Alles begann mit einer Strafanzeige gegen den Zoologischen Garten Berlin. Ein Tierschutzaktivist hatte sie gestellt, weil der Zoo verlauten ließ, er wolle ein von seinen Eltern verstoßenes Eisbärenbaby von Hand aufziehen. Dies sei nicht artgerecht und das Tier müsse stattdessen getötet werden. Die Medien stiegen auf diese herzzerreißende Geschichte groß ein, eine monströse Welle der Empörung toste über die Nation hinweg und über Nacht wurde ein Medienstar geboren, wie ihn die Welt seit langem nicht mehr gesehen hatte: Knut, der Eisbär. Der Rest ist Historie. Knut eroberte weltweit die Herzen von Millionen, wurde zum Botschafter für die an den Rand ihrer Existenz gedrängten Eisbären und machte richtig Kasse. Auf rund fünf Millionen Euro wird sein Marktwert allein für das Jahr 2007 geschätzt – eingenommen durch verdoppelte Besucherzahlen und Merchandising. Obwohl die rasende Hysterie um den berühmtesten Eisbären der Welt ein wenig abgekühlt ist, versucht Regisseur Michael Johnson (Nussknacker und Mäusekönig) noch, sich seinen Teil vom Kuchen zu holen. Die Dokumentation „Knut und seine Freunde“ ist eine durch zwei unnötige Nebengeschichten auf Kinoformat aufgeblasene Nichtigkeit, die zwar Knut-Fans reichlich süße Aufnahmen ihres Lieblings bietet, aber in ihrer Machart schon etwas dreist nach Abzocke schreit.
„Knut und seiner Freunde“ vereint drei räumlich und inhaltlich voneinander getrennte Schicksale. Am 5. Dezember 2006 erblickt im Zoologischen Garten Berlin der kleine Eisbär Knut das Licht der Welt. Die Kamera begleitet sein Aufwachsen ohne die Eltern Lars und Tosca in der Folgezeit. Knut ist der erste Eisbär, der in Berlin seit 33 Jahren von Hand aufgezogen wird. In der freien Wildbahn Weißrusslands wachsen die beiden Braunbärenjungen Masha und Pasha ganz ohne Eltern auf, was ebenso Probleme mit sich bringt. In der Arktis hat Eisbärin Maidu mit der Härte der unnachgiebigen Natur zu kämpfen, um ihre Kinder Linn und Lasse durch das schwierige erste Jahr zu bringen. Verbunden werden die Geschichten durch den Wind, der als poetischer Erzähler fungiert.
Die Doku hat in der Theorie zwei Trümpfe: Zum einen Eisbär Knut selbst, und zweitens seinen kultigen Pfleger, Herrn Dörflein – im Film ungewohnt einfach nur Thomas genannt. Wer der „Knutmania“ gefolgt ist, weiß schließlich, dass das Herr Dörflein ist. Eine Art lebendiges Gesamtkunstwerk mit liebevoller Berliner Schnauze. Knuts Vater und bester Freund. Doch im Gegensatz zu den Fernseh-Dokus, in denen Knuts Aufzucht begleitet wurde, ist Dörflein in „Knut und seine Freunde“ nur Stichwortgeber in den Collagen, die den Bären in Aktion zeigen. Seine interessante Gedankenwelt bleibt leider komplett außen vor. Wie der relaxte, sympathische Dörflein beispielsweise den Aufstieg zur Medienperson verkraftet hat, wird nicht thematisiert. „Knut und seine Freunde“ richtet sich vielmehr an ein sehr junges Publikum, das einfach nur niedliche Bilder sehen soll.
Regisseur Johnson (2nd-Unit-Director von Der Baader-Meinhof Komplex) hätte die Courage aufbringen müssen, auf die beiden Alibi-Geschichten um die Braunbären in Weißrussland und die Eisbären in der Arktis zu verzichten. So wäre aus dem Film ein ehrlicher geworden. In dieser Form ist „Knut und seine Freunde“ eine Mogelpackung. Zwar bieten die Wildbahn-Storys so etwas, was in die Richtung Kinoformat geht – allerdings nur in Hinblick auf die Bilder. Inhaltlich hat das wenig Substanz und wäre im Fernsehen wesentlich besser aufgehoben. Im Kino gelten nun einmal höhere Ansprüche. Speziell im Vergleich zu Dokumentationen wie Unsere Erde - Der Film, Königreich Arktis oder Der weiße Planet hat „Knut und seine Freunde“ auf filmischem Niveau nicht viel zu bestellen. Doch Johnson weiß, mit welchem Pfund er wuchern muss: Knut. Der süße Racker steckt die Protagonisten der genannten Referenzen selbst im Schongang locker in die Tasche. Das ist dennoch für einen abendfüllenden Kinofilm zu einfallslos. Die drei Handlungsebenen wollen sich partout nicht zusammenfügen, jede Geschichte läuft isoliert für sich ab. Dazu wirkt die Konstruktion mit dem „windigen Erzähler“ zu bemüht, um zu überzeugen. Johnson will mit aller Macht einen Bogen spannen, schafft es aber nicht.
Für Hardcore-Knut-Fans ist der Film mit Abstrichen zu empfehlen, immerhin ist der Berlin-Teil der zeitlich ausgedehnteste. Knut in allen Lebenslagen. Das ist schon unglaublich niedlich, wenn Herr Dörflein seinem Zögling das Schwimmen beibringt oder mit ihm herumtollt. Aber um als homogene Doku zu gefallen, ist „Knut und seine Freunde“ einfach zu holprig zusammengeschustert. Knut-Gegner sollten den Film sowieso meiden, aber selbst Anhänger des Superstars werden zwischendurch auf harte Proben gestellt, wenn die Impressionen durch einen und denselben dudeligen Popsong vermiest werden – immer und immer wieder wird „That’s what friends do“ intoniert. Aber so eine Tortur tut man Freunden eigentlich nicht an...