Vor zwei Jahren beeindruckte Edward Zwick mit Blood Diamond und stellte abermals seine Fähigkeit unter Beweis, eine politisch brisante Geschichte mit grandiosen Schauwerten zu verbinden. Das war anspruchsvolle Unterhaltung in ihrer besten Form. Mit seinem neuen Film „Defiance“ wagt sich der Regisseur nun noch ein Stück näher an die verbürgte Wirklichkeit heran und erzählt die wahre Geschichte einer Gruppe von Widerstandskämpfern, die während des Zweiten Weltkriegs viele hundert Juden vor dem sicheren Tod rettete. Wieder einmal gelingt Zwick damit ein kraftvoll inszeniertes Drama. Form und Inhalt klaffen allerdings zu weit auseinander, um an den Erfolg des Vorgängerfilms anzuschließen
Nachdem ehemals polnische Gebiete zu Beginn des Zweiten Weltkriegs unter sowjetische Besatzung gefallen waren, wurde nach dem Überfall der deutschen Streitkräfte am 22. Juni 1941 in der Stadt Nowogródek ein jüdisches Ghetto errichtet. „Defiance“ erzählt die Geschichte der Bielskibrüder. Als ihre Eltern im Dezember 1941 von den Deutschen ermordet werden, fliehen Tuvia (Daniel Craig), Zus (Liev Schreiber), Asael (Jamie Bell) und Aron Bielski (Gregor MacKay) in die nahe gelegenen Wälder. Zusammen mit weiteren Flüchtlingen bilden sie unter der Führung von Tuvia eine Partisanengruppe, die sich an Kollaborateuren rächt und Sabotageakte gegen Nazis ausführt. Als immer mehr Flüchtlinge sich der Gruppe anschließen, wird die Versorgungslage zunehmend schwieriger. Außerdem rücken die Nazi-Truppen immer weiter in die Wälder vor...
„We may be hunted like animals but we will not become animals. We have all chosen this – to live free, like human beings, for as long as we can. Each day of freedom is a victory. And if we die trying to live, at least we die like human beings.“ (Tuvia Bielski)
Neben der Frage, wie Zwick mit dem historischen Stoff umgeht, sind vor allem zwei weitere Dinge von Interesse: Schafft es der Regisseur ein weiteres Mal, einen derart überzeugenden Film wie Blood Diamond abzuliefern? Und: Wie macht sich Daniel Craig nach zwei Bond-Filmen in einer Rolle, in der er nicht den Geheimagenten 007 spielt? Die Liste der Filme, in denen eine „wahre Begebenheit“ aus den grausamen Ereignissen des Nationalsozialismus herausgegriffen wird, ist lang. Zuletzt setzte sich Bryan Singer in Operation Walküre mit der Widerstandsgruppe um General Stauffenberg auseinander. Es ist nicht immer leicht zu entscheiden, ob mit der Adaption solcher Themen die Aufarbeitung der deutschen Vergangenheit aktiv betrieben wird oder ob die historischen Ereignisse eher aus Gründen des Marketing genutzt werden, um einem attraktiven Actionstoff zusätzliche Legitimation zu verleihen. Was die Authentizität von Zwicks Stoff betrifft, springt dem Zuschauer am Anfang des Films gleich die Einblendung „Eine wahre Geschichte“ ins Gesicht. „Basierend auf...“ scheint mittlerweile nicht mehr zu reichen, um den Wahrheitsanspruch eines Films zu bekräftigen. Doch auch wenn sich Zwick weitgehend an die historischen Fakten hält, lässt sich mit Blick auf die Inszenierung ein tiefergehendes Interesse an den Protagonisten von damals kaum erkennen.
Dem illustren Cast aus Daniel Craig, Liev Schreiber (X-Men Origins: Wolverine, Das Omen, Der Manchurian Kandidat) und Jamie Bell (Hallam Foe, Das Glück in kleinen Dosen) ist in darstellerischer Hinsicht nichts vorzuwerfen, und doch hätte eine weniger prominente Besetzung dem Film eher genutzt als geschadet. Die bekannten Gesichter wecken Assoziationen, die über die historische Rekonstruktion weit hinausgehen. Vor allem bei Craig (James Bond 007 - Ein Quantum Trost, James Bond 007 - Casino Royale, Der goldene Kompass) scheint sein derzeitiges Haupt-Engagement als gestählter Geheimagent immer wieder durch. Die Figur des einfachen Bauern Tuvia, den die Umstände zum Anführer einer Widerstandsgruppe werden ließen, wird so fast unvermeidlich zumindest ansatzweise zum Superhelden stilisiert. Der nicht von einem übermächtigen Image belastete Billy Elliot-Star Bell dagegen fügt sich meist angenehm dezent in das Ensemble ein und zeigt, dass er nicht nur sehr extrovertierte Charaktere überzeugend darstellen kann. Das Zusammenspiel der drei Stars als Brüder, die sich bei der Bewältigung ihrer großen Aufgabe ab und an selbst im Weg stehen, wird der komplexen Dynamik der familiären Beziehungen aber allemal souverän gerecht. .
„Every day of freedom is like an act of faith“ (Tuvia Bielski)
Nicht nur die Starbesetzung, auch die Inszenierung verstellt gelegentlich den Blick auf den inhaltlichen Kern des Films, auf die „wahre Geschichte“. Ohne Zweifel ist Edward Zwick (Last Samurai, Ausnahmezustand, „Glory“) ein echter Könner auf dem Regiestuhl, der sowohl epische Geschichten erzählen kann, als auch aus einzelnen Szenen das Maximale herausholt. Es stellt sich allerdings die Frage, welche Art Film er hier eigentlich im Sinn hatte. Mit „Defiance“ bewegt sich Zwick ohne eindeutigen Kurs zwischen den Polen eines Actionfilms, der in erster Linie unterhalten soll und eines historisch akkuraten filmischen Denkmals für die Bielski-Brüder, die während des Krieges so viele Leben retteten. Einerseits lässt sich der Regisseur viel Zeit, um in die Anfänge der Widerstandsgruppe und die zwischenmenschlichen Aspekte der Geschichte einzuführen, die gruppendynamischen Prozesse zwischen den Brüdern und der wachsenden Anzahl von Flüchtlingen werden sorgfältig herausgearbeitet. Andererseits lässt sich auch eine klare Hollywood-Dramaturgie erkennen, die manche Konflikte und Liebesgeschichten wie Konfektionsware wirken lässt. Auch die wenigen - von Zwick gewohnt tadellos inszenierten - Actionszenen werden zu reinem Unterhaltungskino, wobei manchmal die Grenze zum Kriegskitsch überschritten wird. Immer wieder schleichen sich zudem Karikaturen ein, wie der Intellektuelle, der auch nach Wochen im Wald noch nicht mit dem Hammer umgehen kann oder der Querulant, der bereits bei seinem ersten Auftauchen als solcher zu erkennen ist. Ebenfalls zu bemängeln ist die künstlerische (Fehl-)Entscheidung, die Figuren mit falschem slawischen Akzent sprechen zu lassen.
Trotz der beschriebenen Diskrepanz zwischen formaler Gestaltung und inhaltlichem Anspruch ist „Defiance“ ein akzeptabler Film geworden. Dies ist vor allem einzelnen subtilen Momenten zu verdanken. So schafft es Zwick in einer Szene auf bemerkenswerte Weise, die Erkenntnis zu vermitteln, dass die wahre Heldentat schlicht darin besteht, das Überleben der Gruppe zu sichern. Trotz solcher atmosphärischen Augenblicke und Zwicks unbestrittenen visuellen Fähigkeiten wird kaum jemand mit dem Ergebnis vollauf zufrieden sein. Dass es nämlich auch besser geht, hat man vor kurzem beim sich altbackener Dramaturgie verweigernden Tage des Zorns oder auch im thematisch ähnlich gelagerten The Wind That Shakes The Barley gesehen. Kurzum: Um den realen Ereignissen und Personen ein Denkmal zu setzen, ist „Defiance“ zu sehr Heldenkino Marke Hollywood. Für einen Film wiederum, der vor allem die Kurzweil der Zuschauer im Blick hat, ist die Nachzeichnung der Umstände zu akribisch und der Film insgesamt zu lang geraten.