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    The Shepherd
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    1,5
    enttäuschend
    The Shepherd
    Von Björn Becher

    Jean-Claude Van Damme hat es geschafft. Was die Garde der alten B-Movie-Recken wie Chuck Norris, Wesley Snipes, Steven Seagal oder Dolph Lundgren seit Jahren vergeblich versucht, ist ihm gelungen: endlich mal wieder ein vernünftiger, mehr als ordentlicher Film, der nicht nur bei den Hardcore-Fans der Darsteller und des Videotheken-Action-Kinos auf Akzeptanz stößt. Until Death heißt das Thriller-Drama, bei dem sich Van Damme auch schauspielerisch gereift zeigte. Da sind die Voraussetzungen für das nächste Werk eigentlich gut, zumal wenn man sieht, wen sich Van Damme dafür ins Boot geholt hat: Isaac Florentine führt Regie und der gilt seit „Undisputed II“ als das Beste, was das amerikanische Prügelkino dieser Tage zu bieten hat. Da kann doch eigentlich nichts anderes heraus kommen als ein Ausflug zurück in die Zeiten von Bloodsport, Kickboxer und Co. Soweit die Theorie, leider sieht die Praxis bei „The Shepherd“ ganz anders aus.

    Von der Mordkommission in New Orleans lässt sich Jack Robideaux (Jean-Claude Van Damme) auf eigenen Wunsch zur mexikanisch-amerikanischen Grenzpolizei versetzen. Dort hat man gerade alle Hände voll zu tun. Denn ehemalige US-Elitesoldaten wollen nun Kohle machen, nachdem sie in Afghanistan dienten und das Gefühl haben, dass „Uncle Sam“ ihnen nicht genug dafür gedankt hat. Daher sind sie ins Drogengeschäft eingestiegen und bringen den schmutzigen Stoff auf ganz perfide Weise über die Grenze. Doch genau das zu stoppen, ist die Aufgabe, die sich Robideaux gestellt hat.

    Egal, wo man ansetzt: „The Shepherd” ist in fast allen Punkten dem letzten Van-Damme-Film Until Death meilenweit unterlegen und – abgesehen von den Martial-Arts-Szenen - einfach nur tiefster B-Movie-Sumpf, in dem jeder x-beliebige Schauspieler hätte mitwirken können und es nicht den smarten, akrobatischen Belgier mit dem Hang zur Selbstironie gebraucht hätte. An die Story darf man bei einem B-Actioner sowieso keine zu hohen Ansprüche stellen, wenn einem aber das Einfallsloste vom Einfallslosen geboten wird, wie hier, dann darf man ruhig den Kopf schütteln. Da haben wir dann den gebrochenen Charakter, den die Vergangenheit jagt und der auf seiner persönlichen Vendetta ist - inklusive aller tausende Male durchgekauter Storyentwicklungen. Ach ja, eine kleine Besonderheit gibt es: Der Held schleppt einen Hasen mit sich rum.

    Was deutlich schwerer wiegt als die inhaltliche Einfallslosigkeit, ist die große Langeweile. „The Shepherd“ dümpelt phasenweise einfach nur so vor sich hin. Da wirft man dann noch einmal einen Blick auf das DVD-Cover, ob bei Regie wirklich Isaac Florentine steht. Der gepriesene B-Actionregisseur zeigt so gut wie nie sein Talent. Die nicht vorhandene Spannung wird daher viel zu selten durch satte Action wett gemacht. Eine Handvoll viel zu kurzer knackiger Kampfszenen ist da zu verzeichnen. Die sind teilweise zwar inhaltlich völlig zusammenhanglos in das Geschehen gepresst (Robideauxs Auseinandersetzung mit ein paar Stadtbewohnern), aber insgesamt trotzdem noch das einzige Highlight des Films. Dass Florentine seinen Stammdarsteller Scott Adkins (Unleashed, Das Bourne Ultimatum) mitgebracht hat, erweist sich als Glücksfall. Der hat einfach ein paar beeindruckende Martial-Arts-Moves drauf, darf sie aber viel zu selten und dann noch nur sehr kurz zeigen. Gerade die finale Konfrontation zwischen Adkins und Van Damme ist auf ganzer Linie misslungen. Wer sich hier auf ein tolles Duell zweier Kampfsportgenies gefreut hat, wird bitter enttäuscht.

    Nach dem, was aus den USA zu hören ist, gibt es auch Gründe für diese Mängel, die in der Post-Produktion des in Bulgarien gedrehten Actioners liegen. Angeblich waren sich Hauptdarsteller und Regisseur beim Schnitt uneins und Van Damme übernahm irgendwann einfach, woraufhin Florentine im Streit den Schneideraum verließ. Die Version von Van Damme soll aber bei Sony nicht auf genug Anklang gestoßen sein, weswegen die einen neuen Final Cut anfertigten. Regisseur Florentine soll sich sogar mittlerweile von „The Shepherd“ distanziert haben. Das sind durchaus Punkte, aus denen ein Teil der Unzulänglichkeiten des größtenteils langweiligen Action-Thrillers resultieren dürfte.

    Trotzdem muss man sich fragen, ob Florentine nicht vorschnell als die neue (und einzige) Regiehoffnung für das amerikanische Martial-Arts-Kino hoch gelobt wird. Sicher, da gibt es „Undisputed II“, aber wenn man nur einen Schritt weiter zurück in seiner Filmographie geht, landet man bei dem reaktionären Schwachsinn „Special Forces USA - Gnadenlos und tödlich“. Der ist nicht nur inhaltlich eine völlige Katastrophe, sondern auch nicht frei von inszenatorischen Unzulänglichkeiten, auch wenn man Florentine nicht absprechen kann, dass er seinen Stammdarsteller Scott Adkins in einigen ordentlichen Szenen sein Kampftalent zeigen lässt. Sicher, Florentine hat mit eben „Special Forces USA“ und den anderen platten reaktionären Actionern davor gezeigt, dass er aus Mini-Budgets um eine Million Dollar viel mehr rausholen kann als Kollegen wie zum Beispiel Yossi Wein, aber bis zu seinen Vorbildern aus dem asiatischen Raum ist es noch ein sehr weiter Weg. Zumal er nun bei „The Shepherd“ mit 12 Millionen Dollar ein normales B-Movie-Budget zur Verfügung hatte und sich trotzdem inszenatorische Schwächen zeigen. Gerade die Kameraführung ist in den ersten 20 Minuten vor allem mit ihren langsamen Fahrten auf die Gesichter der Figuren schlicht nervig.

    Bei aller Kritik: „The Shepherd“ ist nicht grottenschlecht. Die kurzen Actionszenen haben ihren Drive und bessere Martial-Arts-Szenen produziert auch in Hollywood niemand. Wenn sie nur nicht sofort wieder vorbei wären, bevor sie richtig begonnen hätten. Und sonst regiert halt doch die Langeweile. Auch wenn die Hardcore-Fans sich trotzdem vom Videothekenbesuch nicht abhalten lassen, ein abschließender Tipp: Wer einem atmosphärisch gelungenen und spannenden Van-Damme-Film sehen will, greife doch lieber zu „Until Death“ und wer Action satt von Florentine will, sollte in der Videothek nach „Undisputed II“ fragen. Beide Actionkönner allein deutlich besser als gemeinsam arbeiten.

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