Für Fans des Bestsellerautors Michael Crichton waren die 90er Jahre eine zwiespältige Angelegenheit. Zwar wurde nahezu alles, was der Mann aus Chicago in der Zeit schrieb verfilmt, aber sein Ansatz, wissenschaftliche Fakten und Theorien sehr ausführlich mit Unterhaltungsgeschichten zu verweben, blieb bei der Adaption oft auf der Strecke. Die Detailflut ließ sich einfach nicht auf Film übertragen, ohne das Medium Kino zu sprengen. Das fällt mal mehr („Die Wiege der Sonne“, Sphere) oder mal weniger auf (Jurassic Park, „Enthüllung“) auf, aber am frappierendsten ist dies bei Frank Marshalls „Congo“ zu beobachten. Der Wissenschaftsansatz, der jeden Crichton-Roman kennzeichnet, ist nahezu eliminiert. Was bleibt, ist extrem unterhaltsamer Abenteuer-Trash, der Freunde des Trvialen begeistern wird.
Das amerikanische High-Tech-Unternehmen TraviCom sucht im Kongo nach den legendären Diamanten König Salomons, um diese industriell auszubeuten. Als Mitglieder einer Expedition, die Firmenchef R.B. Travis (Joe Don Baker) ausgeschickt hatte, unter mysteriösen Umständen verschwinden, beordert er seine beste Mitarbeiterin, die Ex-CIA-Agentin Karen Ross (Laura Linney), nach Afrika. Pikant: Der Expeditionsleiter Charles (Bruce Campbell) ist Travis’ Sohn und Ross’ Verlobter. Die politische Lage vor Ort ist jedoch hochbrisant. Um kein Aufsehen zu erregen, schließt sich Ross einer harmlos erscheinenden Unternehmung an. Der Biologe Dr. Peter Elliott (Dylan Walsh) will seine Gorilladame Amy zurück in ihre Heimat bringen und sie dort aussetzen. Der Wissenschaftler hat dem Tier mittels der Gebärendensprache eine einfache Kommunikation ermöglicht, so dass Amy mit Hilfe von Technik „sprechen“ kann. Da Elliott aber das Geld fehlt, lässt er sich von dem zwielichtigen Herkermer Homolka (Tim Curry) finanziell helfen. Doch der rumänische Abenteurer hat nur eines im Sinn: Er will selbst an die Diamanten und glaubt an die Legende. Unter akuter Lebensgefahr bringt sie der Söldner Munro Kelly (Ernie Hudson) ins Land.
Es gibt zwei populäre Betrachtungsweisen, sich „Congo“ zu nähern: Man verreißt den Film ob seiner massiven Angriffsfläche, die er bietet oder ergötzt sich an den launigen, charmanten Trashwerten. Ein „sprechender“ Gorilla, der Martinis schlürft, Zigarillos raucht und allzu menschlich das Gesicht verzieht, wenn ihm etwas nicht in den Kram passt? Das ist schon etwas, an dem Realisten schwer zu kauen haben. Aber dass die Umwelt der Gorilladame dieses Verhalten nicht im Entferntesten kommentiert, wiegt eher noch schwerer. Oder vielleicht doch die Tatsache, dass jeder Zuschauer zweifelsfrei erkennen kann, dass ein Mensch in einem Tierkostüm (Effekte: Stan Winston) steckt? Wer allerdings den trashigen Unterhaltungswert dieser Clownerie zu schätzen weiß, wird mit „Congo“ reich beschenkt. Denn das ist noch lange nicht das Ende.
Trotz eines ordentlichen A-Film-Budgets von 50 Millionen Dollar und Außendrehs in Costa Rica, Kenia, Tansania und Uganda ist besonders dem Finale dessen Herkunft deutlich anzumerken. Die Helden rennen durch eine Studiokulisse, in der Pappmaché spektakulär zerbröselt. Das passt perfekt ins Gesamtbild des Films. Die Charaktere begeben sich auf ein ähnliches Niveau. Auch sie sind eigentlich Pappkameraden. Allerdings welche, die ungemein viel Spaß verbreiten. Laura Linney (Die Truman Show, Kinsey, Mystic River) meistert ihre Rolle als toughe Sympathieträgerin ausgezeichnet und bildet mit dem vierten „Ghostbuster“ Ernie Hudson (Miss Undercover, Miss Undercover 2) ein schlagkräftiges Gespann, welches das Publikum mit kernigen Sprüchen bei Laune hält. Dazu gibt Tim Curry (Kinsey, Jagd auf Roter Oktober, „The Rocky Horror Picture Show“) seinen Abenteurer aus dem Land der Kaparten („ein rumänischer Philantrop“) als reine, schmierige Karikatur, die dem Trashkonzept voll in die Karten spielt. Ob Regisseur Frank Marshall (Antarctica, „Arachnophobia“, „Überleben!“) dies beabsichtigt hat, sei einmal dahingestellt, ist aber auch völlig egal. Nur das Ergebnis zählt. Da fällt es weniger ins Gewicht, dass Dylan Walsh (Wir waren Helden, Blood Work) als naiver Wissenschaftler ausdruckslos bleibt.
Fazit: „Congo“ ist zunächst einmal ein Abenteuerfilm, der sich aber in der zweiten Ebene selbst nicht allzu ernst nimmt, was entweder für Ablehnung oder Zustimmung sorgt. Mit der Ernsthaftigkeit der neuen Welle von Afrika-Filmen wie Blood Diamond, Der letzte König von Schottland, Shooting Dogs oder Hotel Ruanda hat „Congo“ als Mittneunziger-Produktion, als die Uhren noch etwas anders tickten, so überhaupt nichts zu tun. Der Film ist eine reine Unterhaltungsproduktion, die dem klassischen Stoff einen Hauch von Science Fiction beimengt. Aussagekräftig ist die Schere, die sich bei den Auszeichnungen des Films auftut. Auf der einen Seite kassierte „Congo“ sieben Razzies-Nominierungen, erntete aber anderseits Preise von dem Sci-Fi Universe Magazine, den BMI Film & TV Awards, der Academy Of Science Fiction, Fantasy & Horror Films und gewann den Kid’s Choice Award. Um es klar zu sagen: „Congo“ ist kein guter Film, wenn man gehässig ist oder keinen Sinn für gehobenen Trash hat, sogar ein sehr mäßiger. Doch wem das B-Movie-Herz aufgeht, wenn Ernie Hudson Zigarillo-qualmend durch den Dschungel stapft und dabei trockene Sprüche reißt, sollte unbedingt einen Blick riskieren.