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    Flash of Genius
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,5
    durchschnittlich
    Flash of Genius
    Von Carsten Baumgardt

    Wer zum Teufel ist Robert Kearns? Die Antwort fällt unter die Kategorie unnützes Allgemeinwissen und wäre bei „Wer wird Millionär?“ wohl eine stolze Million wert: Robert Kearns war jener Ingenieur, der einst den Intervall-Scheibenwischer erfand und uns Autofahrern so auch heute noch freie Sicht bei Regen gewährleistet. Marc Abraham hat diese reale Begebenheit nun verfilmt. Klingt öde. Aber ganz so langweilig, wie die Prämisse im ersten Moment anmutet, ist „Flash Of Genius“ dann doch nicht. Produzent Abraham (Children Of Men) schildert in seinem Regiedebüt und Herzensprojekt den aussichtslosen Kampf eines aufrechten Amerikaners, der bis zur Selbstaufgabe gegen ein korruptes System anstänkert. Trotz solider Schauspielleistungen und einem feinen Setting gelingt es Abraham allerdings nicht, seinem Don Quijote des kleinen Mannes die nötigen Sympathien des Publikums zu verschaffen. So kommt „Flash Of Genius“ letztendlich nicht über annehmbares Mittelmaß hinaus.

    1967: Die versammelte Autoindustrie forscht fieberhaft nach einem Produkt, das der Ingenieur Dr. Robert Kearns (Greg Kinnear) bereits still und heimlich in seinem Keller entwickelt hat. Der Uniprofessor konstruierte einen Intervall-Scheibenwischer, der auf die unterschiedliche Intensität von Regen reagiert. Bisher gab es nur die Möglichkeit, auf Dauerbetrieb zu stellen, aber der hinterlässt Schlieren und quietscht. Gemeinsam mit seinem Freund und Mentor Gil Previck (Dermot Mulroney) sichert er sich das Patent für den evolutionären Wischer, den sie Ford anbieten. Der Autobauer beißt an und zeigt sich begeistert von der Erfindung, an der sich die eigene Entwicklungsabteilung die Zähne ausgebissen hat. Doch der naive Familienvater freut sich zu früh. Ford lässt ihn auflaufen und springt trotz Zusage ab, nachdem sie einen Prototyp des Modells in die Finger bekommen haben. Kearns ist am Boden zerstört, doch seine Frau Phillis (Lauren Graham) steht zu ihrem Mann. Als er mitbekommt, dass Ford seine Idee bis zur Serienreife weiterentwickelt hat, steigt Kearns auf die Barrikaden. Er will den Autogiganten gegen alle Ratschläge verklagen. Kearns wird immer mehr zum Fanatiker, der nur noch seinen Kampf um Anerkennung im Kopf hat, darüber aber die Bedürfnisse seiner Familie vergisst…

    Ihren Anfang nahm die Produktionsgeschichte von „Flash Of Genius“ bereits im Jahr 1993, als Autor John Seabrook für den New Yorker einen Artikel über den jahrelangen Kampf des Erfinders Robert Kearns gegen den Autobauer Ford verfasste. Marc Abraham war so angetan davon, dass er sich schwor, den Kampf des Dennis Kearns auf die Leinwand zu bringen. Doch damit nicht genug: Abraham, von Haus aus eigentlich Produzent (Dawn Of The Dead, , Welcome To The Jungle, Spy Game), wollte unbedingt auch selbst auf dem Regiestuhl Platz nehmen. Doch er hatte die Rechnung ohne den Wirt gemacht. Denn so stur Robert Kearns im Film geschildert wird, so unnachgiebig war er offenbar auch im wahren Leben. Er lehnte ab. Erst nach dem Krebstod des Erfinders 2005 konnte Abraham dessen Familie überzeugen, der Verfilmung doch noch zuzustimmen.

    Nach einer stimmigen Exposition, in der Kearns als umsichtiger Familienvater und liebevoller Gatte eingeführt wird, wechselt der Film seinen Rhythmus. Da sich die Story über Jahrzehnte hinzieht (das Patent meldete Kearns Mitte der 1960er an, der Ford-Prozess fand 1990 statt), war der Regisseur gezwungen, diverse Zeitsprünge in die Handlung zu integrieren und sich auf das Wesentliche zu konzentrieren. Doch um diese dramaturgischen Stolpersteine aus dem Weg zu räumen, bedarf es schon eines versierten Filmemachers. In dem Recherche-Thriller Zodiac arbeitete David Fincher beispielsweise mit einer ähnlich zerstückelten Struktur. Doch wo Fincher einen der besten und faszinierendsten Filme der vergangenen Jahre schuf, gelingt es Abraham nicht, sein Publikum in den Bann zu ziehen. Er nutzt das zweifellos vorhandene Potenzial der Geschichte um einen Mann, der gegen alle Widerstände einzig und allein für die Gerechtigkeit einsteht, nicht voll aus und bereitet stattdessen lediglich die faden Fakten auf.

    Abrahams Vorhaben, den David-gegen-Goliath-Kampf gegen den Konzerngiganten Ford zu illustrieren und eine fast vergessene (Leidens-)Geschichte so einem größeren Publikum näher zu bringen, ist ehern. Doch der Regienovize hat sich vorab offenbar nicht genug Gedanken darüber gemacht, ob sein Protagonist überhaupt als Sympathieträger für eine Underdog-Heldenverehrung taugt. Das tut er nämlich nicht.

    „Flash Of Genius“ setzt komplett auf seine Hauptfigur. Leider versagt diese zunehmend dabei, dem Zuschauer Mitleid abzuringen. Selbst wenn Robert Kearns nur noch ein Häufchen Elend ist, drängt sich der Eindruck auf, dass er es nicht besser verdient hat. Mit Leichtigkeit hätte er einen Ausweg aus der Situation wählen und so seine Familie retten können. Stattdessen steigert er sich in einen Wahn, von dem er zeitlebens nicht mehr loskommt. Was ist mehr wert? Die eigene Familie und 30 Millionen Dollar oder das starre Pochen auf sein Recht? Abrahams verpasst es, den inneren Konflikt seines Protagonisten nachvollziehbar zu belegen. Stattdessen bleibt er an der Oberfläche und bedient lediglich Gemeinplätze. Das ist nicht gleich schlecht und von Star-Kameramann Dante Spinotti (Heat, L.A. Confidential) sogar recht hübsch eingefangen, aber eben auch nicht zwingend.

    Dank eines erstklassigen Greg Kinnears (Little Miss Sunshine, Unbesiegbar, E-Mail für dich), der Drehbuchschwächen wegspielt, kommt „Flash Of Genius“ immerhin noch auf passable Unterhaltungswerte. Der Amerikaner ist der Prototyp des kleinen Mannes, kaum einer spielt die Rolle des ehrlichen Mittelklasse-Familienvaters besser als Kinnear. Lauren Graham (Bad Santa, Evan allmächtig) wird vom Drehbuch einmal mehr nicht sonderlich gesegnet. Das Gilmore Girl gibt die biedere Hausfrau und darf dabei kaum Emotionen zeigen, obwohl doch soviel Dramatisches zu sagen gewesen wäre. Charismatischer fällt dagegen der Auftritt von Dermot Mulroney (Die Familie Stone, The Wedding Date) aus, der trotz geringer Leinwandzeit erstaunlich viel Profil entwickelt.

    Fazit: Die Erfindung des Intervall-Scheibenwischers war ein deutlich genialerer Geistesblitz als es nun das etwas zähe Underdog-Drama „Flash Of Genius“ ist. Immerhin halten solide Produktionswerte und ein toller Greg Kinnear das Interesse zumindest bis zu einem gewissen Grad wach.

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