Was für ein Deja Vu! Worum geht es in Pierre Morels kultigem Action-Thriller 96 Hours? Liam Neeson rennt wie wild durch Paris und nietet einen Widersacher nach dem anderen um! Und worum dreht sich sein nicht minder actionlastiger Nachfolger „From Paris With Love“? John Travolta rennt wie wild durch Paris und nietet einen Widersacher nach dem anderen um! Allerdings wird Morel zum Verhängnis, dass er dem zynischen Gemetzel in „From Paris With Love“ einen humorigen Unterton beimengt, der den Actionszenen ihre Wucht nimmt, weshalb der angepeilte Kracher schnell im Mittelmaß versinkt.
Der junge, ehrgeizige Agent James Reese (Jonathan Rhys Meyers) brennt darauf, endlich einmal einen schwierigen Außeneinsatz zu übernehmen. Als Assistent des US-Botschafters (Richard Durden) in Paris agiert Reese bisher nur in der zweiten Reihe, als ihm seine Freundin Caroline (Kasia Smutniak) einen Heiratsantrag macht. Familienvater statt James-Bond-Haudegen? Doch das ruhige Leben voller Romantik und Harmonie ist über Nacht vorbei. Sein neuer Auftrag, der in der Theorie simpel klingt, aber in der Praxis tödlich enden kann: Der engagierte Reese soll den gnadenlosen US-Agenten Charlie Wax (John Travolta) durch die Stadt der Liebe begleiten. Zunächst hängt der Neuankömmling aber erst einmal beim Zoll fest, wo er die französischen Beamten auf das Wüstete beschimpft. Nachdem Reese seinen Partner endlich durchgeschleust hat, beginnt eine rasante Achterbahnfahrt durch Paris. Gleich bei der ersten Station des Duos in einem chinesischen Restaurant liquidiert Wax die versammelte Belegschaft, die er als Drogendealer entlarvt. Gefangene werden keine gemacht. Auch bei ihrem nächsten Halt fliegen dem ungleichen Paar Kugeln um die Ohren, während ihre Gegner reihenweise ins Gras beißen müssen. Was wirklich hinter Wax‘ Harakiriaktion steckt, ahnt der Anfänger Reese unterdessen noch nicht einmal…
Stilistisch und dramaturgisch kopiert der ebenfalls aus der B-Action-Schmiede von Luc Besson (Leon – Der Profi, Das fünfte Element) stammende „From Paris With Love“ das Erfolgsrezept von „96 Hours“ zunächst einmal eins zu eins. Nach einer kurzen, gemächlichen Einführung des Schmalspur-Agenten Reese bricht von einer auf die andere Sekunde mit der Ankunft des Berserkers Wax die Hölle über dem rechtsfreien Raum Paris los. Er schießt sich aus jeder Situation mit äußerster Brutalität frei und jagt zu den nächsten Opfern – mit einem fassungslosen Novizen an seiner Seite. Doch im Gegensatz zum ungemein grimmigen Vigilanten-Vorläufer ist „From Paris With Love“ so humoristisch angelegt, dass trotz allem Zynismus auf jegliche Bodenhaftung bewusst verzichtet wird, was den Film aber einen Großteil seiner Intensität raubt. Spaß macht diese Gaga-Action à la Crank, The Transporter oder Smokin‘ Aces über eine Stunde Spielzeit aber dennoch, weil Regisseur Morel - ob nun das Inferno im chinesischen Restaurant zu Beginn oder eine haarsträubende Treppenhausschießerei wenig später - zumindest einige spektakuläre Shoot-Outs aufbieten kann.
Doch diesen Pfad des launigen No Brainers verlässt Morel irgendwann und versucht dem Actioner, der ohne Story sehr gut auskam, plötzlich eine hanebüchene politische Note zu verleihen, indem er auf einen Terrorismusplot umsattelt. Innerhalb dieses Konstrukts vergaloppiert sich der Regisseur jedoch gehörig, weil die wummernde Over-The-Top-Action partout nicht mit dem plötzlich aus dem Hut gezauberten Anspruch harmoniert.
Zu den großen Aktivposten des Films zählt ohne Zweifel ein entfesselt aufchargierender, glatzköpfiger John Travolta (Pulp Fiction, Face/Off), der mit muffiger Lederjacke, Palästinensertuch und schmuckem Anhänger im Ohr schon rein optisch eine groteske Figur abgibt. Es bedarf schon der Statur eines Travoltas, um diesen Running Gag von einem Actionhelden nicht ins Lächerliche abrutschen zu lassen. Dem Superstar gelingt es auch, „From Paris With Love“ die stärksten Unterhaltungsmomente abzuringen. Das geht allerdings auf Kosten seines Leinwandpartners Jonathan Rhys Meyers (Match Point, Mission: Impossible 3), der zum Stichwortgeber degradiert wird. Das Problem seiner Figur offenbart sich schon in der Exposition. Er soll als eindeutiger Sympathieträger für das Publikum herhalten, diesem Vorhaben ist aber kein allzu durschlagender Erfolg beschieden. Vielmehr erscheint dieser Möchtegern-Agent Reese als aalglatter Karrierist, der später dazu verdammt ist, seinen Kompagnon zu bestaunen. Die Bösewichtseite präsentiert sich als graue, gesichtslose Masse – mit einer Ausnahme: Lediglich Kasia Smutniak (Goal 3, Stilles Chaos) wird als Gegner aus Fleisch und Blut aufgebaut, ohne dass die Polin dabei besonders positiv oder negativ in Erscheinung treten würde.
Fazit: Pierre Morels Nonstop-Actioner „From Paris With Love” ist im direkten Vergleich zum kultigen Brachial-Tiefschlag „96 Hours” eine mittelgroße Enttäuschung. Nach gefälligem Beginn und jeder Menge abgehobenem Spaß havariert der Film im dritten Akt und stolpert über seinen plötzlich vergeblich nach Substanz haschenden Plot.