Woody Allen hat es gerade wieder mit Whatever Works bewiesen: Liebesgeschichten zwischen älteren Männern und viel jüngeren Frauen sind im Kino längst eine Selbstverständlichkeit. Niemand wundert sich mehr, wenn ein gut 60-jähriger Misanthrop dem kindlichen Charme einer 19-jährigen Südstaaten-Schönheit verfällt oder wenn in Isabel Coixets Philip-Roth-Verfilmung Elegie oder die Kunst zu lieben ein von Ben Kingsley gespielter Literaturprofessor eine leidenschaftliche Affäre mit einer seiner Studentinnen (Penélope Cruz) beginnt. Der weibliche Blick der Filmemacherin, der Roths schonungsloser Vivisektion einer gleich in mehrerer Hinsicht ungleichen Beziehung die Härte nimmt und sie romantisch verklärt, hat dabei dieser Konstellation noch einmal zu einer weiteren Legitimation verholfen. Doch in dem Moment, in dem sich die Vorzeichen innerhalb der Beziehung umdrehen, sich also eine Frau mit einem deutlich jüngeren Mann einlässt, ist es auch heute noch mit der Selbstverständlichkeit vorbei. Dann bemühen sich mit einmal alle Beteiligten um größte Vorsicht und Zurückhaltung, wie nun wieder bei „Lieber verliebt“, Bart Freundlichs bewusst grotesker, zugleich aber auch immer wieder mit dem Dramatischen flirtender Romantik-Komödie.
Nach ihrer Hochzeit mit Frank (Sam Robards, Die Verdammten des Krieges, A.I. – Künstliche Intelligenz) hat Sandy (Catherine Zeta Jones, Chicago, Terminal) ihre eigenen Träume ganz seinen Vorstellungen und Wünschen untergeordnet. Sie hat sich arrangiert mit dem Leben als Hausfrau und Mutter in der Vorstadt und war damit auch nicht unglücklich. Doch das alles ändert sich, als sie zufällig erfährt, dass Frank eine Affäre mit einer Nachbarin hat. Kurz entschlossen nimmt sie die Kinder (Kelly Gould, Andrew Cherry), zieht nach New York in ein Hotel und reicht die Scheidung ein. Bald hat Sandy eine Wohnung in der Metropole und auch einen Job als Texterin bei einem Sportsender. Jetzt fehlt nur noch eine Nanny, die sich um ihre beiden Kinder kümmert, während sie im Büro ist. Auch die ist in Gestalt des sympathischen, etwas unentschlossenen Coffee-Shop-Angestellten Aram Finklestein (Justin Bartha, Das Vermächtnis der Tempelritter, Hangover) schnell gefunden. Aber nicht nur ihre beiden Kinder, auch Sandy schließt den 25-Jährigen, der ebenfalls eine überaus bittere Trennung hinter sich hat, beinahe umgehend in ihr Herz…
Vielleicht hätte Bart Freundlich (Mission: Possible, Liebe ist Nervensache), der immerhin mit der gut neun Jahre älteren und zudem noch weitaus berühmteren Julianne Moore verheiratet ist, einfach nur auf Catherine Zeta-Jones und Justin Bartha vertrauen sollen. In den wenigen Szenen, in denen die beiden von allen konstruierten Problemen und sonstigen dramaturgischen Erwägungen befreit sind und einfach nur ein glückliches Paar spielen dürfen, findet diese Komödie zu einer wundervollen Selbstverständlichkeit. Liebe lässt sich halt nicht rational fassen und analysieren, und sie richtet sich eben nicht nach gesellschaftlichen Regeln oder Normen. Das sollte wohl nicht nur Woody Allen, sondern auch Bart Freundlich ganz genau wissen.
Das gemeinsame Spiel von Catherine Zeta-Jones und Justin Bartha besticht durch eine derart entwaffnende Natürlichkeit, dass sich Fragen nach der Praktikabilität einer Beziehung zwischen einer 40-jährigen Mutter und ihrer 15 Jahre jüngeren Nanny praktisch von selbst verbieten. Aber Freundlich stellt sie natürlich trotzdem und kommt dabei nicht über abgedroschene Klischees hinaus. Natürlich muss die beruflich erfolgreiche Sandy irgendwann ihre Zweifel bekommen, und das nicht, weil sie sich ihrer Gefühle nicht sicher wäre, sondern nur weil ihr die Gesellschaft eingeimpft hat, dass Frauen in ihrem Alter mit jüngeren Männern vielleicht ihren Spaß haben können, sie aber niemals heiraten sollten.
Die Bedenken und Zweifel, mit denen sich Sandy herumschlägt, sind wahrlich an den Haaren – und zwar an den mittlerweile ellenlangen Barthaaren der Regeln für das Schreiben von hollywoodtauglichen Drehbüchern - herbeigezogen. Aber angesichts der Familie, die Bart Freundlich dem gutmütigen Aram aufbürdet, wirken sie geradezu alltäglich. Der jüdische Humor in seiner New Yorker Variante neigt grundsätzlich zu Übertreibungen, auch davon zeugen einige Werke Woody Allens, der als eine Art Schutzpatron über Freundlichs Komödie zu schweben scheint. Aber selbst bei Übertreibungen sollte ein Autor und Regisseur eine gewisse Zurückhaltung pflegen, sonst können sie schnell wie in den Szenen zwischen Aram und seiner Mutter Roberta (Joanna Gleason, Hannah und ihre Schwestern, Boogie Nights) ins Peinliche abgleiten.
Jeder hat schon einmal davon gehört, wie überfürsorglich und ehrgeizig jüdische Mütter ihren Kindern, vor allem ihren Söhnen, gegenüber sein können. Doch muss ein Filmemacher sie deshalb gleich in eine Art Freudsches Monster verwandeln, das Aram über die Grenze des Erträglichen hinaus traktiert. Diese um Lacher heischende Strategie ist nicht nur auf unangenehme Weise wohlfeil, sie steht am Ende sogar in einem eklatanten Kontrast zu Bart Freundlichs Grundhaltung, die eher versöhnlich ist und sich schließlich in einem wirklich sehr schönen, gänzlich unaufgeregten Happy End manifestiert.