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    Lauf der Dinge
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,0
    lau
    Lauf der Dinge
    Von Christian Schön

    Die Volksweisheit weiß, dass viele Köche einen Brei verderben können. Bei „Lauf der Dinge“ durften viele mitkochen – die endgültige Drehbuchfassung des neuen Films von Rolf S. Wolkenstein entstand sogar erst direkt vor Ort auf der Insel Ibiza und zwar in Zusammenarbeit mit den zum Teil doch noch recht unerfahrenen Schauspielern. Die zu Beginn als Doku-Soap angelegte Serie über Jugendliche und ihre Erfahrungen auf der Partyinsel wurde schließlich in ein Kino-Seifendrama umfunktioniert, das nicht nur von Schaumschlägern erzählt, sondern selbst einen etwas substanzlosen Eindruck hinterlässt.

    Das Urlaubsparadies Ibiza zieht aus unterschiedlichen Beweggründen eine Reihe von Jugendlichen aus Deutschland in ihren Bann. Da ist zum einen Elisa (Zoë Weiland), die ihrem wohlhabenden Elternhaus entkommen möchte. Auf ihren Streifzügen über die Insel begegnet sie, nach einem ersten Ausflug in die Welt der Drogen, dem Tagträumer Richie (Manuel Cortez), zu dem sie Vertrauen gewinnt. Zum anderen sind da noch Florian (Sebastian Achilles) und dessen Freund Daniel (Tom Lass). Die beiden wollen der Enge ihres Heimatdorfes entfliehen, um enthemmt das Partyleben auf der Urlaubsinsel in vollen Zügen auszukosten. Die Flucht der Teenies bleibt jedoch nicht ohne Folgen. Der Vater von Elisa sperrt dieser die Kreditkarten – der erste Versuch, seine Tochter zu einer Rückkehr nach Hause zu bewegen. Fest entschlossen zu bleiben, ist Elisa nun gezwungen, jede Gelegenheit an Geld, Essen oder ein Dach über dem Kopf zu kommen, ergreifen zu müssen - von der Millionärin zur Tellerwäscherin. Auch bei Daniel und Florian läuft es nur suboptimal. Gelegentlicher Streit und die täglichen Alkoholexzesse drohen die beiden zu entzweien. Florians Versagen bei dem Vollzug des Geschlechtsakts mit Frauen belastet ihn und die Freundschaft zusätzlich. Durch Zufall begegnet er eines Tages einem schwulen Buchhändler, der ihn nach einem Schwächeanfall aus dem Meer fischt. Diese Begegnung beschert Florian endgültig eine Verwirrung der Gefühle. Die Dinge nehmen ihren Lauf…

    In einer Fernsehwerbung für ein neues digitales Fernsehgerät war vor einiger Zeit ein Pärchen auf einem Bett zu sehen, wobei der Mann – der analoge Typ – zu flimmern begann, und damit als Repräsentant der antiquierten Technik schlecht wegkam. Das inzwischen gängige Gütesigel „digital“ ist aber definitiv kein Garant für qualitativ gute Produkte (sprich: auch Filme). „Lauf der Dinge“ konnte mit einem sehr kleinen Budget realisiert werden. Unter anderem wurde dies durch den Einsatz des MiniDV-Formats ermöglicht. Einigermaßen geübte Hobbyfilmer sind bestimmt dazu im Stande, Urlaubsfilme in ähnlicher Qualität zu produzieren. Aber angenommen, der Einsatz und die Wirkung der digitalen Bilder seien nicht unbeabsichtigt gewesen, so müsste der Film dann zumindest mit dem Vorwurf leben, das Konzept nicht konsequent durchgehalten zu haben. Regisseur Rolf Wolkenstein, der mit „Lauf der Dinge“ seinen dritten Spielfilm präsentiert, ist bei seinem Unternehmen nämlich visuell nicht vollständig gescheitert. In einigen wenigen Szenen, die so aber leider komplett aus dem Rahmen fallen, stellt er sein Können dann doch noch unter Beweis. So beschleicht einen die Befürchtung, dass die Schauspieler nicht nur beim Erstellen des Drehbuchs mithelfen durften.

    Obwohl der Film ganz offensichtlich seine Schwächen hat, lohnt es sich hier dann aber zum Beispiel aus soziologischen Gesichtspunkten vielleicht doch, ins Kino zu gehen. In Filmen, die versuchen das Leben abzubilden - ähnlich den Impressionisten Ende des 19. Jahrhunderts, die versucht haben, das wahre Leben zu finden, indem sie in die Bordelle strömten - spiegelt sich meist ein Querschnitt jener Themen wieder, die gesellschaftlich aktuell von Interesse sind. Was diesen Punkt betrifft, liegt „Lauf der Dinge“ absolut im Trend: Die Strandbar, aus der Richie einen erfolgreichen Club machen möchte, heißt schlicht und gut einprägsam „Bar“. Eine dieser klischeehaften Bars sieht man auch in jeder zweiten Daily Soap, da diese Kleinunternehmen der alltäglichen Freizeitgestaltung einer der Träume der neuen Mitte zu sein scheint. Nach wie vor heiß begehrt sind Geschichten vom (willentlichen) gesellschaftlichen Abstieg der Oberschicht (hier durch Elisas Flucht repräsentiert), damit man sehen kann, dass die ehemalige Adelswelt genauso von Menschlichem und Allzumenschlichem geprägt ist. Der Ständeunterschied, ein Relikt aus der Theaterwelt, das in den Soaps überlebt hat, ermöglicht heute wie damals eine Steigerung der Tragik wegen der größeren Fallhöhe des Helden. Und was seit geraumer Zeit in keinem Film, in dem mehr als ein Teenager zu sehen ist, fehlen darf: ein junger Mann, der mit Unsicherheiten gegenüber Frauen zu kämpfen hat, da er seine wahre sexuelle Identität noch nicht gefunden hat. Hinter diesem Akt der Selbstfindung versteckt sich der wahre positive Held des Films, da nur er zu einem erfüllten Leben auf der Urlaubsinsel finden und sich somit sicher und dauerhaft in der Utopie etablieren kann.

    Dieser positive Held entpuppt sich zudem als die große Überraschung des Films, da mit der Besetzung des Florians durch Sebastian Achilles ein absoluter Volltreffer gelandet wurde. Gerade ob seiner überdurchschnittlich guten Leistung tun sich die restlichen Darsteller dann aber schwer, einen überzeugenden Eindruck zu hinterlassen. Die Hauptrollen sind zwar mit einer fernsehserientauglichen Routine gespielt, enttäuschen aber, wenn es darum geht, einen Charakter im Zusammenhang eines eineinhalbstündigen Kinofilms glaubhaft erscheinen zu lassen. Einige der Nebenrollen nicht als katastrophal und mit einem Hang zu Lächerlichkeit gespielt zu betiteln, würde viel Gutmütigkeit erfordern. Auf deren Kosten gehen auch einige nicht ganz unwitzige Stellen des Drehbuchs, die man zwar als solche noch erkennen kann, aber einem das Lachen nicht so recht entweichen will.

    In „Lauf der Dinge“ macht eine Daily Soap Urlaub auf der Insel. Obwohl das Potential für mehr auf allen Seiten prinzipiell vorhanden gewesen wäre, ist nicht mehr als die Langfassung einiger Episoden einer durchschnittlichen TV-Serie daraus geworden. Wäre man gewillt, die deutsche Fernsehlandschaft um eine weitere Serie zu bereichern, würde man bereits über einen tauglichen Piloten verfügen. Aber es bleibt zu befürchten, dass ausschließlich die Figuren der Filmhandlung und keinesfalls ein größeres Kinopublikum den Verführungen der Insel erliegen werden.

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