Der wirtschaftliche Erfolg großer Kinoproduktionen hängt bekanntlich nicht mehr allein vom Einspielergebnis der Filme ab, sondern ebenso maßgeblich von der zumeist auf dem Fuß folgenden Merchandise-Orgie. Action-Figuren und Fastfood-Themenwochen gehören dabei längst zum Standardreportoire. Seit 2003 die „Animatrix“-DVD veröffentlicht wurde, etabliert sich nun zusätzlich zu den üblichen Merchandise-Märkten langsam ein weiteres Konzept: der inhaltliche Raum zwischen Film und Fortsetzung wird mit Episodenfilmen ausgefüllt. Und da eine Inszenierung im Stil der Originale natürlich zu kostspielig wäre, werden flugs Animationsfilmchen dazwischengestrickt. Bei „Animatrix“ wurde die Chance genutzt, das Matrix-Universum abseits der Haupthandlung auszugestalten. George Lucas zog mit den oberflächlichen Clone Wars als Bindeglied zwischen der zweiten und dritten Episode seines Weltraummärchens „Star Wars“ nach. Und nun reiht sich, angefeuert vom Hype um Christopher Nolans Dark Knight, auch das Batman-Franchise ein. „Batman: Gotham Knight“ erweist sich dabei leider sowohl auf inhaltlicher, als auch auf künstlerischer Ebene als Fehlschlag und verpasst die Gelegenheit, stimmig an Batman Begins anzuknüpfen.
In sechs Episoden erzählt „Gotham Knight“ Geschichten aus dem Zeitraum zwischen Batman Begins und Dark Knight. Den Anfang macht „Have I Got A Story For You“: Vier Skater-Kids prahlen mit spektakulären Batman-Beobachtungen und überbieten sich dabei an Fantasie – bis der dunkle Ritter auf der Jagd nach einem Verbrecher selber im Skate-Park auftaucht und sich schlicht als kostümierter Mensch erweist. In „Crossfire“ wird der geschnappte Übeltäter von zwei Polizisten eskortiert, die sich darüber streiten, ob Batman ein Freischärler oder ein Held sei. Als sie ins Kreuzfeuer zweier Gangs geraten (hier wird der in Dark Knight von Eric Roberts verkörperte Gangsterboss Sal Maroni eingeführt), eilt Batman ihnen zur Hilfe. „Field Test“ erzählt von einem Gerät, das Kugeln ablenken soll – dann aber einen Querschläger von seinem Ziel auf einen Kleinganoven ablenkt und Batman damit in einen Gewissenskonflikt stürzt. In der vierten Episode „In Darkness Dwells“ duelliert Batman sich mit den Killern Croc und Scarecrow, während im folgenden Part „Working Through Pain“ Erinnerungen an die Ausbildung des dunklen Ritters im Mittelpunkt stehen. Im finalen „Deadshot“ schließlich tritt Batman gegen einen Scharfschützen an, der es auf seinen Partner Lt. Gordon abgesehen hat...
„Gotham Knight“ ist pures Patchwork. Standen die Episoden der „Animatrix” als in sich geschlossene Erzählungen noch einzeln für sich, hängen die sechs Abschnitte hier zwar chronologisch voneinander ab, wirken vor allem aufgrund ihrer stark schwankenden Qualität aber dennoch zusammenhangslos. Für jede Episode wurde ein anderer japanischer Anime-Künstler engagiert. Nicht, dass es eine schlechte Idee wäre, Batman als Anime umzusetzen, doch vor allem in „Have I Got A Story For You“ ist der Stil so abgehoben, dass er Nolans recht realistische Neuinterpretation des Franchises völlig zuwiderläuft. Die folgenden Deutungen zeigen Bruce Wayne, den Menschen hinter der Maske, mal als schlaksigen Anzugträger, mal als muskulösen Hünen, der direkt aus dem „Street Fighter“-Anime entsprungen sein könnte. Ebenso pendelt die Atmosphäre von albern („Have I Got...“) über gruselig („In Darkness Dwells“) bis introvertiert („Working Through Pain“). Mehr Homogenität hätte „Gotham Knight“ als immerhin chronologische und anders als bei „Animatrix“ auf einen Charakter fixierte Erzählung deutlich genießbarer gemacht.
Was hat nun die inhaltliche Ebene zu bieten? Leider nicht viel. Eine Daseinsberechtigung hätte der Film mit einer durchdachten Fortsetzung der Themen aus „Batman Begins“ problemlos gehabt. Ist Batman der erhoffte Retter Gothams, oder lediglich ein Freischärler, der sich mit seiner Selbstjustiz den Verbrechern gleich über das Gesetz erhebt? Ist sein Kampf Rechfertigung genug, Unbeteiligte zu gefährden? Wie kann Bruce Wayne als Mensch hinter dem Symbol seine Rachegelüste bekämpfen? All diese Fragen werden aufgeworfen und dann zugunsten möglichst ausufernder Kampfsequenzen im luftleeren Raum stehen gelassen. Dass ein Anime anderen Gesetzen als ein Spielfilm folgt, steht außer Frage. Dennoch versucht „Gotham Knight“ sich bewusst an Nolans Version - und muss sich somit auch an deren für Genreverhältnisse realistischer Physik messen lassen. So taucht beispielsweise mit dem Killer Croc ein echtes Monster auf, was innerhalb von Nolans Neuinterpretation absolut inkonsequent ist. Die einzig interessante Geschichte ist in dieser Hinsicht „Working Through Pain“: Wayne lernt bei einer Fakir-Adeptin, mit Schmerzen umzugehen, und muss sich nebenher der unangenehmen Frage stellen, ob er sich durch das Training lediglich zur Kampfmaschine machen, oder auch etwas über das Wesen der Gewalt lernen will. Abgesehen von diesem kurzen Exkurs steht Comic-Action im Vordergrund – für Anime-Fans durchaus genießbar, als Appendix zu „Batman Begins“ aber wertlos.
Aufgrund des mangelnden Tiefgangs und der visuellen Zusammenhangslosigkeit wirkt „Gotham Knight“ wie eine x-beliebige Comicadaption ohne direkte Verbindung zum großen Spielfilmbruder – und das, obwohl sogar Batman Begins-Drehbuchautor David S. Goyer („In Darkness Dwells“) beteiligt war. Der Film entlarvt sich damit als kalkulierte Merchandise-Etappe auf dem Weg zu Dark Knight. Wer von Batman nicht genug bekommen kann, darf einen Blick auf „Gotham Knight“ riskieren, sollte dabei aber keine allzu großen Erwartungen hegen. Alle anderen können ruhigen Gewissens verzichten und sich stattdessen weiter auf Heath Ledgers umjubelte Joker-Darbietung freuen.