Irgendwie besteht Kinderunterhaltung mittlerweile nur noch aus Phänomenen. Egal, ob „Pokémon“, „Dragon Ball“ oder „Harry Potter“, heutzutage stürmen Franchises die Kinderzimmer nicht mehr nur mit Büchern, Filmen und Bettwäsche, sondern gleich mit einer ganzen eigenen Sub-Kultur im Handgepäck. Auch die italienische Animations-Serie „Winx Club“ ist ein solches Kultphänomen. Alles ist haargenau auf die Zielgruppe abgestimmt. Die sechs Freundinnen, die im Zentrum der Abenteuer stehen, entsprangen dabei allerdings nicht der Phantasie eines Kreativen, sondern stammen aus der Marktforschungs-Retorte. Mode, Schminke und Sprache – jeder einzelne Byte des Animationsuniversums ist darauf ausgelegt, Trends zu setzen, statt eine gute Geschichte zu erzählen. Auch wenn dabei wenig an Qualität herausspringt, zumindest verdient das produzierende Studio „Rainbow CGI“, das sich selbst als die italienische Antwort auf Disney sieht (ha, ha), damit den einen oder anderen Euro: Mit 600 verkauften Lizenzen weltweit hat das Franchise seit 2005 bereits schlappe 1,5 Milliarden umgesetzt. Nun kommt folgerichtig der erste Winx-Spielfilm in unsere Kinos. Aber auch „Winx Club – Das Geheimnis des verlorenen Königreichs“ von Regisseur und „Winx“-Schöpfer Iginio Straffi hängt der schwere Makel an, dass den richtigen Farbtönen der Gürtelschnallen offensichtlich bedeutend mehr Aufmerksamkeit als der eigentlichen Story gewidmet wurde.
Gerade erst haben Bloom (deutsche Stimme: Jeanette Biedermann) und ihre „Winx Club“-Freundinnen ihre Ausbildung auf dem Feen-Internat Alfea hinter sich gebracht, da wird ihre fantastische Welt Magix auch schon von dunklen Mächten bedroht. Drei einflussreiche Hexen versuchen mit all ihrer Macht, die Herrschaft über die magische Dimension an sich zu reißen. Gemeinsam mit ihren schnuckeligen Freunden, den sogenannten Spezialisten, machen sich die Nachwuchsfeen auf, um sich der düsteren Bedrohung in den Weg zu stellen. Dabei wird Bloom auch mit ihrer eigenen Vergangenheit konfrontiert. Einst kamen ihre Eltern und ihre Schwester beim Kampf gegen die Hexen ums Leben, weshalb Bloom bei Adoptiveltern in der Parallelwelt Gardenia aufwuchs. Nun offenbart sich Boom jedoch die Möglichkeit, nicht nur ihre Mama und ihren Papa, sondern ihre ganze zerstörte Heimatdimension Domino nachträglich zu retten…
Faragonda, die Direktorin von Alfea: „Was wir an Jugend eingebüßt haben, haben wir an Weisheit hinzugewonnen – wenn wir gut aufgepasst haben!“
Wenn die „Winx Club“-Mitglieder in einer der ersten Szenen gegen eine Horde ferngesteuerter Ritterrüstungen antreten, erweist sich dieser ungleiche Kampf als so absurd, dass der Nicht-Fan kurzzeitig die Hoffnung entwickelt, der Film könnte dank dieses Aberwitzes – ähnlich wie einst die Teletubbies – ein unerwartetes Kultpotential (vergleichbar mit der Wirkung von LSD) offenbaren. Da transformieren sich die Girlies in Power-Rangers-Manier zu magersüchtigen (!) Superhelden-Barbie-Top-Models mit Schmetterlingsflügeln und 1,30 Meter langen Beinen, die mit befremdlichen Ausdrücken wie „Zauberefeu“, „volle Drachenenergie“ und „Fusionsfeuer“ um sich werfen. Dazu hauen sie ihren Widersachern noch solche schlagfertigen Oneliner wie „Dann pudern wir ihnen mal die Näschen!“ um die Ohren. Trotz dieses furios-überdrehten Auftakts will die Handlung in der Folge aber einfach nie richtig in Gang kommen.
Schönling Sky zu seiner Angebeteten: „ Bitte, weine nicht – auch wenn Du mit Tränen in den Augen noch so schön bist!“
Dass die Story nicht an Fahrt gewinnt, liegt keinesfalls daran, dass sich Iginio Straffi, der auch das Drehbuch geschrieben hat, an gewissen Handlungspunkten zu lange aufhalten würde. Eher ist das genaue Gegenteil der Fall. Die einzelnen Szenen rasen nur so an einem vorbei, ohne dass sie nachvollziehbar in Bezug zueinander gesetzt werden würden. Bestes Beispiel: Die Winx-Feen werden aufgrund einer bösen Macht plötzlich von ihren eigenen Zauberkräften attackiert. Alle ziehen den Kürzeren und sinken ohnmächtig zu Boden. Schnitt. Ohne weitere Erklärung stehen die Feen alle wieder auf und eine von ihnen sagt sinngemäß: „So, jetzt haben wir unsere inneren Dämonen besiegt und sind an dieser Erfahrung gereift!“ Wie bitte??? Dies ist nicht der einzige Moment, in dem man sich als Zuschauer hochgradig verarscht vorkommt. Eine beliebige Aneinanderreihung von sinnlosen, im Endeffekt unzusammenhängenden Szenen können eine Spielzeit von 89 Minuten, auch wenn auf der Leinwand ständig irgendetwas passiert, wie Kaugummi in die Länge ziehen.
Fee in einem Raumschiff, das einen fliegenden steinernen Adler verfolgt: „Knöpfe, Lichter, Schalter – lauter verrückte Jungssachen. Aargh!“
Fazit: Für alle Männer und weiblichen Kinobesucher, die nicht zwischen acht und zwölf Jahre alt sind, heißt es bei dieser Mischung aus Barbie-Verfilmung, „Germany‘s Next Topmodel“, „Aschenputtel“, einer Highschool-Comedy, einer Teenie-Romanze und Harry Potter: „Wir müssen leider draußen bleiben!“ „Winx Club – Das Geheimnis des verlorenen Königreichs“ ist modernes Zielgruppenkino, das Fans gibt, wonach sie dürsten, dabei aber objektive filmische Qualitäten und selbst dramaturgische Basics sträflich vernachlässigt.