Während die modernen US-amerikanischen Dokumentarfilm-Produktionen wie Davis Guggenheims Eine unbequeme Wahrheit oder Nadia Conners und Leila Conners Petersens ähnlich gelagerte Botschafts-Doku The 11th Hour die ökologische Katastrophe, auf die die Menschheit zusteuert, ganzheitlich und mit Starpower (von Al Gore bzw. Leonardo DiCaprio) im Gepäck angehen, wählt der Schweizer Christoph Kühn für seine Umwelt-Doku „Bruno Manser – Kampf um den Regenwald“ den gegenteiligen Ansatzpunkt. Er demonstriert im Kleinen, was global aus dem Ruder zu laufen droht, indem er die Spuren des im Jahr 2000 in Borneo verschollenen Basler Umwelt- und Menschenrechtsaktivisten Bruno Manser in einer filmischen Collage präzise und stimmungsvoll nachzeichnet.
Im Alter von 30 Jahren erfüllt sich Bruno Manser (geboren am 25. August 1954 in Basel) seinen Lebenstraum. Er bricht in den Dschungel Borneos auf, um dort im Regenwald zwischen 1984 und 1990 bei dem Urvolk der Penan zu leben. Er will „von einem Volk lernen, das noch nahe an seinem Ursprung lebt“. Nach dem Gymnasium durchläuft Manser mehrere handwerkliche Ausbildungen, um auf das Leben im Urwald vorbereitet zu sein. Die Penan nehmen den lernwilligen Schweizer anstandslos in ihrer Mitte auf. Hier lernt er die Sprache und wird zum Sprachohr der Interessen der Ureinwohner. Dessen Lebensraum ist durch die Profitsucht der lokalen Holzunternehmen, die den tropischen Regenwald nach und nach roden, bedroht. Manser macht sich schnell viele Feinde. In Sarawak, einer autonomen Provinz Malaysias, wird ein Kopfgeld in Höhe von 50.000 Dollar auf ihn ausgesetzt und er selbst zur unerwünschten Person erklärt. 1990 kehrt Manser in die Schweiz zurück, um von dort aus seinen Widerstand effektiver zu gestalten. Seine spektakulären Aktionen sorgen weltweit für Aufsehen. So tritt Manser 1993 vor dem Parlamentsgebäude in Bern 60 Tage in den Hungerstreik, um gegen den Import von Tropenhölzern zu protestieren. 1999 riskiert er einen Gleitflug auf die Residenz des Ministerpräsidenten von Sarawak. Daneben veranstaltet er diverse Ausstellungen, um auf das Schicksal der Penan aufmerksam zu machen.
Dokumentarfilmer Christoph Kühn, der Manser nur einmal kurz zu Lebzeiten begegnete, wählt einen cleveren Zugang zu der Materie. Selbstverständlich hat er den Werdegang seines Protagonisten eingehend studiert und bereits ein Gespür für dessen Persönlichkeit entwickelt - doch erst mit der Entscheidung, Mansers Wege im Dschungel Borneos selbst (im Jahre 2006) noch einmal nachzugehen und ehemalige Weggefährten aus den Reihen der Penan ausführlich zu Wort kommen zu lassen, wird sein Film richtig rund und elegant. Aus einer möglicherweise schnöden Nacherzählung erwächst ein dezent-lebendiges Stück Film, das Kühn zu einer Collage verdichtet. Neben den eigenen, neuen Bildern und Interviews flechtet der Filmemacher Zeichnungen, Fotographien sowie Tonband- und Fernsehaufnahmen Mansers ein, zitiert aus den detailverliebten Tagebüchern, um so aus der Gesamtheit verschiedener Ausdrucksformen ein komplexes Bild seines Porträtierten zu schaffen. Mit eigenen Off-Kommentaren hält sich Kühn vornehm zurück, fügt nur die nötigsten Informationen zusammen, damit der Zuschauer sich einen Eindruck machen kann.
Sicherlich ließe sich Kühn vorwerfen, dass er den Penan für den Fluss der Geschichte ein wenig zuviel Leinwandzeit einräumt, aber dies kann ebenso als Zeichen des Respekts angesehen werden. Die Anekdoten der Urwaldbewohner taugen sehr wohl dazu, einen ungefähren Eindruck von Mansers Zeit im Dschungel zu vermitteln - und sie ergänzen die allgemeine Meinung der Öffentlichkeit, die ihn nur durch seine oft haarsträubenden Aktionen als unverwüstlichen, manischen Kämpfer für die gute Sache kennt. So arbeitet Kühn Mansers Kern als Romantiker und Mystiker heraus, der lernen musste, dass das reale Leben im Urwald mit seinen ursprünglichen Phantasiegespinsten nicht viel gemein hatte. „Ich möchte alle Fabriken, die nicht lebensnotwendig sind, dem Erdboden gleichmachen. Einen großen Wald mit klaren Bächen und vielen Tieren an dieser Stelle leben lassen“, schrieb Manser einmal. Doch es kam genau andersherum. Die Holzfabrikanten machten den Lebensraum der Penan dem Erdboden gleich und reduzierten das Gebiet um 90 Prozent. Das frustrierte ihn unendlich.
Im Mai 2000 entschloss sich Manser, den es immer wieder zurück in den Dschungel zog, zu einer letzten Fahrt, die er trotz Einreiseverbot im indonesischen Teil Borneos antrat. Über die grüne Grenze wollte er ins malaiische Sarawak zu den Penan vorstoßen. Dort verlieren sich seine Spuren. Offiziell gilt er seit dem 25. Mai 2000 als verschollen, sämtliche Suchaktionen verliefen erfolglos. Im März 2005 erklärte ein Basler Zivilgericht Manser amtlich für tot. Weder Überreste seiner Person noch seiner Ausrüstung wurden je gefunden. Regisseur Kühn enthält sich in seinem Film jeglichen Vermutungen über Mansers wahrscheinliches Ableben. Ob er von Kopfgeldjägern getötet wurde, einem Schlangenangriff erlag (ein früherer Biss setzte ihn bereits ein halbes Jahr außer Gefecht) oder an anderen Widrigkeiten scheiterte, wird wohl nie mehr geklärt werden.
Fazit: Christoph Kühn gelingt mit „Bruno Manser – Kampf um den Regenwald“ ein durch und durch unaufgeregtes, aber dennoch eindringliches Plädoyer für den Umweltschutz und die Menschenrechte, das ganz beiläufig das Leben der Penan für eine westliche Öffentlichkeit dokumentiert.