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    Königreich Arktis
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,0
    solide
    Königreich Arktis
    Von Björn Helbig

    Nachdem uns Luc Jacquet vor zwei Jahren in die Welt der Pinguine entführte, lernen wir in Sarah Robertsons „Königreich Arktis“ den bedrohten Lebensraum der Eisbären und Walrösser kennen. Denn der anthropogene Klimawandel zerstört die Lebensgrundlagen von einer Vielzahl von Lebewesen. Um diese Entwicklung aufzuhalten, müssen wir unser Verhalten drastisch ändern. So kommt „Königreich Arktis“ in der „Ära Knut“ wohl genau zum richtigen Zeitpunkt. Der Eisbär ist mittlerweile nicht nur zum Symbol des globalen Klimawandels geworden, sondern ebenso zum liebsten deutschen Kuscheltier avanciert. Vor allem Kinder werden so für den Klimawandel und bedrohte Tierarten sensibilisiert.

    Trotz der unwirklichen Bedingungen ist das Königreich Arktis voller Leben. Darunter auch Eisbäremädchen Nanu und Jungwalross Seela. Beide lernen gerade erst, wie hart das Leben im ewigen Eis sein kann. Doch zum Glück leben beide wohl behütet im Kreis ihrer Familie. Nanu durchstreift die Schneewüsten mit ihrer Mutter und ihrem Brüderchen; Seela lebt mit ihrer Familie unter besonderem Schutz ihres Tantchens am Rande des Eises im Wasser und auf Eisschollen. Was weder Seela noch Nanu ahnen: Die Erde erwärmt sich und ihr Lebensraum verändert sich rasend schnell. Genauso wie das Jagen für die Eisbärenfamilie zusehends schwerer wird, finden auch die Walrösser kaum noch Schollen, die ihr Gewicht tragen und auf denen sie sich ausruhen können. Wie viele Jahre wird die Eisbären- und die Walrossfamilie unter den veränderten Bedingungen noch überleben können?

    Das Klima hat sich in erdgeschichtlichen Zeiträumen oft dramatisch gewandelt. Doch seit Beginn der Industrialisierung kann man einen beispiellosen Anstieg der mittleren Jahrestemperaturen verzeichnen. Der zwischenstaatliche Experten-Ausschuss IPCC, die höchste Autorität in Sachen Klimawandel, geht davon aus, dass der von Menschen gemachte Treibhauseffekt die Hauptursache für die Erderwärmung ist. An erster Stelle der Ursachen steht der Anstieg der CO2-Konzentration durch die Verbrennung fossiler Energieträger, aber auch Landwirtschaft und die Abholzung großer Waldvorkommen spielen eine Rolle. Bis zum Jahr 2100 wird die globale Mitteltemperatur um 1,4 °C bis 5,8 °C ansteigen. Resultate wären ein deutlicher Anstieg des Meeresspiegels, die Überflutung von Küstenregionen, das Abschmelzen der Gletscher und gleichzeitig die Ausbreitung von Wüsten sowie eine Zunahme an Naturkatastrophen.

    Dies gibt den realen Rahmen vor, in dem Kristin Gore und Mose Richards unter der Regie von Sarah Robertson ihr Märchen erzählen. „Königreich Arktis“ hat dabei eine völlig andere Stoßrichtung als Al Gores Eine unbequeme Wahrheit, der versucht, ebenfalls dramaturgisch geschickt, sein Publikum durch Informationsvermittlung und einprägsame Headlines von seinem Stoff zu überzeugen. „Königreich Arktis“ hingegen setzt mehr auf Emotionen und auf das Erzählen einer kindgerechten, in sensationelle Bilder gepackten Geschichte. Auch wenn die Handlung rund um Nanu, Seela und deren Familien durch den Klimawandel bedingt wird, werden die Hintergründe nur sehr zurückhaltend eingestreut. Das hat sicherlich sein Gutes. Denn so werden Kinder ganz in die Geschichte hineingezogen, vermutlich sowohl Seela als auch Nanu schnell lieb gewinnen und Mitleid für deren Schicksal empfinden. Und wer weiß, vielleicht schafft man ja tatsächlich auf diesem Weg empathische Menschen, die anderes Leben, ja ihre ganze Welt respektvoll behandeln. Die, die auf Klima-Informationen aus sind, werden von „Königreich Arktis“ enttäuscht sein. Sarah Robertsons Film steht eher in der Tradition von Die Reise der Pinguine und setzt voll auf Atmosphäre und spektakuläre Bilder. Wo die Geschichte um Nanu und Seela in Bezug auf ersteres nicht ganz an Luc Jacquets Pinguin-Film heranreicht, übertrifft sie diesen allerdings mit noch großartigeren Bildern. Die über 15-jährige Arbeit, die das Ehepaar Adam Revetch und Sarah Robertson an der Fertigstellung dieser Produktion von National Geographic Films aufgewendet hat, sieht man dem Ergebnis an. Unterstützt wurden die beiden von einem aus renommierten Tier- und Dokumentarfilmern bestehenden Produktionsteam, z.B. neben der schon erwähnten Kristen Gore, der Autorin Linda Woolverton („Die Schöne und das Biest“, „Der König der Löwen“) sowie Mose Richards, der 20 Jahre lang mit dem Meeresforscher Jacques Cousteau zusammen arbeitete.

    So schön das Ergebnis auch geworden und so herzensgut dessen Absicht ist – leichte Zweifel können dem Zuschauer kommen, ob der gewählte Weg, die Aufmerksamkeit jugendlicher Zuschauer auf das wichtige Thema Klima zu lenken, der richtige ist. Wen schon bei „Die Reise der Pinguine“ die vermenschlichende, lyrisch angehauchte Erzählweise aus Pinguinsicht gestört hat, wird auch mit dem im Englischen von Queen Latifah gesprochenen Text nicht klar kommen, der die Wirklichkeit für Kinder verharmlost wiedergibt (Für die deutsche Fassung wählte man drei Kinder unterschiedlichen Alters, um die Geschichte zu erzählen.). Eisbären haben im Erzähltext und in den gezeigten Bildern nur wenig von ihrem Raubtiercharakter beibehalten und sind anstelle dessen liebevolle Familientiere. Während sich billig produzierte TV-Tierdokumentationen im Nachmittagsprogramm am Fressen und Gefressenwerden förmlich zu ergötzen scheinen, schlägt „Königreich Arktis“ den gegenteiligen Weg ein und entschärft, wo es nur geht. Und wenn dann doch mal ein Tier stirbt, dann ein Namenloses. Nanu und Seela können sich also sicher fühlen.

    Fazit: „Königreich Arktis“ ist eine atemberaubend photographierte Dokumentation um einen jungen Eisbären und ein Walross, die ihre Geschichte im Stile eines Märchens erzählt. Die Schönheit der Bilder ist über jeden Zweifel erhaben, lediglich die manipulative Erzählweise des Films wird bei erwachsenen Zuschauern Anstoß finden.

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