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    Sieben Tage Sonntag
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,0
    solide
    Sieben Tage Sonntag
    Von Nicole Kühn

    „Sieben Tage Sonntag“: Was ein Traum vieler ausgelaugter Schichtarbeiter sein könnte, ist in Niels Lauperts Spielfilmdebüt die Hölle. Der junge Regisseur zeigt, wie verheerend es sein kann, als perspektivloser Jugendlicher zu sieben Tagen Sonntag verdammt zu sein. Basierend auf einer wahren Begebenheit aus dem Jahre 1996 stürzt er sich und sein Publikum ungefiltert in ein Leben, wie es die Kinder trostloser Trabantenstädte nicht anders kennen. In nüchterner Erzählweise führt er vom alltäglichen Kampf um Anerkennung und Orientierung zu einem Ausbruch unfassbarer Aggressionen, die sich gegen völlig Unbeteiligte richten. Dem schockierten Zuschauer liefert er dabei ganz bewusst weder Erklärungen noch Interpretationen.

    Der 14. Januar 1996 ist ein Sonntag. Ein Tag, der sich für die jugendlichen Bewohner einer Hochhaussiedlung kaum von anderen Tagen unterscheidet. Die meisten haben die Schule ohne weitere Perspektive abgebrochen, das Leben spielt sich zwischen unwirtlichen Betonplätzen und noch unwirtlicheren Wohnungen ab, in denen der Mangel an jedweder Heimeligkeit die Bewohner aus jeder Ecke anspringt. Adam (Ludwig Trepte) ist anders. Eine wunderbare Eingangssequenz stellt den Jungen in seiner ganzen Zwiespältigkeit vor. Zu treibender Musik trainiert er Kampfsport vor dem Plakat seines Idols Bruce Lee, das schnell einem Marienbildnis weichen muss, als die Oma nach Hause kommt. Wie jeden Sonntag geht Adam zu seinem Ministrantendienst, um später - angestachelt von seinem Freund Tommek (Martin Kiefer) - mit Wein aus der Sakristei bei den Mädchen Eindruck zu schinden. Während die hübsche Sarah ihm offensichtlich sehr zugetan ist, kann sich der schüchterne Adam nicht entscheiden, wem er lieber gefallen möchte: dem toughen Tommek oder der pflichtbewussten Sarah. Am Abend bei einer Party erreichen die unerfüllten Sehnsüchte einen neuen Höhepunkt: Plötzlich steht die Wette im Raum, ob Adam in der Lage ist, einfach den nächst besten Menschen zu töten. Am Anfang war das Wort…

    Laupert hat seinen erschütternden Film mit einem Kraftakt innerhalb von nur 16 Drehtagen mit kaum erwähnenswertem Budget auf die Beine gestellt. Doch bedurfte es glücklicherweise auch nicht Unmengen an Geld, da sich die farblosen, von Beton und Grau dominierten Kulissen im Osten der Republik immer noch relativ leicht finden lassen. Ein weiterer Trumpf sind die beiden Hauptdarsteller: Ludwig Trepte (Kombat Sechzehn) und Martin Kiefer (Paulas Geheimnis, Falscher Bekenner) bewältigen ihre Parts glänzend. Während Adam anzusehen ist, wie er verzweifelt versucht, mit Männlichkeitsattitüden über sein eigentlich zartes Wesen hinwegzutäuschen, schimmern durch die knallharte Fassade Tommeks immer wieder Augenblicke der Verletzlichkeit durch. Die musikalische Untermalung reicht von Portishead bis Babyshambles und vertont damit die sprunghafte Emotionalität der Protagonisten, die ihre eigenen Gefühle jedoch selbst in keinem Moment adäquat ausdrücken können. Die Kommunikation zwischen Adam und Tommek bleibt floskelhaft, während sie den authentischen Ansprachen von Sarah immer wieder ausweichen.

    Die kluge Kamera von Christoph Dammast tut mit starken Cinemascope-Einstellungen ein Übriges, um die Leere und Gleichförmigkeit im Leben der jungen Menschen spürbar zu machen. Laupert beobachtet das Geschehen bis zur Tat sehr genau, ohne dabei direkte Schuldzuweisungen auszusprechen oder den Ausbruch auf singuläre Ereignisse zurückzuführen. Die wenigen Erwachsenen, die im Leben der Jugendlichen erscheinen, sind wie Adams Oma (Karin Baal) selbst überfordert und ausgelaugt. Leider stößt Laupert irgendwann dann doch noch auf die unvermeidlichen Verdächtigen, die als Erklärungsmuster für das Unfassbare herhalten müssen: emotionale und zum Teil auch materielle Verwahrlosung, Perspektivlosigkeit, Sinnlosigkeit und jegliches Fehlen von Möglichkeiten, sich seines Selbstwertes zu versichern. Insofern kann er seinem eigenen Anspruch, keine einfachen und linearen Antworten à la Hollywood zu liefern, nicht völlig gerecht werden.

    Eines seiner größten Probleme macht sich der Film selbst: Während er einerseits völlig zu Recht darauf abzielt, dass die soziale Dysfunktionalität Jugendlicher erschreckende Ausmaße annimmt, betont er andererseits intensiv seinen Bezug zu einem ganz konkreten Fall. Die Wucht des Gezeigten wird weder durch Adams Off-Kommentare noch durch die abschließenden Ausführungen zu den (strafrechtlichen) Folgen der Tat verstärkt, eher ist das Gegenteil der Fall: Die Tat erscheint als für sich stehendes Einzelphänomen. Den Dokumentarfilm hierzu will Laupert demnächst nachliefern und man darf gespannt sein, welche zusätzlichen Umstände dieser enthüllen wird. Die vorliegende fiktionale Aufarbeitung des Themas kann sich jedoch nicht so recht entscheiden, ob sie nun (unterstellte) innere Vorgänge der Täter herausarbeiten oder sich rein auf die Fakten und deren Darstellung beschränken möchte. SPOILER: So wird im Film eine Distanzierung Tommeks von Adam und seiner Tat angedeutet, die annehmen lässt, dass hinter seiner großen Klappe keine wirkliche Gewaltbereitschaft stand, während der allzeit nette Adam ekstatisch über alle Stränge schlägt. Diese Auslegung der Ereignisse passt jedoch kaum zum später wiedergegebenen Statement, dass beide bei der Verhandlung darauf bestanden, als Haupttäter in die Akten aufgenommen zu werden. SPOILER ENDE

    Fazit: „Sieben Tage Sonntag“ ist ein Erstlingsfilm wie ein Fausthieb, in der Darstellung mittenrein und schmerzhaft, auf der inhaltlichen Ebene allerdings noch ausbaufähig - trotz einer gewissen Ungeschliffenheit ein sehenswerter Film, der dorthin schaut, wo zu oft weggeschaut wird.

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