkommen. Sieht man aber mal von dieser rein optischen Komponente des erzwungenen, jedoch wenig substanziellen Aha-Effektes ab, sind es die Werke eines ganz anderen, die der Dramaturgie eines Videospiels extrem nahe kommen und das ganz ohne CGI. Pierre Morels „96 Hours“ (2008), jener brachiale Rachefeldzug eines Vaters in Paris, der die Entführer seiner Tochter jagt, ist mit seiner handgemachten Action dermaßen dicht am Erlebnis eines Games, dass man die Konsole im Hintergrund brummen hört. Eine auf das simpelste zurecht geschrumpfte Story, eine dicke (und ideologisch fragwürdige) Trennline zwischen Held und Schurke und eben ein Held, der sich so locker durch die Reihen der gesichtslosen Widersacher metzelt, wie es ein geübter Zocker mit Gamepad in der Hand bei seinem Lieblings-Thrid-Person-Shooter tun würde. Das erinnert frappierend an jene Zeit, als Videospiele noch nicht den Anspruch an sich erhoben, gute Geschichten zu erzählen, sondern halt nur halbwegs plausibel vom einen zum nächsten Level übergeleitet werden sollte.
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Bei Morels neuestem Bleigewitter „From Paris with Love“, erneut nach einer Story Luc Bessons, ist das ganz genauso, nur dass hier von Single- zu Koop-Action gewechselt wurde. Da gibt es das kurze Tutorial, in dem der Hauptcharakter James Reese vorgestellt wird, der per Handy seine ersten, noch recht simplen Missionen entgegen nimmt. Beim Wechseln von Nummernschildern und dem Anbringen von Wanzen wird man mit den grundlegenden Elementen der Steuerung vertraut gemacht, zwischendurch gibt’s ein paar auflockernde Cutscenes mit Reeses attraktiver Verlobter, ehe der nächste Auftrag lautet, den neuen Partner vom Flughafen abzuholen. Eine weitere Cutscene führt den zweiten Protagonisten ein und auf den ohnehin ausbleibenden Befehl, das ganze mit der Starttaste zu überspringen, verzichtet man freiwillig, da bis dahin alles ganz amüsant ist. Die Mission geht weiter und gemeinsam mit Charlie Wax fährt man zu einem Chinarestaurant, die nächste Cutscene…
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…und dann geht das Spiel so richtig los! Wax will vom Kellner ein paar Informationen, da bleibt die Knarre nicht lange stecken und die Landsleute des bedauernswerten Kerls sind samt Maschinengewehren auch nicht weit. Drücke X, um in Deckung zu gehen. Drücke RT, um zu feuern. Drücke B zum Nachladen. Drücke Steuerkreuz rechts, um die Waffe zu wechseln. Wax führt jeden Befehl aus und wenig später ist der Laden nur noch eine zerbröckelte Textur. Danach geht’s im Auto weiter, mit ein paar unkompliziert auszuführenden Nahkampfmanövern wird eine Gang platt gemacht, die halt gerade in der Gegend rumlungert, anschließend wird wieder geballert. Das „warum“ wird in klaren, abgehackten Sätzen formuliert, tote Tochter eines Regierungsbeamten, böse Drogendealer, alle ausschalten, später ist’s dann doch eher der Terrorismus, den es aufzuhalten gilt. Who cares anyway?
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Gründe sind für das, was bei „From Paris with Love“ abgeht, tatsächlich völlig egal. Über die längste Zeit des Films bleibt Morel bei dieser „geh von A nach B, niete alles um und geh weiter zu C“-Struktur und dabei zuzusehen bereitet vielleicht nicht ganz so viel Spaß, als würde man tatsächlich mit dem Gamepad selbst daran teilnehmen, aber immer noch genügend, um flott und schnodderig zu unterhalten. „From Paris with Love“ ist sicher kein Wachstumsmittel für Hirnzellen, aber auch kein vernichtendes Unkraut, er stellt einfach nur einen rabiaten Typen auf Seiten der Guten in eine Umwelt voller rabiater Böser und schaut zu, was passiert. Die political uncorrectness wird wie bei „96 Hours“ total überzogen, was sie nicht davor schützt, manchmal störend plump aus dem Rahmen zu fallen, aber davon, dass hier ein ernstzunehmendes Weltbild vertreten wird, kann nicht die Rede sein.
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Durch dieses Szenario aus Kaltblütigkeit, Koks und Komik walzt John Travolta als wuchtiger Kampfbrocken, dessen optisches Gimmick mit Glatze, Ohrring und abgewetzten Klamotten mal wieder außergewöhnlich daherkommt. Travolta ist in „From Paris with Love“ aber auch abgesehen solcher fast schon karikaturistischer Extravaganzen so gut wie seit Ewigkeiten nicht mehr. Seine trockenen Oneliner sind sicher kein lyrischer Hochgenuss, aber wie der Film an sich eben auch nicht von hirnschädigender Dämlichkeit und Travolta bleibt diesmal einfach nah am Kern seiner Figur des harten Profis, ohne wildes Overacting zu betreiben, in das er allzu oft verfällt. Sein Charlie Wax ist ein erfahrener Höllenhund, der einige Bad Ass-Momente und Aktionen aus dem Ärmel schüttelt, die man Travolta auch deshalb abnimmt, weil Morel sie nicht überinszeniert. Zwar ist Wax der typische Ballerprotz, der mit drei Kugeln und einer Kugelschreibermiene siebenundzwanzig Gegner umnietet und selbst ohne jeden Kratzer aus dem Kugelhagel spaziert, aber wie Liam Neeson in „96 Hours“ fegt auch Travolta in „From Paris with Love“ mit seiner big bad motherfucker-Masche darüber hinweg und bringt diese eigentlich überlebensgroße Figur auf die Straße und in die Gassen von Paris.
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Jonathan Rhys Meyers wirkt daneben ein bißchen träge, setzt manchmal einen Gesichtsausdruck wie kurz vor’m Schlafengehen auf und da er hier mehr gleichberechtigte Hauptperson als Sidekick sein soll, hätten die Entwickler in seine Animation vielleicht etwas mehr Zeit und Mühe investieren sollen. Dennoch passen die gemeinsamen Szenen mit Travolta und bieten ordentliche Buddy-Action. Woran es „From Paris with Love“ mal wieder fehlt ist ein ebenbürtiger Gegenpart auf der bösen Seite. Alles, was Wax vor die Kanone rennt, hat nicht den Hauch einer Chance gegen den abgebrühten Dreckskerl und würde man hier eine gängige Regel anwenden, nach der ein Held nur so gut wie sein Gegenspieler sein kann, dann könnte man Wax getrost einsfünfzig auf’s Preisschild drucken und ihn ins Fenster des Grabbelladens um die Ecke stellen. Auch wenn der Film im Schlussakt auf den ausgelutschten und beinahe erwarteten „ah fuck, they kidnapped my girlfriend“-Twist verzichtet, wird auch aus der stattdessen geschaffenen Situation hinsichtlich der Schurkenrolle nicht viel gemacht.
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„From Paris with Love“ ist eine rasant-robuste Brutalotour durch die Stadt der Liebe, deren größte Sehenswürdigkeiten auf jeden Fall nicht der Eiffelturm oder der Arc de Triomphe sind. John Travolta pflügt durch Horden gesichtsloser Gegner und dominiert die harten und rasanten Actionszenen, denen inszenatorisch keine Vorwürfe zu machen sind. Kamera und Schnitt bewahren die Übersicht, und auch wenn der Film kein Anwärter auf irgendwelche Originalitätspreise ist, so ist es doch der Charme des Handgemachten, der ihren Reiz ausmacht. Die Härte der Schläge, der Druck der Explosionen, die Wucht der Kugeln, it’s like the old days of action cinema. Die Story, sofern hier überhaupt angedeutet wird, dass eine vorhanden ist, ist so bekloppt wie skrupellos und degradiert alles und jeden zum Klischee, was den Spaß am Film allerdings eher anheizt statt ihn zu mindern, da „From Paris with Love“ der ironische Umgang mit sich selbst sehr viel deutlicher anzumerken ist, als seinem Vorläufer „96 Hours“. Lediglich dem Ende fehlt es ziemlich deutlich an Ironie und der Mangel an Einfallsreichtum macht sich in den letzten Minuten dann doch unangenehm bemerkbar, nimmt den knapp neunzig Minuten aber nicht so viel Raum weg, um einen Schatten allzu langen Schatten auf den Film zu werfen.
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kompletter Review siehe: http://christiansfoyer.wordpress.com/2010/03/26/review-from-paris-with-love/