Mit Iron Man 2, Thor, The First Avenger: Captain America, The Avengers und Spider-Man 4 sind Comic-Fans für Jahre versorgt. So irre es klingen mag: Die Superhelden-Welle der vergangenen Jahre war scheinbar erst der Anfang. Und das ist gut so. Denn im Kern verhandelt die zeitgemäße Heldenerzählung ganz und gar menschliche, ja alltägliche Probleme - von der Adoleszenz über die Frage nach dem Wesen von Macht und Verantwortung bis hin zur Suche nach der eigenen Identität. Seit 2006 gelingt es insbesondere der US-Hitserie serie,Heroes, das thematische Panoptikum in gleichsam atemloser, ironischer und nachdenklicher Form aufzubereiten. Sieht einfach aus, ist es aber nicht – wie Paul McGuigans (Lucky Number Slevin) unbeholfenes Plagiat „Push“ jetzt unter Beweis stellt. Trotz schöner Fotografie und einer umwerfend frechen Dakota Fanning verpasst sein wirrer Para-Thriller die zentrale Komponente: sorgfältig gezeichnete Figuren, die in ihren Kräften Fluch und Segen zugleich erkennen müssen. „Push“ ist eine stylisch aufgemachte Mogelpackung – und wandert bei uns mit Recht gleich in die Videothek.
Der kleine Nick (Colin Ford) und sein Vater (Joel Gretsch) sind auf der Flucht vor der „Division“. Wonach es ihre Häscher dürstet, ist dem Jungen schleierhaft. Als Daddy zu Boden geht, ist jedoch klar: Mit denen ist nicht zu spaßen. So kommt es, dass Nick (Chris Evans, Street Kings) auch eine Dekade später noch ein sehr zurückgezogenes Dasein fristet. Mit der Fähigkeit, Objekte telekinetisch zu bewegen, trickst er sich durch seinen Alltag – bis er in Hongkong auf Cassie Holmes (Dakota Fanning, New Moon: Biss zur Mittagsstunde) trifft. Das Mädchen behauptet nicht nur, die Zukunft malen zu können, sondern stellt gleich auch noch klar, es auf einen sechs Millionen Dollar schweren Koffer abgesehen zu haben - selbstredend mit Nicks Hilfe, der sich dem Diktat der Zukunft nicht entziehen kann. Bevor sich aber die tatsächliche Bedeutung des mysteriösen Koffers offenbart, muss das Team wider Willen mit der zwielichtigen Telepathin Kira (Camilla Belle, 10.000 BC), rabiaten Triaden-Schergen und „Division“-Agent Henry Carver (Djimon Hounsou, Blood Diamond) fertig werden. Letzterer ist eine Gestalt, die Nick nur zu gut bekannt ist...
Eigentlich müsste „Heroes“-Erfinder Tim Kring an „Push“ mitverdienen, so offen bedienen sich die Drehbuchautoren David Bourla und Paul McGuigan bei der Erfolgsserie. Seher, Gedankenleser oder mit Superkräften experimentierende Organisationen sind freilich ein alter Hut. Gerade deswegen braucht es dabei eine interessante Interpretation, die „Push“ gänzlich abgeht. Da sind etwa Cassies Visionen, die stets die Frage aufwerfen, ob die Kenntnis der Zukunft eine Umgestaltbarkeit bedingt oder den Lauf der Dinge erst konstituiert. Da ist der Peter-Petrelli-Verschnitt Nick, verkörpert vom Hit-or-Miss-Mimen Chris Evans (Sunshine, Fantastic Four), der sein Potential erst realisieren muss. Und ob nun von der „Divison“ oder einer gewissen „Company“ die Rede ist, macht bei Carvers Verwirrspiel auch keinen Unterschied mehr. Ausgerechnet die wichtigen Aspekte aber haben Bourla und McGuigan vergessen: Figuren mit Fallhöhe und einen echten Antagonisten. Die Heldenriege bleibt eindimensional und von einem auch nur annähernd so faszinierend-bedrohlichen Widersacher wie Sylar (Zachary Quinto, Star Trek - Die Zukunft hat begonnen) fehlt jede Spur.
Bereits die Prämisse ist ungelenk: Hier hat nicht jede Figur via einzigartiger Fähigkeit einen besonderen Wiedererkennungswert, stattdessen gibt es insgesamt acht Klassen, deren Vertreter jeweils in Scharen durch die Hinterhöfe Hongkongs hüpfen. „Pusher“ zwirbeln an der Psyche ihrer Ziele herum, „Sniffers“ verdingen sich als paranormale Schnüffler und „Shadows“ wiederum vernebeln die Klarsicht ihrer Pendants. Die kurzen und optisch reizlosen Gefechte zwischen den Übermenschen laufen damit auf ein simples Stein-Schere-Prinzip hinaus. Wenn dann auch noch Stein auf Stein trifft, etwa beim Duell zwischen Nick und einem weiteren „Mover“, havariert „Push“ endgültig. So hip die listig um Ecken levitierten Knarren auch wirken sollen, so unfreiwillig komisch und bar jeder Selbstironie fällt das Resultat aus.
Wenn es ein handfestes Argument für „Push“ gibt, dann Dakota Fanning. Mühelos spielt die charismatische Jungdarstellerin ihre Kollegen an die Wand, etwa wenn Cassie in einem knappen Outfit und nicht unerheblich alkoholisiert durch ein Hotelzimmer torkelt – bei einer minderjährigen Figur ein durchaus beachtlicher Drahtseilakt. Gute Arbeit leistet auch Kameramann Peter Sova, der ein gleichsam schillerndes und beklemmendes Hongkong einfängt. Wenigstens das Setting ist hier noch ein Original. Tim Kring kann das derweil schnuppe sein. Denn das Publikum hat den „Heroes“-Rip-Off gleich durchschaut. Kinokasse und Kritik haben die ziel- und spannungslose Hatz derart deutlich quittiert, dass die vollmundig angekündigte Trilogie, wie zuvor auch beim ähnlich gelagerten Jumper, wohl kaum zustande kommen wird. Anders als beim restlichen Superheldenpantheon wäre ausbleibender „Push“-Nachschub allerdings ein verschmerzbarer Verlust.