In der Filmographie des Regisseurs David Mackenzie findet sich mit Hallam Foe eine grandiose Tragikomödie und mit Stellas Versuchung ist dem Filmemacher auch schon ein mutiges Drama gelungen. Doch was hat den Briten nur geritten, sich auf die halbgare Komödie „Toy Boy“ einzulassen? Spontan fällt einem in Anbetracht eines solchen Qualitätsgefälles noch Jon Avnet ein, der einst das sensible Frauendrama Grüne Tomaten verantwortete und zuletzt mit 88 Minutes und Righteous Kill nur noch unterklassige Thrillermassenware drehte. Wobei es für Avnet immerhin den nachvollziehbaren Anreiz gab, mit Robert De Niro und Al Pacino arbeiten zu können. Wen oder was bitte soll Mackenzie dagegen als Entschuldigung ins Feld führen? Ashton Kutcher? Der Hauptdarsteller, der besser keiner sein sollte, ein indifferentes Drehbuch und eine Menge blanker Haut sorgen für Langeweile, der Hallam Foe-Kenner bleibt ratlos zurück.
„Als ich hier ankam, hatte ich einen Traum: Ich wollte reich werden durchs Nichtstun, mich fotografieren lassen, in den Hills wohnen, einen lauten gelben Sportwagen fahren und Einsachtzig-Mädels ficken, die 50 Kilo wiegen. Das meiste davon wurde wahr.“
Mit seinem hervorragenden Aussehen und einem wahrlich guten Händchen im Umgang mit dem weiblichen Geschlecht schläft Nikki (Ashton Kutcher) sich durch Los Angeles. Mit den jungen Frauen hat er nur Spaß, von den reichen, zumeist etwas reiferen lässt er sich aushalten. Zu diesen gehört die Anwältin Samantha (Anne Heche, Donnie Brasco), an die sich Nikki auf der Suche nach einer Bleibe ranmacht. Der übliche Deal: Er spielt ihren Loverboy, gibt ihr das Gefühl, auf ewig begehrt zu werden, und im Gegenzug lebt er in ihrem Luxus. Während Samantha die Beziehung zunehmend ernster nimmt, verliebt sich Nikki entgegen seines Beuteschemas in die mittellose Kellnerin Heather (Margarita Levieva, Adventureland). Erstmals lässt er jemanden hinter die Fassade blicken, doch ist auch Heather in Bezug auf das andere Geschlecht nicht frei von Hintergedanken...
Ohne Umschweife zum Hauptdarsteller und damit zu einem der Hauptprobleme: Kutcher machte zuletzt nicht zufällig mehr Schlagzeilen durch seine Beziehung zu Demi Moore und einen Twitterwettstreit mit CNN als durch seine Schauspielkünste. Der einstige serie,Die wilden Siebziger-Star hat sich als Moderator der „Verstehen Sie Spaß?“-Version für U30-Publikum „Punk’d“ und als leidlich charmanter Einfaltspinsel in Filmen wie „Ey Mann, wo is' mein Auto?“ durchaus bewährt. Ernste Rollen fährt er dagegen oft mit Schmackes und Overacting gegen die Wand. Ein Film wie der spannende Butterfly Effect, in dem Kutchers Rolle zumindest funktioniert, ist leider eine Ausnahme. Nichtsdestotrotz ist er wie beispielsweise der Comedian Dane Cook (man denke an dessen desaströsen Auftritt in Mr. Brooks!) für dramatisch konzipierte Rollen eher ungeeignet, denn die eigene Performer-Persona bleibt immer präsent - Kutcher ist immer irgendwie Kutcher. Mehr als einmal hat Regisseur Mackenzie, als die Anforderung tragischer Tiefe an seinen Hauptdarsteller erging, der Szene lieber ein schnelles Ende geschenkt, um zu vermeiden, dass die Überforderung Kutchers in schmerzlicher Heftigkeit zu Tage tritt. Letztlich wird diese so aber noch betont.
Ein weiteres Problem ist Kutchers fehlende Eignung als Sexsymbol. Seinem Nikki Richard Geres Julian aus „Ein Mann für gewisse Stunden“, diesen stolzierenden Ausbund von Gockeltum, entgegenzustellen, kommt einer Kastration gleich. Das notwendige prahlerische sexuelle Selbstverständnis geht dem „Toy Boy“ vollends ab. Natürlich hat sich das Bild von Männlichkeit seit den Tagen des „American Gigolo“ stark gewandelt, doch hätte ein versierterer Schauspieler à la Josh Hartnett (The Black Dahlia, Lucky Number Slevin) die dramatische Klaviatur glaubwürdiger bedienen und Nikki so letztlich auch mehr Sexappeal verleihen können. Der Megaflop in den amerikanischen Kinos zeigt, dass Kutcher hier nicht einmal mehr als Kassenargument zieht. Zu seiner Ehrenrettung: Sein Gesichtsausdruck beim Frauenbeglücken ist fast die DVD-Ausleihgebühr wert.
Zugegebenermaßen stünde jeder Schauspieler mit diesem Skript im Rücken auf verlorenem Posten. An Drehbuchdebütant Jason Dean Hall wäre besser der Bescheid zum Nachsitzen ergangen. Der Grundton mäandert unentschieden zwischen Komödie, Satire, Drama und Romanze. Vereinzelte gelungene Szenen werden durch misslungene Kontextualisierungen gleich wieder ihrer möglichen Bedeutung beraubt. Einmal konfrontiert Nikkis einzige Freundin ihn mit seinem Lebenswandel und wirft ihm seine charakterliche Hohlheit vor, und genau hier wäre ein guter Anfang gewesen, die Figur näher zu ergründen. Leider dachte der Drehbuchautor anders und ernste Ansätze versanden erbärmlich.
Am besten hätte sich der Stoff bei konsequenter Ausarbeitung wohl zur Satire geeignet. Das zeigt sich etwa, wenn Anne Heches Charakter der reiferen Frau sich die Vagina verengen lässt, um Nikki an sich zu binden. Der Gedanke an Kutchers Gattin Demi Moore drängt sich hier förmlich auf. Auch die offensichtlichen Parallelen zwischen dem Möchtegernmodel Nikki und dem Ex-Model Kutcher hätten mehr selbstreferenzielle Pointen hergegeben. Aber das wäre schon zu subtil. Es ist fast, als ob Mackenzie die Hohlheit der Charaktere durch einen entsprechend oberflächlichen Stil veranschaulichen will. Doch wenn im weiteren Filmverlauf die Handlung an vermeintlich dramatischen Elementen gewinnt, entlarvt sich die Inszenierung selbst als banal. Der unvermeidliche Katharsismoment, in dem Nikki erkennt, dass Frauen nicht nur Nutzobjekte sind, gerät zum unbegreiflich flachen Trauerspiel. Zu allem Überfluss wird in dieser Szene auch noch der großartige Eric Balfour („Six Feet Under“, In den Schuhen meiner Schwester) in einem einmaligen Auftritt verheizt.
„Toy Boy“ ist ein oberflächlicher Film über Oberflächlichkeit. Auf der Habenseite steht lediglich der Augenschmaus Margarita Levieva, der originelle Soundtrack (vor allem Rumspringa mit „Shake’em Loose Tonight“) und ein definitiv unerwartetes Ende mit einer pointierten Schlusseinstellung, die auch einem guten Film gestanden hätte. Leider kann das unkonventionelle Ende die grottigen 90 Minuten davor nicht wettmachen.