Laut der griechischen Mythologie brachte der unbestechliche Fährmann Charon die Toten nur dann über den Fluss Acheron zum Eingang des Hades, dem Reich der Toten, wenn diese die Begräbnisriten empfangen hatten und mit einer Münze unter der Zunge als Obulus ausgestattet waren. Wer nicht bezahlen konnte, kam auch nicht rüber, so simpel ist das. Doch was passiert, wenn jemand absichtlich ohne Bargeld auf Reisen geht, um so dem Tod für immer zu entgehen? Dieser interessanten Frage geht nun Chris Grahams Horrorfilm „The Ferryman“, der neben dem Eröffnungsfilm Black Sheep, dem Vampir-Thriller Perfect Creature, der schwarzen Komödie The Devil Dared Me To und dem Amok-Thriller Out Of The Blue fünfte neuseeländische Beitrag aus dem Programm des FantasyFilmFest 2007, nun nach. Mit „Herr der Ringe“-Star John Rhys-Davies als Aushängeschild präsentiert sich eine unterhaltsame Mischung aus mythologischen Horror- und einfachen Slasher-Elementen. Leider trübt der schwache restliche Cast, der mit Rhys-Davies zu keiner Zeit mithalten kann, den Gesamteindruck doch merklich.
Das Meer ist ruhig, die Sonne scheint! Den beiden Paaren, die eine Überfahrt von Neuseeland nach Fidschi auf der Yacht von Party-Skipper Big Dave (Tamer Hassan, Layer Cake, Eastern Promises) und seiner Frau Suze (Kerry Fox, The Gathering) gebucht haben, geht’s einfach prima. Der wohlhabende Chris (Craig Hall, Perfect Creature) will seinem verwöhnten blonden Dummchen (Sally Stockwell) einen Antrag machen, und Kathy (Amber Sainsbur), die den Trip zusammen mit ihrem Kiwi-Freund Zane (Julian Arahanga, Matrix) unternimmt, kann hier endlich jenen schrecklichen Vorfall vergessen, der ihr Gewissen so schwer belastet und der sie ihren Job als Krankenschwester hinschmeißen ließ. Plötzlich spuckt das Funkgerät einen Hilferuf aus, der die Truppe mitten in einen gespenstischen Nebel manövriert. An Bord eines scheinbar verlassenen Fischerboots entdecken Chris und Zane einen verängstigten Mann (John Rhys-Davies), der sich als einziger Überlebender eines schlimmen Unwetters zu erkennen gibt. Nach einer Runde Pokern und ein paar Gläsern Schnaps ist der Fremde schnell wieder auf der Höhe. Doch dann sticht dieser aus dem Nichts heraus Zane mit einem merkwürdigen Dolch einfach nieder. Obwohl Zanes tiefe Wunde nur wenige Augenblicke später wieder verschwunden ist, schmeißt Big Dave den unheimlichen Schiffbrüchigen über Bord. Doch damit beginnt der wahre Horror erst richtig...
Im Groben hat „The Ferryman“ durchaus Ähnlichkeiten mit Gregory Hoblits spaßigem Mystery-Thriller Dämon mit Denzel Washington in der Hauptrolle. Genau wie in der Hollywood-Großproduktion findet auch in dem kleinen neuseeländischen Genrestreifen ein lustiger Körpertausch-Wettstreit statt, der in zweiterem auch noch mit einigen blutigen Slasher-Einlagen und ein paar stimmigen Schreck-Momenten unterfüttert wird. „The Ferryman“ nimmt sich seine Vorlage, die Legende vom Fährmann des Totenreichs, und prügelt aus ihr eine ganze Reihe brauchbarer Ideen heraus, die die eine oder andere nette Genrevariation erlauben. Vielleicht hätte man lieber darauf verzichten sollen, bereits in der ersten Szene des Films die übersinnlichen Anteile der Story zu offenbaren, es wäre wohl noch einen Tick spannender gewesen, wenn man nicht von Anfang an gewusst hätte, dass der Fremde besessen ist. Aber so wird das Hauptaugenmerk halt verstärkt auf den Spaß an der Sache gelegt, die Spannung zählt nur sekundär. Der einzige Vorwurf, den man dem grundsoliden Drehbuch so machen muss, ist die Rolle des blonden Dummchens. Diese hat schon in Open Water 2 so gar nicht funktioniert und fällt auch hier schnell auf die Nerven.
Doch der Spaß am lustigen Körper-Wechsel-Dich-Spielchen bleibt nicht lange ungetrübt. Leider nutzt der überwiegende Teil der Darsteller die Körpertausch- und Besessenheits-Elemente für ein Negativbeispiel an hemmungslosem Overacting aus. Vor allem Sally Stockwell treibt dies zum Schluss hin auf die Spitze. Gegen ihr Spiel wirkt Jack Nicholsons Auftritt als axtschwingender Hotel-Hausmeister Jack Torrance in Stanley Kubricks The Shining beinahe schon schüchtern. So nimmt sie dem Showdown einen gehörigen Teil seiner Spannung, wirkt sie mit wirrem Blick und verlaufenem Mascara doch eher affig denn furchteinflößend. Die einzigen beiden, die bei diesem darstellerischen Overkill einen kühlen Kopf bewahren, sind die hübsche Amber Sainsbury (30 Days Of Night), die allerdings auch als einzige ohne Besessenheitsszenen auskommt, und der Star des Films: John Rhys-Davies (Coronado, Jäger des verlorenen Schatzes, James Bond 007 - Der Hauch des Todes). Gerade von Letzterem, der als starrköpfiger Zwergenkrieger Gimli in Peter Jacksons Herr der Ringe - Trilogie schon ganz andere Schlachten geschlagen hat, war aber wohl auch kaum etwas anderes als eine überzeugende Performance zu erwarten.
Fazit: „The Ferryman“ ist ein in der griechischen Mythologie verankerter, neuseeländischer Horrorstreifen, der mit einer netten Ausgangsidee und insgesamt stimmigen Wendungen punktet, sich aber mit dem extremen Overacting seiner größtenteils überforderten Darsteller selbst ein Bein stellt.