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    Saw VI
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,0
    lau
    Saw VI
    Von Christoph Petersen

    Die Stimmung scheint langsam aber sicher umzuschlagen. Wurden die Internetforen im Vorfeld zu den ersten Saw-Sequels noch von Mutmaßungen über den weiteren Handlungsverlauf dominiert, liest man dort inzwischen immer häufiger flehende Bitten, das Franchise möge doch bitte endlich den wohlverdienten Ruhestand antreten. Dieser Meinungsumschwung zog – im Zusammenwirken mit dem überragenden Erfolg des No-Budget-Gruselfilms Paranormal Activity – nun auch Konsequenzen am amerikanischen Box Office nach sich: Während Saw 2 bis Saw 5 allesamt am Startwochenende die 30-Millionen-Dollar-Marke sprengten, blieb „Saw 6“ mit gerade einmal 14 Millionen weit hinter den Erwartungen zurück. Natürlich schreibt das Franchise damit immer noch schwarze Zahlen, die Filme kosten schließlich kaum etwas, aber dennoch zeigt der überraschende Abfall, dass auch diese Horrorreihe eine Halbwertszeit besitzt. Im Gegensatz zum finanziellen Erfolg knüpft „Saw 6“, bei dem nach dem Produktionsdesigner David Hackl („Saw 5“, Saw 7) nun der Chef-Cutter Kevin Greutert den Regiestuhl besetzt, doch zumindest in qualitativer Hinsicht nahtlos an seine mäßigen direkten Vorgänger an.

    Während die ganze Welt den zerquetschten FBI-Agenten Strahm (Scott Patterson) für den Täter hält, setzt Detective Hoffman (Costas Mandylor) die Umsetzung von Jigsaws (Tobin Bell) Vermächtnis in aller Ruhe fort. Diesmal hat er sich den skrupelfreien Krankenkassen-Manager William (Peter Outerbridge) für eines seiner perversen Spielchen auserkoren. Mit vier Sprengsätzen an Armen und Beinen bestückt bleiben diesem genau sechzig Minuten, um vier mitunter extrem schmerzvolle Aufgaben zu erledigen. Unterdessen kommen Detective Erickson (Mark Rolston, Die Verurteilten, Departed: Unter Feinden) und eine plötzlich wieder auftauchende alte Bekannte dem Killer gefährlich nahe, als sie ein Tonband mit Jigsaws Stimme genauer unter die Lupe nehmen. Auch Jigsaw-Witwe Jill (Betsy Russell), die von ihrem psychopathischen Ehemann sechs ominöse Briefumschläge hinterlassen bekommen hat, trägt ihren Teil zu dessen Masterplan bei. Doch dann steht plötzlich die sensationsgierige Journalistin Pamela Jenkins (Samantha Lemole, Natürlich blond) mit brisanten Informationen über Hoffman und die getötete Jigsaw-Schülerin Amanda (Shawnee Smith) vor ihrer Haustür…

    Im Mittelpunkt stehen die Spielchen, die William auf dem Gelände eines verlassenen Zoos (!) absolvieren muss. Die Unterschiede zu den Folterparcours der vorangegangenen Filme sind zwar marginal, aber vom sechsten Teil eines Horror-Franchises etwas anderes zu erwarten, wäre wohl auch reichlich naiv. Trotzdem sollte dieser Abschnitt der Handlung zumindest für Fans in der üblichen „Saw 2“-bis-„Saw 5“-Manier funktionieren. Leider fällt das ausschmückende Drumherum jedoch weniger überzeugend aus. Während die Ermittlungen der Cops nur bedingt Sinn ergeben, verkommen die obligatorischen Rückblenden endgültig zur bloßen Masche. Es gehört zum Konzept der „Saw“-Filme, dass die Handlung früherer Teile durch spätere Ergänzungen immer wieder auf den Kopf gestellt wird. Mittlerweile ist dieses Vorgehen aber nur noch beliebig - es muss halt sein, ob es nun Sinn macht oder nicht. Die Apparaturen fallen in „Saw 6“ zwar nicht weniger blutig, aber dafür nicht ganz so fies wie in den Vorgängern aus. Statt sich Ringe aus der Haut zu reißen, hackt sich eine Probandin den Arm ab und andere werden ganz Old School mit einer Schrotflinte erschossen. Das wirklich perfide sind diesmal nicht die Fallen selbst, sondern die gottgleichen Entscheidungen über Leben und Tod, zu denen Manager William immer wieder gezwungen wird.

    Jigsaws Plan, seine Opfer mittels Folter und Mord zu „resozialisieren“, strotzt nur so vor Menschenverachtung. Doch obwohl die Filmemacher dieser fragwürdigen Figur stets mit einem gewissen Grad an Bewunderung begegnen, fiel es bisher nicht sonderlich schwer, diese Pille zu schlucken. Das „Saw“-Franchise blieb stets dem Genre verpflichtet und die vertretenen Moralvorstellungen waren deshalb auch nicht unbedingt ernst zu nehmen. Die Devise lautete: Hirn ausschalten und - wenn man denn auf Blutorgien und Foltersessions steht - Spaß haben. „Saw 6“ entwickelt im Gegensatz zu seinen Vorgänger aber nun ein solches Sendungsbewusstsein, dass der Zuschauer geradezu dazu gezwungen wird, sein Hirn wieder einzuschalten.

    Die Autoren Marcus Dunstan und Patrick Melton (Feast, The Collector) outen sich nämlich als große Fans von Brachialsatiriker Michael Moore und fassen dessen jüngste Filme Sicko und Kapitalismus: Eine Liebesgeschichte kurzerhand in ihrem Skript zusammen. In der Eröffnungssequenz werden zwei skrupellose Kreditvermittler dazu gezwungen, sich möglichst große Stücke Fleisch aus dem Körper zu schneiden. Später ist es dann William, der durch Jigsaws Aufgaben dazu gebracht wird, seine Formel zur Vergabe von Krankenversicherungen noch einmal zu überdenken. Doch diese aufgesetzte Systemkritik ist dermaßen hohl, dass sie nicht nur nichts bringt, sondern im Gegenteil sogar ins Ärgerliche umschlägt. Was haben die Macher erwartet? Dass das Publikum schon beim bloßen Anblick gequälter Banker spontane Jubelsalven anstimmt? Na ja, der Applaus bleibt auf jeden Fall aus.

    Schrieben wir in unserer Kritik zu „Saw 5“ noch, dass Costas Mandylor (Toxic) als Hoffman den echten Jigsaw nicht ersetzen könnte, stellt der Schüler den Meister nun zumindest im sechsten Teil in den Schatten. Breitschultrig und ohne eine Miene zu verziehen erarbeitet er sich langsam aber stetig eine bedrohliche Ausstrahlung. Tobin Bell (Buried Alive, Boogeyman 2) hingegen wirkt als Jigsaw, der sich vornehmlich von Amanda in seinem Rollstuhl durch Weichzeichner-Rückblenden chauffieren lässt, arg zahnlos und wenig furchterregend. Natürlich bleibt Jigsaw das Gesicht der „Saw“-Reihe - doch dieser Teil hätte ohne seine bemüht ins Skript gepressten Auftritte wohl kaum etwas verloren. Von den Neuzugängen erhebt sich allein Peter Outerbridge (Mission To Mars, Cold Creek Manor) als William über den Status von Apparaturenfutter. Trotz seines verachtenswerten Jobs in der Versicherungsbranche gelingt es von den Jigsaw-Opfern nur ihm, das Publikum zum Daumendrücken zu animieren.

    Fazit: Während der Kern um Williams Überlebenskampf seine Schuldigkeit als Folter-Thriller durchaus erfüllt, hätte sich „Saw 6“ seinen platten Kommentar zur Kapitalismuskrise und die zwar Franchise-typischen, aber den Film dennoch extrem ausbremsenden Rückblenden besser gespart.

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