Sie wollen sich weder dem Kunstmarkt anbiedern noch die große Kohle machen. Sogenannte Self-Made Artists, Outsider Artists oder Visionary Artists wollen einfach nur ihr Ding durchziehen. Im Süden der USA traf der deutsche Regisseur Christoph Schuch („Der Traum ist aus – Die Erben der Scherben“) auf viele solcher Menschen, die ohne Geld und akademische Ausbildung ihre künstlerischen Phantasien verwirklichen. Zurück in Europa machte sich der Filmemacher an die Recherche. Dabei stieß er auf ein Foto vom Yogagarten des finnischen Künstlers Vejo Rönkkönen. Sofort war Schuch klar, dass er diesen magischen Ort unbedingt aufsuchen wollte. Bei weiteren Nachforschungen kristallisierte sich außerdem immer mehr heraus, dass Finnland die Hochburg der europäischen Self-Made-Künstler ist. Und so kam es, dass Schluch schließlich mit seinen Kollegen, dem Kameramann Marcus Lenz und dem Tontechniker Peter Carstens, zu einem dreiwöchigen Filmdreh nach Finnland aufbrach. Insgesamt fünf außergewöhnliche Künstlerpersönlichkeiten haben die Dokumentarfilmer dabei mit ihrem feuerroten Ford Mustang abgeklappert. Eigentlich die besten Voraussetzung für eine bunte, magische, sympathische, skurrile, wundersame Doku. Doch das Ergebnis „Self-Made Paradise“ enttäuscht. Nur in einem der fünf Fälle sind die Filmemacher wirklich zu dem Künstler durchgedrungen, die übrigen vier Begegnungen bleiben auf der unpersönlichen Ebene eines Frage-und-Antwort-Spiels hängen.
Vejo Rönkkönen: „Ich finanziere meine Kunst nicht mit dem Geld anderer Leute. Ich mache nur, was ich mir leisten kann. So kann sich keiner darüber beschweren, was ich mache.“
Zunächst besuchen die Filmemacher Vejo Rönkkönen. In dessen Garten stehen Massen an Skulpturen, die ihre Glieder in Yoga-Posen von sich strecken. Das zweite Ziel ist das Haus von Seppo Suomensyrjä. Der ehemalige Fabrikarbeiter fertigt poppige Schrottskulpturen – von Cowboys und Indianern über Elvis Presley und riesigen E-Gitarren bis hin zu Flamingos ist alles dabei. Yoga-Fan Vejo und Hobby-Autoschrauber Seppo sind faszinierende Persönlichkeiten, deren Entdeckung sich zweifelsohne lohnt. Doch den Filmemachern gelingt es nicht, die Kluft zwischen sich und den Künstlern zu überwinden. Zu statisch ist die Art des Filmemachens, zu unpersönlich die Interviews – in dieser Hinsicht ist „Self-Made Paradise“ das genaue Gegenteil von Franz Xaver Gernstls warmherziger Doku Gernstls Reisen - Auf der Suche nach dem Glück. Wo der sympathische Bayer mit jedem sofort ins Gespräch kommt, bleiben die Künstler bei Schuch stets distanziert. Dazu passt auch, dass die Ausschnitte aus dem Leben der Protagonisten allesamt gestellt wirken. Egal ob Holzhacken, das Gespräch mit der Mutter oder der Sprung in den See - nichts erweckt den Eindruck von Natürlichkeit, alles scheint für die Kamera inszeniert.
Die nächste Station führt die Suchenden zu Johannes Setälä, der von seinen Freunden nur „die Feuerwacht des Nordens“ genannt wird. Der ehemalige Jazzmusiker wendete sich vor mehr als 30 Jahren dem Schamanismus zu, als dieser noch ein absolutes Tabuthema war. Seitdem nutzt Johannes die Abgeschiedenheit des ländlichen Lebens, um sich intensiv mit dem finnischen Nationalepos Kalevala auseinanderzusetzen. Der Schamane gibt sich um einiges natürlicher als die Künstler vor ihm. Doch auch hier wirken eine trommelnde Geistervertreibung und das Dartspiel mit Freunden merkwürdig gestellt. Im Hafen von Helsinki entdecken die Filmemacher eine schwimmende Tretboot-Ente, in deren Bauch sich eine geräumige Sauna verbirgt. Besitzer und Dauerschwitzer Marko wird kurzerhand als Dolmetscher rekrutiert und auf die weitere Reise mitgenommen.
Es geht nach Lappland, wo das Fotografen-Enfant-Terrible Kari Tykkyläinen sein Unwesen treibt. Der passionierte Biker fotografiert überwiegend Frauen aus den Nachbardörfern in sinnlich-komischen Posen – und zwar mitten im matschigen Sumpf. Kari erzählt, er würde zwar immer mal wieder versuchen, etwas Schönes zu erschaffen, aber im Endeffekt würde doch immer etwas Hässliches dabei herauskommen, so sei die Welt nun einmal. Sowieso erzählt Kari viel mehr als seine Vorgänger. Ob dies nun am Dolmetscher und damit der Überwindung der Sprachbarriere oder an Karis extrovertierter Art liegt, lässt sich für den Zuschauer nicht nachvollziehen, aber auf jeden Fall weht plötzlich ein frischer Wind. Dankenswerter Weise ist diese Episode, die als einzige das Prädikat „mitreißend“ verdient, auch die mit Abstand längste. Zum Abschluss wird noch dem Landwirt Nilo, der seinen ganzen Bauernhof mit Skulpturen zugepflastert hat, ein Besuch abgestattet. Es gibt interessante Fakten zum Ansehen und Renommee der Self-Made Artists zu hören, doch der gerade aufgekommene Schwung wird leider nicht beibehalten.
Fazit: Die Self-Made-Künstler, die Regisseur Christoph Schuch und sein Team auf ihrem Road Trip durch Finnland treffen, sind ein paar echte, entdeckungswürdige Unikate. Aufgrund der extrem statischen, unpersönlichen Art des Filmemachens will der Begeisterungsfunke aber dennoch nicht so recht überspringen.