Was muss das bloß für ein verheißungsvolles Kinojahr 2009 werden, wenn bereits am ersten Tag das Filmereignis des Jahres steigt? Jon Avnets Selbstjustiz-Reißer „Kurzer Prozess – Righteous Kill“ vereint mit Robert De Niro und Al Pacino zwei der größten Schauspiellegenden unseres Planeten, die hier erst zum dritten Mal beide in einem Film auftauchen. Aber nicht nur das: Soviel gemeinsame Leinwandzeit hatten die Titanen noch nie. In Francis Ford Coppolas Mafia-Meisterwerk Der Pate II (1974) begegneten sie sich überhaupt nicht, und in Michael Manns Action-Meilenstein Heat (1995) ließen sich ihre Szenen an einer Hand abzählen. Die Sache hat nur einen Haken: „Kurzer Prozess“ ist den Ausnahmeschauspielern unwürdig. Warum De Niro und Pacino in diesem 08/15-B-Movie mitspielen, bleibt ein Rätsel. Immerhin hieven die beiden den einfallslosen Cop-Thriller mit routinierten Vorstellungen noch knapp unter das Mittelmaß.
Die hartgesottenen New Yorker Cops Turk (Robert De Niro) und Rooster (Al Pacino) haben in ihren langen Karrieren schon alles gesehen. Zuviel nach ihrem Geschmack. Die beiden können es nicht mehr ertragen, wenn wieder einmal ein Gangster durch das Netz der Justiz schlüpft und mit einem Verbrechen ungestraft davon kommt. Wie zum Beispiel der Drogendealer Spider (Curtis „50 Cent“ Jackson), der zu clever ist, um sich einbuchten zu lassen. Turk hat genug von der Ungerechtigkeit. Er geht an anderer Stelle sogar so weit, dem Kinderschänder Randall (Frank John Hughes) eine Waffe unterzuschieben, damit dieser verurteilt werden kann. Währenddessen erschüttert eine Mordserie die Stadt. Ein Killer zieht systematisch Schwerbrecher aus dem Verkehr. Schnitt: Cop Turk beichtet in eine Kamera, wie er 14 Morde begangen hat. Er sei der gesuchte Serienkiller. In weiteren Rückblenden werden diese geschildert. Dazu untersuchen Turks und Roosters Kollegen Detective Perez (John Leguizamo) und Detective Riley (Donnie Wahlberg) den Fall, wobei Turk immer mehr ins Visier der Ermittlungen gerät. Auch Turks Freundin, die Forensikerin Karen Corelli (Carla Gugino), wird langsam misstrauisch…
Al Pacino hat in Interviews wiederholt gesagt, dass er kein Problem damit hätte, in Filmen mit schlechten Drehbüchern zu spielen, weil dann sein Gehaltscheck großzügiger ausfallen würde. Doch der Regie-Handwerker Jon Avnet („Red Corner“, „Aus nächster Nähe“), der mit dem schwülen Südstaaten-Epos Grüne Tomaten ein einsames Karrierehighlight setzte, führte Pacino 2007 mit 88 Minutes in Qualitäts-Niederungen, die dieser zuvor noch nicht beschritten hatte. Gelernt hat der Star aus dem Desaster aber offensichtlich nicht. Bei „Kurzer Prozess“ arbeitete Pacino nun erneut mit dem Unheil bringenden Avnet zusammen, der auch hier keinerlei Geschick fürs Thrillergenre beweist. Dass auch Robert De Niro ohne Rücksicht auf Verluste jede Rolle annimmt, die Geld bringt, ist bekannt. Wenn die Kohle stimmt, veredelt De Niro selbst Gurken wie Hide And Seek oder Godsend. Doch bisher hatten beide ihre Ausfälle immer getrennt voneinander. Das eigentlich Schlimme an „Kurzer Prozess“ ist, dass durch das gemeinsame Spielen in einem 08/15-Film, der ohne ihr Mitwirken direkt in den Videotheken gelandet wäre, die zum Mythos gewordene Zusammenarbeit des Duos Pacino/De Niro entweiht wird.
Das Drama beginnt schon mit dem schwachen Drehbuch von Russell Gewirtz, der mit seinem Skript zu Spike Lees Inside Man doch eigentlich schon bewiesen hatte, dass er ein Händchen für clevere Storywendungen besitzt. Bei „Kurzer Prozess“ gehen die Twists jedoch kapital in die Hose. Die Brocken, die Gewirtz seinem Publikum hinwirft, stinken so gewaltig nach Köder, dass alles andere einer totalen Bankrotterklärung gleichkäme. Die Spannung fördert dieser Kniff, der den Zuschauer auf die falsche Fährte locken soll, trotzdem nicht. Thematisch hat sich Gewirtz aus den Zutaten des Achtzigerjahre-Genrekinos seine fade, unoriginelle Geschichte zusammengebraut. Aber auch die Dialoge sind von wenig Belang.
Regisseur Avnet waren die Schwächen des wirren Buchs wahrscheinlich bewusst. Deshalb versucht er besonders zu Beginn, mit einer hippen Inszenierung, schnellen Schnitten und fiebrigen Montagen krampfhaft gegen den Storymuff aus den Achtzigern anzuarbeiten. Konsequent inkonsequent gibt er diese Stilmittel aber schnell wieder auf. So bleibt nur noch Megastar Curtis „50 Cent“ Jackson (Get Rich Or Die Tryin‘), um „Kurzer Prozess“ auch jungen Zuschauern schmackhaft zu machen. Doch der Rapper hat nicht das nötige Format, um etwas zu retten. Vielmehr wirkt er wie ein Fremdkörper in einem künstlich auf Neuzeit getrimmten, aber deshalb nicht minder anachronistischen Thriller. Die übrige Besetzung verspricht hingegen Großes: Allerdings steuern auch John Leguizamo (Moulin Rouge, The Happening), Donnie Wahlberg (Dreamcatcher, The Sixth Sense, Saw 2) und Carla Gugino (Sin City, Spy Kids) nur solide Leistungen von der Stange bei – mehr sind bei dem Drehbuch und der Inszenierung auch einfach nicht drin.
Und De Niro und Pacino? Für das Duo gilt dieselbe Limitierung. Aber zumindest lustlos wirken beide nicht. Sie geben vollen Einsatz und agieren wie so oft hart am Rande des Overactings. Mit ihren hochschlagenden Emotionen sind sie dem Skript weit voraus und bringen mehr Dramatik auf die Leinwand, als die Story eigentlich hergibt. So bemühen sie sich mehr oder weniger erfolgreich um Schadensbegrenzung. Warum beide Charaktere aber so handeln, wie sie handeln, kann weder De Niro noch Pacino glaubhaft rüberbringen.
Nicht wenige Filme beschäftigen sich mit dem Thema Selbstjustiz. Fast immer wird dem Täter ein starkes Motiv zur Seite gestellt, das seinen Feldzug rechtfertigt. Aber es geht auch origineller: In der grandiosen TV-Serienmörder-Groteske „Dexter“ befriedigt ein Polizei-Forensiker seine psychopathische Mordlust, indem er den Abschaum von der Straße schafft, selbst wenn dies gesellschaftsmoralisch nicht korrekt ist. Und wie kommt „Kurzer Prozess“ in dieser Hinsicht daher? Außerordentlich schwach auf der Brust. Eine wirklich nachvollziehbare Motivation für die Bluttaten des Killers bietet der Film nicht. Und so verpufft sowohl der Effekt als auch das Finale. Warum tötet der Mörder? Weil er es halt tut. Basta. Das ist als Auflösung für einen guten Thriller einfach zu wenig.
Fazit: Die Vorfreude auf das Projekt war verfrüht und wird nun bitter enttäuscht. „Kurzer Prozess“ ist ein zweitklassiger Cop-Thriller, der durch die engagierten Leistungen seines prominenten Personals aufgewertet wird. Selbst Fans der Legenden Robert De Niro und Al Pacino ist ein Kinobesuch deshalb nicht zu empfehlen. Der Stachel des verschenkten Potentials sitzt zu tief. Besser sei der Mantel des Schweigens über den Film gedeckt. Kurzen Prozess sollten De Niro und Pacino lieber mit ihren Agenten machen und sie in die Wüste jagen, damit in Zukunft wieder bessere Rollenangebote reinkommen.