Tim Burton gehört mittlerweile zu den kassenträchtigsten Regisseuren überhaupt, sein 3D-Märchen „Alice im Wunderland" von 2010 hat sogar die magische Milliarden-Dollar-Marke beim weltweiten Einspielergebnis geknackt. Dabei war der Beginn seiner Karriere ein einziges großes Missverständnis: Nachdem er gemeinsam mit solch berühmten Kommilitonen wie Henry Selick („Coraline") oder John Lasseter („Toy Story") Animation studiert hatte, trat Burton Anfang der 80er Jahre seinen ersten Job bei Disney an. Dort erschuf er Figuren für Zeichentrickfilme, doch seine Entwürfe waren so düster und schräg, dass sie allesamt wieder verworfen wurden. Nebenbei verwirklichte er seinen Kurzfilm „Vincent " und wollte nun unbedingt seinen ersten Langfilm mit derselben Stop-Motion-Animationstechnik realisieren. Doch Disney war das zu teuer, stattdessen sollte Burton seine schwarzweiße Frankenstein-Hommage „Frankenweenie" als halbstündigen Realfilm drehen, der dann als Vorfilm vor einer Wiederaufführung von „Pinocchio" in den Kinos laufen sollte. Aber erneut war das Ergebnis den Verantwortlichen zu düster: Der Film landete erst einmal im Giftschrank und Burton wurde wegen der Verschwendung von Ressourcen gefeuert. Etliche Kassenerfolge später haben die Disney-Bosse umgedacht und dem eigenwilligen Filmemacher angeboten, „Frankenweenie" doch noch wie damals erträumt umzusetzen. Burton sagte sofort zu und nun kommt sein 3D-Remake in Spielfilmlänge mit fast 30 Jahren Verspätung tatsächlich in die Kinos: Das Warten hat sich gelohnt!
Der zehnjährige Victor Frankenstein (Stimme: Charlie Tahan) lebt mit seinen Eltern und seinem geliebten Hund Sparky in der verschlafenen Kleinstadt New Holland. Doch als Victor bei einem Baseballspiel seinen ersten Home Run schlägt, springt Sparky dem Ball auf die Straße hinterher und wird von einem Auto totgefahren. Victor ist untröstlich, bis sein Lehrer Mr. Rzykruski (Martin Landau) im Klassenzimmer ein Experiment vorführt, bei dem er die Beine eines toten Frosches mit Hilfe von Elektroschocks zucken lässt. Daraufhin beschließt der technisch begabte Victor, seinen begrabenen Hund mit derselben Methode wieder zum Leben zu erwecken. Das Experiment gelingt: Sparky muss fortan zwar immer wieder elektrisch aufgeladen werden, aber ansonsten ist er quietschlebendig. Doch wie erklärt man den Frankenstein-Hund mit Nähten am ganzen Körper und zwei Schrauben im Hals am besten den Nachbarn? Und dann gibt es da ja auch noch Victors Mitschüler, die sich von ihm beim anstehenden Wissenschaftswettbewerb nicht so einfach übertölpeln lassen wollen und deshalb ihre eigenen folgenschweren Haustier-Experimente anstellen...
Die nächstliegende Inspirationsquelle ist meistens auch die beste. Als Jugendlicher war Tim Burton („Batman", „Sleepy Hollow") ein großer Fan von klassischen Horrorfilmen und hatte eine tiefe emotionale Bindung zu seinem Hund, der dann jedoch starb. Fertig ist die Idee zu „Frankenweenie"! Und diese persönliche Beziehung merkt man dem Film auch an: Obwohl auch die vorherigen Burton-Filme „Alice im Wunderland" und „Dark Shadows" visuell herausragten, entpuppten sie sich letztendlich doch weitgehend als kühl kalkulierte Blockbuster-Spektakel. „Frankenweenie" glänzt dagegen nicht nur mit seinem stimmungsvollen Schwarzweiß-Look, hier zeigt sich auch wieder ganz deutlich Burtons ehrlich empfundene Zuneigung zu schrägen Außenseitertypen, die schon seine frühen Werke „Beetlejuice" und „Edward mit den Scherenhänden" zu so individuellen Meisterstücken machte.
Die erste Szene von „Frankenweenie" ist auch gleich die stärkste: Victor führt seiner Familie im Wohnzimmer einen selbstgedrehten 3D-Miniaturen-Monsterfilm vor, in dem Sparky die Rolle von Godzilla übernimmt. Eine schönere Liebeserklärung hätte Burton dem (Horror-)Kino kaum machen können! Man muss die unvergesslichen Universal-Klassiker der 1930er und 40er Jahre („Die Mumie", „Der Wolfsmensch" & Co.) nicht zwingend kennen, um an „Frankenweenie" seinen Spaß zu haben. dafür ist der Film viel zu sehr mit herrlich trockenem Humor vollgestopft (so witzig war Burton seit „Mars Attacks!" nicht mehr). Nichtdestotrotz üben die Hommage-Elemente gerade auf Horror-Freunde einen unwiderstehlichen Reiz aus: Von der stilechten Schwarzweiß-Fotografie und Danny Elfmans verspielt-anspielungsreicher Musik über das Frankenstein-Thema bis hin zum finalen Monster-Mashup (inklusive Mumien-Hamster, Schildkröten-Monster und Vampir-Katze) gilt es für Kenner etliche augenzwinkernde Verweise zu entdecken.
Fazit: Tim Burton in Bestform: Ein herzerwärmendes Horror-Märchen!
PS: Wenn ihr euch Tim Burtons „Vincent" und „Frankenweenie" (von 1984) als Vorbereitung auf den Kinobesuch noch einmal anschauen wollt, findet ihr die beiden Kurzfilme auf Youtube.