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    Timecrimes - Mord ist nur eine Frage der Zeit
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,0
    solide
    Timecrimes - Mord ist nur eine Frage der Zeit
    Von Jannik Zschiesche

    In den vergangenen Jahren entwickelte Hollywood ein stetig steigendes Interesse an US-Remakes ausländischer Filmerfolge. Dabei kamen die Vorlagen zunächst vornehmlich aus dem asiatischen Raum (The Ring, The Grudge, Shutter). Doch inzwischen schlägt immer mehr die Tendenz durch, die ganze Welt als cineastischen Supermarkt zu begreifen: Ob nun Michael Haneke seinen eigenen Skandalstreifen Funny Games in den USA nachdreht oder Hollywood direkt nach dem Spanien-Start von Das Waisenhaus ein Remake ankündigt – die Produzenten der Traumfabrik befinden sich offensichtlich auf einer gewaltigen globalen Einkaufstour. Dieses Schicksal steht nun wohl auch Nacho Vigalondos Langfilmdebüt, dem Zeitreise-Noir-Thriller „Timecrimes“, ins Haus. Das Studio United Artists hat bereits den Children Of Men-Autor Timothy J. Sexton ins Boot geholt, um den für 2009 angepeilten Kinostart der US-Version voranzutreiben.

    Wie fühlt man sich wohl, wenn man sich plötzlich selbst - in seinem eigenen Gartenstuhl sitzend - beobachtet? Eine absurde Frage, auf die Héctor (Karra Elejalde) aber sicherlich eine Antwort wüsste. Eben noch ist er vor einem irren Killer mit einer rosa Bandage um den Kopf in den Wald geflohen, da entdeckt er auf einem Hügel ein Silo, in dem ein junger, schrulliger Wissenschaftler (Regisseur Vigalondo höchstpersönlich) hockt. Der Forscher versteckt den gehetzten Ankömmling in einen futuristischen Wassertank, damit sich dieser dort vor seinem Verfolger verstecken kann. Als der Deckel des Tanks sich wieder öffnet, findet Héctor sich jedoch eineinhalb Stunden in die Vergangenheit versetzt vor. So sieht er sich nicht nur selbst im Gartenstuhl sitzen, der unfreiwillige Zeitsprung hat auch noch eine ganze Reihe weiterer gefährlicher Nebenwirkungen zur Folge…

    Das Problem vieler Zeitreisefilme ist, den Zuschauer davon zu überzeugen, dass der Ablauf in sich stimmig ist. Oftmals entgleitet den Filmen die innere Logik komplett und die Story wirkt dann zwanghaft konstruiert. Auch stellt sich in diesem Genre fast zwangsläufig die Henne-Ei-Frage - vor allem, wenn es durch die Zeitreisen zu einer zirkulären Beschreibung der Geschehnisse kommt. So ist häufig die Folge einer Handlung schlussendlich ihre eigene Ursache. In „Timecrimes“ liegt die Sache nicht anders: Gewisse Story-Abschnitte benötigen die (spätere) Zeitreise, um überhaupt stattzufinden. Ohne die fraglichen Vorkommnisse wäre es aber nie zu dem Zeitsprung gekommen. Bei „Timecrimes“ fällt dieses Logikproblem jedoch nicht sonderlich ins Gewicht, denn Regisseur Vigalondo legt den Fokus seines Films vielmehr auf die Noir- und Thriller-Elemente als die Science-Fiction- und Wissenschafts-Bezüge.

    Abgesehen von der Zeitreiseproblematik hat der Film noch eine weitere dramaturgische Schwäche. Die langwierige Einführung arbeitet auf einen Wendepunkt hin, der leider nicht so überraschend ist, wie er eigentlich sein sollte. Nach wenigen Minuten hat der Zuschauer den nun folgenden Ablauf bereits durchschaut. Die überraschenden und erstaunenden Wendungen bleiben aus und die zweite Hälfte wirkt – mit wenigen Ausnahmen – wie das Abspielen eines vorgefertigten Programms. Dies ist insbesondere deshalb schade, da die Grundidee der Geschichte durchaus erfrischend und innovativ ist, der Film durch den vorhersehbaren Aufbau allerdings deutlich an Reiz verliert.

    Karra Elejalde („The Nameles“) spielt Héctor als zwischen dauerhafter Verwirrung und grimmiger Bestimmtheit agierenden Charakter, der selbst in mehrfacher Ausführung keinen Funken seiner Präsenz einbüßt. Bárbara Goenaga kann als geheimnisvolle Fremde, der Héctor das erste Mal im Wald begegnet, nicht nur durch viel nackte Haut überzeugen – gerade ihre gemeinsamen Szenen mit Elejalde sind für ein paar Lacher gut, die dem ansonsten ernsthaften Film ein paar auflockernde Momente verschaffen. Eine echte Überraschung ist Regisseur Nacho Vigalondo selbst – als Nachwuchswissenschaftler, der sich zwischen den verschiedenen Héctors hin- und hergerissen fühlt, beweist er ein hohes Maß an Selbstironie.

    „Timecrimes“ verfolgt thematisch bedingt den interessanten Ansatz, gewisse Szenen aus mehreren Perspektiven zu zeigen. Diese Idee hatten sicherlich auch schon andere Filme: Beispielsweise wurde in 11:14 das Geschehen rund um einen Unfall aus wechselnden Perspektiven betrachtet. Ein weiterer, taufrischer Kandidat ist 8 Blickwinkel, in dem der Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika einem Attentat zum Opfer fällt. Wie und warum es zu dem Anschlag kam, wird erst durch die wiederholte Erzählung der Geschichte aus der Sicht verschiedener Personen nach und nach deutlich. Der große Unterschied zwischen „Timecrimes“ und den genannten Beispielen ist jedoch, dass hier die Handlung stringent abläuft: Alle Szenen sind in der Reihenfolge aneinandergefügt, wie auch Héctor sie erlebt. In 11:14 und Konsorten verläuft die Handlung hingegen nicht geradlinig, stattdessen wird immer wieder zum Beginn des Geschehens zurückgesprungen, um es aus einer anderen Perspektive von vorne zu erzählen. So ist „Timecrimes“ doch um einiges innovativer, als es im ersten Augenblick den Anschein hat.

    Fazit: Alles in allem verbleibt nach dem Betrachten des Films das flaue Gefühl, dass aus dem Stoff noch viel mehr rauszuholen gewesen wäre. Die Grundidee ist sehr einfallsreich, die Inszenierung makellos, nur der schwächelnde Spannungsbogen vereitelt die erhoffte Genreperle.

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