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    God Man Dog
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,5
    durchschnittlich
    God Man Dog
    Von Björn Becher

    Seit den 1980ern ist Taiwans Kino auf dem Vormarsch. Verbunden ist dieser Aufschwung weniger mit dem bekanntesten taiwanesischen Filmemacher Ang Lee (Brokeback Mountain, Hulk, Tiger und Dragon), sondern vielmehr mit Arthouse-Regisseuren wie Hou Hsiao-Hsien, Tsai Ming-liang oder Edward Yang. Mit großer Beständigkeit drehen diese Begründer der sogenannten taiwanesischen Nouvelle Vague ihre kleinen Filme, deren alltägliche Beobachtungen oftmals auch eine politische Note beinhalten. Das brachte dem taiwanesischen Kino hauptsächlich in Europa große Aufmerksamkeit ein, wo die Filme auf den einschlägigen Festivals begeisterten und zahlreiche Preise abräumten. Die junge Regisseurin Singing Chen liefert nun sieben Jahre nach ihrem preisgekrönten Debüt „Bundled“ mit „God Man Dog“ ein Episodendrama ab, das klar in der Tradition der großen Vorbilder aus ihrer Heimat steht. Der 2008 im Forum der Berlinale gezeigte Film überzeugt aber nur in der ersten Hälfte und baut im Verlauf der Handlung stark ab, um im Finale in platten Aussagen zu gipfeln.

    Singing Chen blickt auf Menschen an den verschiedenen Enden der Einkommensskala: Handmodell Ching (Popsängering Tarcy Su) ist scheinbar glücklich mit ihrem erfolgreichen Architekten-Ehemann Xiong (Chang Han) verheiratet. Doch seit der Geburt des gemeinsamen Kindes leidet sie unter Depressionen. Eine Kommunikation findet zwischen den Ehepartnern nicht mehr statt, weil er glaubt, mit teuren Buddha-Statuen die Beziehung retten zu können, während sie Zuflucht im christlichen Glauben sucht. Auf der anderen Seite stehen Biung (Ulau Ugan) und seine Frau. Das Paar gehört der taiwanesischen Urbevölkerung an und versucht verzweifelt, über die Runden zu kommen. Er ist ein begabter Schnitzer, gemeinsam sammeln sie die Gewinnspielaufkleber von Safttüten. Doch Biung ist Alkoholiker und erleidet immer wieder herbe Rückfälle. Diese haben auch Tochter Savi (Tu Xiao-han) in die Stadt vertrieben. Dort lebt sie nun bei ihrer Freundin Mei (Ka-yi Mo) und will als Kickboxerin Erfolge feiern. Doch Mei verfolgt einen anderen Plan, um an Geld zu kommen. Der Wanderprediger Yellow Bull (Jack Kao) fährt unterdessen mit seinem LKW voller Buddha-Statuen durchs Land, wobei er den obdachlosen Jungen Xian (Jonathan Chang) aufgabelt. Der kleine schmächtige Kerl verdient sich seinen Lebensunterhalt mit der Teilnahme an Fresswettbewerben. Während Xian scheinbar ziellos umherzieht, benötigt Yellow Bull dringend Geld für eine neue Beinprothese...

    Die Vorbilder der jungen Regisseurin stechen schon bei einem Blick auf die Besetzungsliste ins Auge. Jack Kao, der den mit einer riesigen, blinkenden Buddha-Figur herumreisenden Yellow Bull verkörpert, zählt zur Stammriege von Hou Hsiao-Hsien, bei dem er zwischen 1987 und 2001 in sechs Filmen mitspielte. Seinen Begleiter, den dauerhungrigen Streuner Xian, mimt Jonathan Chang, der Hauptdarsteller aus Edward Yangs Cannes-Preisträger „Yi Yi“. Sowohl Hsiao-Hsien als auch Edward Yang sind Meister des langsamen Erzählens. Vor allem Hou Hsiao-Hsien, der als einer der weltweit einflussreichsten Regisseure der vergangenen Dekade gilt und den unter anderem Jim Jarmusch, Quentin Tarantino und Martin Scorsese verehren, hat einen ganz eigenen Stil entwickelt, der sich konsequent jeder klassischen Dramaturgie verweigert. Auf den ersten Blick geht in seinen Filmen nichts voran, so dass der Zugang schwer fällt und es einige Zeit dauert, bis man bemerkt, dass doch unglaublich viel in diesen wie zufällig anmutenden gesellschaftlichen Beobachtungen steckt.

    Singing Chen geht einen ähnlichen Weg. Zu Beginn springt sie munter zwischen den gegensätzlichen, nur sehr lose verknüpften Episoden hin und her. Dabei schildert sie wie beiläufig das Leben der einzelnen Figuren. Dramatische Zuspitzungen werden lange Zeit weitestgehend ausgespart. Dass Biung gegen seine Alkoholsucht kämpft, um seine Familie zu retten, erzählt Chen ähnlich unaufgeregt wie die Eheprobleme des besser situierten Paares. Der Zuschauer wird ohne echte Exposition in das Geschehen geworfen, wobei die Regisseurin auf weitschweifende Erklärungen verzichtet und es stattdessen dem Publikum überlässt, die Charaktere zu ergründen. Umso schmerzlicher ist es, dass dieser Stil in der zweiten Hälfte ohne Not aufgegeben wird. Wie es seit den Filmen von Alejandro González Iñárritu (siehe Amores Perros und 21 Gramm) offenbar unvermeidlich ist, führt ein Unfall alle Figuren zusammen und dient so als Eröffnung für ein gehetztes und plattes Finale. Plötzlich kämpft Yellow Bull gegen die Zeit, um das nötige Geld für sein neues Bein aufzutreiben. Das zerstrittene Ehepaar strandet in der Einöde und muss sich gezwungenermaßen mit seinen Problemen auseinandersetzen. Und Ex-Trinker Biung läuft Gefahr, in nur wenigen Minuten das hart erarbeite Vertrauen seiner Familie wieder zu zerstören. Mit übertriebener Symbolik, die den Ausgleich und das Miteinander der Religionen bebildern soll, schmälert die Regisseurin die Qualität des Films genauso wie mit den abgedroschenen Schlusseinstellungen, die dem Zuschauer die Moral von der Gleichheit förmlich einhämmern und auf den Titel Bezug nehmen.

    Fazit: Obwohl Singing Chen noch ein ganzes Stück von der formalen und inhaltlichen Klasse ihrer Vorbilder entfernt ist, liefert die junge Regisseurin mit „God Man Dog“ eine zumindest in der ersten Hälfte ansprechende Kostprobe ihres Talents ab. Dabei zeigt sie durchaus auch formale Vielseitigkeit, wenn sie etwa das ruhige Erzähltempo durchbricht, um in einer hippen Sequenz Kickboxerin Savi ihre Freier ausnehmen zu lassen. Und dass Singing Chen auch ohne Plattitüden Geschichten erzählen und subtiler mit Symbolik umgehen kann, beweist ihr Drehbuch zu dem hochromantischen Drama „Spider Lilies“. Trotz des enttäuschenden Ausklangs von „God Man Dog“ darf man deshalb auf ihre weitere Entwicklung gespannt sein.

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