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    Sonja
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,5
    durchschnittlich
    Sonja
    Von Christian Horn

    Kaum ein Debütfilm aus Deutschland, der nicht Geschichten von Menschen an der Schwelle zum Erwachsenwerden erzählt. Ein Umstand, der die deutsche Filmlandschaft um beachtliche Werke wie „Absolute Giganten“ oder „Nichts bereuen“ bereichert hat und zweifelsfrei dadurch zu erklären ist, dass die jungen Regisseure beim Erzählen ihrer Geschichten auf eigene Erfahrungen zurück greifen und sich mit der Stoffwahl für ihren ersten Spielfilm nicht auf erzählerisches Glatteis begeben wollen. Das zentrale Thema dieser Filme ist der Entwicklungsprozess des Protagonisten (bzw. mehrerer Protagonisten), für den als Motor in den meisten Fällen die Liebe verantwortlich ist. Und so stehen die Dinge auch in dem Jugend-Drama „Sonja“, dem ersten Spielfilm der aus Finnland stammenden Regisseurin Kirsi Marie Liimatainen.

    In diesem Fall ist die Hauptfigur eine heranwachsende Frau im Alter von 17 Jahren, die Titel gebende Sonja (Sabrina Kruschwitz). Diese entdeckt im Lauf eines Berliner Sommers ihre lesbischen Neigungen und damit verbunden die aufkeimende Liebe zu ihrer besten Freundin Julia (Julia Kaufmann), zu der sie eine innige Beziehung führt. Sonjas Mutter (Nadja Engel), die mit der pubertär-rebellischen Art ihrer Tochter nicht wirklich umzugehen weiß, ist für diese Thematik nicht der richtige Ansprechpartner und auch sonst ist Sonja mit ihrem Problem auf sich alleine gestellt. Nur ihrem Tagebuch vertraut sie ihre Situation und die damit einhergehende Verwirrung an; bei Julia macht sie immer wieder subtile Andeutungen, etwa indem sie ein romantisches Gedicht für sie schreibt oder zaghaft von einem Traum erzählt, in dem sie ihrer besten Freundin einen Kuss auf den Hals gegeben hat. Doch Julia ahnt nichts, flirtet weiter mit den Jungs und sehnt ihr erstes Mal herbei.

    Was Martin Gypkens in seinem episodischen Porträt der Generation Mitte Zwanzig, dem recht gelungenen „Wir“, am Rand angeschnitten hat, macht Kirsi Liimatainen in „Sonja“ zum zentralen Knackpunkt: die Entdeckung homosexueller Neigungen im Prozess des Erwachsenwerdens, die in einer Liebe zum engsten Freund mündet und die Grenzen zwischen Liebesbeziehung und Freundschaft verwischt. Anerkennung verdienen die kleinen Gesten, mit denen Liimatainen ihre Geschichte erzählt und der Verzicht auf Knalleffekte der Marke „Mädchen, Mädchen“. Oftmals muss kein Wort gesprochen werden und trotzdem steht mit großen Buchstaben auf der Leinwand geschrieben, was Sache ist. Dass Sonja sich in Julia verliebt hat, wird erst beim Finale konkret in Worte gefasst, ist aber schon nach dem ersten Drittel an den Zuschauer gebracht. In Ansätzen erinnert diese Art des Erzählens durch kleine Gesten an den asiatischen Autorenfilmer Wong Kar-wai – und insbesondere an dessen Liebesballade In The Mood For Love.

    Allerdings entfaltet Liimatainen die Handlung ihres Films auf einer weit weniger stilisierten, nüchternen Ebene und gibt ihm dadurch eine zwar melancholische, aber bodenständige Atmosphäre, auf deren Grund mit Sicherheit ein weitaus besserer Film hätte entstehen können. Neben inszenatorischen Unsicherheiten liegt es vor allem an den weitestgehend schwachen Leistungen der Darsteller, dass Liimatainens Erzähltechnik nicht komplett aufgeht und ihrem Jugend-Drama viele potentiell starke Momente genommen werden. Das größere Problem von „Sonja“ ist aber, dass die Regisseurin ihren Blick zu sehr auf die geschilderte Problematik verengt und kein tiefschichtigeres Bild von den Umständen entwirft, in die das Geschehen eingebettet ist. Hier wird deutlich, dass Liimatainen ihren Inhalt auf dem sicheren Weg ins Ziel bringen wollte, wodurch sie dem Film viel an Lebendigkeit raubt und dessen Konstruiertheit in keiner Weise verdeckt oder relativiert. Viele Passagen der Handlung sind nach Schema F hervorzusehen, beispielsweise die Entjungferung Sonjas während des Ostsee-Urlaubs bei ihrem Vater und die damit einhergehende Entscheidung der Hauptfigur, die selbstverständlich am Strand vor wogenden Wellen getroffen werden muss.

    Und auch sonst gibt es auf der gestalterischen Ebene in den knapp 73 Filmminuten keine großen Überraschungen; weder innovative Kameraführung noch bemerkenswerte Schnitte oder gar überraschende Wendungen bereichern den viel zu linearen Handlungsverlauf. Im Vergleich sind die eingangs erwähnten Filme „Nichts bereuen“ und „Absolute Giganten“ stilistisch wie dramaturgisch regelrecht mutig umgesetzt. Schade, dass Kirsi Liimatainen einen nicht unbedingt uninteressanten Ansatz mit fehlendem Mut (oder fehlender Kreativität?) in der Umsetzung unterm Strich erstickt hat, obwohl doch gerade im Moment viele Regisseure mit ihren Debütfilmen den deutschen Film innovativ zu beleben wissen. Umso weniger schade, dass „Sonja“, der im Juli bereits auf 3sat ausgestrahlt wurde, nicht in ganz Deutschland, sondern nur in Berlin in die Kinos kommen wird. Denn wenn schon die Themenwahl nicht sonderlich gewagt beziehungsweise unüblich für einen ersten Film ausfällt, dann sollte wenigstens die Umsetzung mit einer eigenen Art überzeugen und nicht fast völlig in der – so muss es wohl formuliert werden – Belanglosigkeit versinken.

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