1980 avancierten der französische Publikumshit La Boum - Die Fete, dessen debütierende Hauptdarstellerin Sophie Marceau und der unvergesslich-schnulzige Titelsong „Reality“ von Richard Sanderson zum Kult. Selten wurden die Wirrungen der ersten Liebe mit so viel Gefühl und doch so treffend wie in dieser Teenager-Romanze, die 1982 mit La Boum 2 - Die Fete geht weiter fortgesetzt wurde, auf Zelluloid gebannt. Nun, fast 30 Jahre später, schwappt ein französischer Film in unsere Kinos, der nicht nur aufgrund der Besetzung von Sophie Marceau Erinnerungen an „La Boum“ wachrüttelt. „LOL“ erzählt ein Jahr aus dem Leben einer französischen Upper-Class-Schülerin, von der zweiten Liebe und vom ersten Mal. Dabei erreicht Regisseurin Lisa Azuelos beinahe das gleiche Maß an erfrischender Leichtigkeit wie ihr großes Vorbild. Und am Ende steht die Erkenntnis, dass die Probleme von Jugendlichen trotz Reality TV und WEB 2.0 im vergangenen Dritteljahrhundert doch weitgehend dieselben geblieben sind.
Die 15-jährige Lola (Christa Theret) hat einen Mathelehrer zum dahinschmelzen und eine Englischlehrerin, deren Unterricht niemand sonderlich ernst nimmt. Sie versteht sich hervorragend mit ihrer alleinerziehenden Architekten-Mutter Anne (Sophie Marceau, Braveheart, James Bond 007 - Die Welt ist nicht genug) und weit weniger gut mit ihrem aktuellen Freund Arthur (Félix Moati). Eigentlich würde sie viel besser mit ihrem allerbesten Freund Mael (Jérémy Kapone) zusammenpassen, aber so einfach ist die Sache dann auch wieder nicht. Anne hat mit ganz ähnlichen Problemen zu kämpfen: Zwar hat sie erst vor kurzem angefangen, wieder mit ihrem Ex-Mann Alain (Alexandre Astier) zu schlafen, aber auch Lucas (Jocelyn Quivrin), der ausgerechnet als Cop bei der Drogenfahndung arbeitet, findet sie verdammt schnuckelig…
Da können einem fragwürdige TV-Shows wie „Erwachsen auf Probe“ (RTL), „Die Superlehrer“ oder „Der Jugendcoach“ (beide Sat.1) suggerieren, was sie wollen, zumindest in der heilen Welt von „LOL“ haben sich die Probleme von Jugendlichen in den vergangenen drei Dekaden nicht wesentlich verändert. Lola (aus „LOL“) und Vic (aus „La Boum“) kämpfen beide mit einem pubertären Gefühlswirrwarr und für mehr persönliche Unabhängigkeit. Und beide tun dies auf eine derart charmant-liebenswürdige Art und Weise, dass man ihnen einfach nicht böse sein kann, egal ob sie in Abwesenheit der Eltern eine Party aus dem Ruder laufen lassen oder die spaßbremsende Omi mit Beruhigungsmitteln aus dem Weg räumen. „LOL“ geht dabei sogar noch einen Schritt weiter. Denn hier überschneiden sich nicht nur die Probleme von heutigen Teenagern mit denen von vor 30 Jahren, sondern auch die von Eltern und ihren Kindern: Immerhin ringt Anne mit einem ganz ähnlichen Liebestohuwabohu wie Lola. Und als sie erfährt, dass ihre Tochter vielleicht Marihuana raucht, greift sie zur Beruhigung erst einmal selbst zum Joint. Diese Universalität ist ein wohliger Gedanke, der dem Film noch einen Extra Charmeschub verpasst.
Die Art Film, wie sie „LOL“ repräsentiert, ist derzeit ein europäisches Phänomen. In Deutschland gab es 2008 die Frechen Mädchen von Ute Wieland und in Großbritannien Frontalknutschen von der Kick It Like Beckham-Regisseurin Gurinder Chadha. Ob es ein Zufall ist, dass alle drei Filme dabei von Frauen inszeniert wurden, darf bezweifelt werden. Fest steht hingegen, dass sich „LOL“ von den Dreien sowohl am reifsten (trotz jeder Menge Humor gleitet der Film nie ins Klamaukige ab) als auch am leichtfüßigsten (das können die Franzosen halt) mit seiner Thematik auseinandersetzt. Selbst ein Gag, bei dem beim Onlinesex die Webcam kurzerhand in ein ausgenommenes Huhn aus dem Kühlschrank gestopft wird, um das Eindringen in eine andere Körperöffnung vorzutäuschen, ist da plötzlich nicht mehr vulgär oder schlüpfrig, sondern charmant und zum Schmunzeln.
Fazit: Für Fans von „La Boum – Die Fete“ im Speziellen und französischer Leichtigkeit im Allgemeinen ist Lisa Azuelos‘ sommerfrische Teenager-Romanze ein Muss. Außerdem gibt es kaum einen Film, der unsere Vorurteile gegen die Tommys dermaßen charmant bestätigt: Alle Briten stehen den ganzen Tag im Regen, sind psychopathische Royal-Lovers und essen am liebsten trockene Nudeln auf Toast. Bei aller Liebe für die Fish-und-Chips-liebenden Insulaner, aber da kann man doch den französischen Nachwuchs, der es als überflüssig erachtet, im Englischunterricht besser aufzupassen, nur allzu gut verstehen.