Mein Konto
    Roller Girl
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,0
    solide
    Roller Girl
    Von Julian Unkel

    Der Sportfilm folgt mit seinen Underdogs, die sich nach einem katastrophalen Start langsam zusammenraufen, erste Erfolge verbuchen und nach einem großen Rückschlag zu Beginn des letzten Akts doch noch den finalen Triumph feiern, seit jeher einer - zumindest weitestgehend - immer gleichen Dramaturgie. Dass dies selbst auf kleine Randsportarten wie das in Deutschland fast völlig unbekannte Roller Derby zutrifft, zeigt nun „Whip It", der noch eine ebenso altbekannte Coming-of-Age-Geschichte in den Sportkontext einbettet. Weil Regiedebütantin Drew Barrymore zudem inszenatorisch keine Wagnisse eingeht, fehlt es dem Film von vornherein an jeglicher Originalität. Ein gut aufgelegtes Ensemble und eine erfrischende Portion Girl Power sorgen dennoch für vergnügliche eineinhalb Stunden.

    Die Möglichkeiten zur Selbstverwirklichung sind für die 17-jährige Bliss Cavender (Ellen Page) in ihrer texanischen Dorfheimat sehr begrenzt: Die Nachmittage schuftet sie als Aushilfskellnerin in einem peinlichen Fast-Food-Restaurant, an den Wochenenden schickt ihre Mutter (Marcia Gay Harden) sie zu stupiden Schönheitswettbewerben. Als sie bei einem Besuch in der nächstgelegenen Großstadt Austin mit der regionalen Roller-Derby-Liga in Berührung kommt, ist Bliss sofort fasziniert von der rabiaten Frauensportart und ihren wilden, unangepassten Spielerinnen. Kurzerhand beschließt Bliss, selbst die Rollschuhe anzuschnallen, macht sich vier Jahre älter, um über das geforderte Mindestalter zu kommen, und steigt ohne das Wissen ihrer Eltern bei den chronisch erfolglosen Hurl Scouts ein. Innerhalb kurzer Zeit steigt „Babe Ruthless", wie sich Bliss fortan nennt, zum neuen Star und Postergirl der Szene auf – bis ihre Eltern hinter das neue Hobby ihrer Tochter kommen und Bliss' größte Konkurrentin „Iron Maven" (Juliette Lewis) ihr wahres Alter erfährt...

    Ihre Rolle als schwangere Teenagerin im Überraschungshit „Juno" brachte Ellen Page („Inception", „Hard Candy") nicht nur eine Oscar-Nominierung und den Status als eine der talentiertesten Nachwuchsschauspielerinnen Hollywoods ein, sondern dürfte der Jungschauspielerin auch beim Casting für „Whip It" geholfen haben, schließlich könnte Bliss Cavender gut als Junos introvertierte Zwillingsschwester durchgehen. Entsprechend routiniert manövriert sich Page durch die typischen Probleme eines Teenagers (Emanzipation von den Eltern, die erste Liebe, Zerwürfnisse mit der besten Freundin), die Autorin Shauna Cross basierend auf ihrer eigenen Buchvorlage nach gängigen Coming-of-Age-Mustern zusammengetragen hat. Das Drehbuch krankt dabei aber nicht nur an seiner Formelhaftigkeit, sondern auch daran, dass immer wieder Handlungsstränge in den Vordergrund gerückt werden, nur um im Anschluss wieder fallengelassen zu werden. Bezeichnend dafür ist vor allem Bliss' kaum mehr als zwei Montagen umfassende Liaison mit dem Musiker Oliver (Landon Pigg), bei der es wohl gar nicht weiter auffallen würde, wenn man sie komplett fallen ließe.

    Als willkommene Abwechslung von den heimischen Konflikten dienen Bliss daher ebenso wie dem Zuschauer die überraschend brachialen Roller-Derby-Sequenzen, die immer wieder in die Handlung eingestreut werden. Wer zuvor noch nie etwas von der Vollkontaktsportart gehört hat, wird wohl auch trotz einer kurzen Regelkunde kein tieferes Verständnis des Sports entwickeln, aber das ist auch gar nicht nötig, um an den chaotischen, körperbetonten Derbys seinen Spaß zu haben. Abseits der Spielbahn schafft es Barrymore hingegen nur selten, inszenatorische Highlights zu setzen und orientiert sich brav an der Erfolgsmasche jüngerer amerikanischer Independent-Komödien - inklusive aufgesetzt wirkender Anti-Mainstream-Attitüde und einem eher beliebigen Alternative-Soundtrack.

    Zum Glück kann sich Barrymore voll auf ihre Darstellerinnen verlassen, deren Spielfreude sich schnell auf den Zuschauer überträgt. „Saturday Night Live"-Komikerin Kristen Wiig („MacGruber"), Rapperin Eve („Barbershop"), Stuntfrau Zoe Bell („Death Proof") und Barrymore selbst als Bess‘ ausgeflippte Teamkameradinnen haben daran einen Löwenanteil, während Marcia Gay Harden („Der Nebel") als strikte Mutter den ruhigen Gegenpol gibt, Juliette Lewis („Stichtag") genüsslich die fiese Zicke raushängen lässt und Ellen Page mit natürlichem Charme im Zentrum alle Fäden zusammenhält. So erfindet „Whip It" das Rad sicherlich nicht neu, unterhält trotz zahlreicher Schwächen aber zumindest als kurzweiliges Feel-Good-Movie dennoch ganz ordentlich.

    Möchtest Du weitere Kritiken ansehen?
    Das könnte dich auch interessieren
    Back to Top