Regisseur Anthony Waller („Schuldig – Ein mörderischer Auftrag“) und Hauptdarsteller Adrian Paul („The Heavy“) haben sich des gleichen, nur schwer verzeihbaren Vergehens schuldig gemacht. Beide hatten maßgeblichen Anteil an der Verwurstung eines Klassikers durch ein missratenes und verzichtbares Sequel. Während Waller das Erbe von John Landis’ effektprägendem Horrorschocker „American Werewolf“ mit der Stangenware „An American Werewolf In Paris“ befleckte, verging sich Paul spätestens mit dem Kokoloreskondensat Highlander 5 an Russell Mulcahys Kultstreifen aus den 1980ern. Die Zusammenarbeit beider ließ also Ungutes befürchten. Zu Unrecht, wie „Nine Miles Down“ beweist, bei dem Waller nicht nur als Regisseur, sondern auch als Drehbuchautor, Produzent und Schauspieler fungierte. Zwar kann der Psycho-Horror nie seinen B-Charakter verhehlen, dennoch unterhält er gerade im packenden Mittelteil dank netter inszenatorischer Einfälle.
„I used to think hell is in your head and heaven in your heart. Now it feels like it’s the other way around“.
Seit drei Tagen ist der Funkkontakt mit der Crew einer Bohrstation mitten in der marokkanischen Sahara abgebrochen. Thomas Jackman (Adrian Paul) soll im Auftrag einer Sicherheitsfirma nach dem Rechten schauen. Dort angekommen ist die gesamte Anlage verwaist. Die Wände sind mit blutigen Warnungen und obskuren Zeichen verschmiert, in einem Raum wurde ein Schakal offenbar in einer Art Ritus massakriert und in der ersten Nacht befallen Jackman Wahnbilder. Die Überraschung ist groß, als er am nächsten Tag auf die atemberaubende Dr. Jennie Christianson (Kate Nauta, The Transporter – The Mission, Daddy ohne Plan) trifft. Sie berichtet, sie sei die letzte Überlebende, da all die anderen Forschungsteilnehmer sich gegenseitig umgebracht hätten. Jackman, der zur Sicherung der Station gezwungen ist mit Christianson vor Ort zu bleiben, wird verstärkt von Wahnvorstellungen heimgesucht. Am folgenden Tag bekommt er über Funk mitgeteilt, dass gar keine Frau auf der Bohrstation arbeitete…
Nicht erst seit der Dharma Initiative in serie,Lost gelten (verlassene) Forschungsstationen als vielversprechende Stätten für Mysterien. Wo die Wissenschaft an ihre Grenzen stößt, ist der Horror nicht weit. „Nine Miles Down“ verarbeitet Versatzstücke aus John Carpenters Das Ding aus einer anderen Welt (die Forschungsstation und die vonstatten gegangene Crewdezimierung) sowie Stanley Kubricks The Shining (die von Visionen und Wahnbildern geplagten Isolierten). Auch wenn Waller in der Schakalszene Carpenters Alien-Klassiker zitiert, lodern diese Ansätze hier im Vergleich freilich auf qualitativer Sparflamme. Tiefenbohrung als Metapher für das Eindringen ins Unterbewusste und Verdrängte ist wenig subtil, aber innerhalb des Films sinnig. Nachdem Jackman die erste Viertelstunde die Bohranlage erkundet, gewinnt der Film an Fahrt, als Dr. Christianson die Szenerie betritt und somit die Grundkonstellation geschaffen ist. Im Folgenden wird der Film zu einem in verschiedenen Räumen ausgetragenen „Kammerspiel light“, das zwar auch den Zuschauer, aber in erster Linie vor allem Jackman selbst im Unklaren darüber lässt, ob die mit einem Modelkörper ausgestattete Wissenschaftlerin nur ein Trugbild oder gar der Teufel persönlich ist? Hat sie die anderen umgebracht oder ist sie nur entkommen? Aufgrund des Schwebezustands dieser Fragen weiß man zwei Drittel des Films nicht, ob man es mit einem Psychothriller oder einen Monster-Horror zu tun hat. Doch hat diese Ungewissheit durchaus ihren speziellen Reiz.
Es gelingt Waller recht lange, die Spannung zu halten, was auch an den kleinen inszenatorischen Bonbons liegt. Ob eine Hundertschaft alarmierend ans Fenster tappender Hände, eine endlos replizierte Spiegelszene, die das Ende vorwegnimmt, oder eine pikant-ekelhafte Küchenszene, in der Jackman seine Seele abtritt – der Film ist am stärksten, wenn Waller Situationen zuspitzt und sich nicht mit flachen Dialogen selbst in den Rücken fällt.
Neben den Dialogen können einem die teils sehr bemühten Bestrebungen aufstoßen, Kate Nauta möglichst doppeldeutig zu inszenieren. Ebenfalls ermüdend, weil unnötig, sind die kruden und billigen dazwischengeschnittenen Schockframes. Die zwischen Pathos und Mystery-Esoterik mäandernde Musik trotzt einem wiederholt ein Schmunzeln ab, genau wie die für ein B-Movie typischen Logikaussetzer, die das Filmvergnügen effektiv aber nicht einschränken. Was macht eine Blondine in der Sahara? Na klar, joggen! Adrian Paul weiß in den dramatischen Szenen durchaus zu überzeugen und Nauta spielt nicht gut, ist aber als Typecast ein Treffer.
Fazit: Freunde unterhaltsamer - wenn auch nicht unbedingt tiefsinniger - Horror-Thriller liegen mit „Nine Miles Down“ richtig.