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    Christmas Tree Upside Down
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,5
    durchschnittlich
    Christmas Tree Upside Down
    Von Christian Horn

    Episodenfilme brauchen einen roten Faden. Das muss nicht unbedingt in den beliebten Überlappungen der einzelnen Handlungsstränge Ausdruck finden, sondern kann quasi beiläufig durch einen gemeinsamen thematischen Kern der Abschnitte erreicht werden. Der bulgarische Episodenfilm „Christmas Tree Upside Down" lässt eine solche Verknüpfung vermissen. Zwar entwerfen alle der sechs Episoden ein Bild der Gesellschaft Bulgariens, aber ein innerer Bezug abseits des schlagwortartigen Oberthemas fehlt. So wirkt das zerfahrene Werk von Dokumentarfilmer Vassil Zhikov und Berlinale-Stammgast Ivan Tscherkelov („Raci") letztlich wie eine nicht enden wollende Kurzfilmkompilation mit den üblichen Höhen und Tiefen.

    Der Transport eines Weihnachtsbaums dient als lose und fadenscheinige Verbindung der sechs Episoden, die Momentaufnahmen Bulgariens gleichkommen: In „Das Kalb" nimmt die Amerika-Heimkehrerin Alla (Alexandra Vassileva) mit ihrem früheren Geliebten Vasil (Stoyan Stoyanov) an der traditionellen Geburtstagsfeier eines Nachbarn teil. „Der hölzerne Engel" beobachtet die schwangere Ausreißerin Rasha (Slava Doycheva) am Bahnhof von Sofia, wo sie mit dem örtlichen Personal in Kontakt kommt. „Sokrates" zeigt zwei Soldaten, die eine Haftstrafe absitzen – der eine erzählt von den letzten Tagen des titelgebenden Philosophen. In „Das Segelboot" fahren ein paar Roma-Kinder einen Bagger ins Meer, bevor „Der Eber" den Alltag eines Ex-Soldaten (Krassimir Dokov) porträtiert, der Selbstmord begehen will. Zuletzt vollführen in „Die Trommel" einige Dorfbewohner einen traditionellen Tanz um einen Baum.

    Gemein ist diesen Episoden, dass sie sehr trostlos ausfallen: Es findet sich kaum Hoffnung in den Bildern und wenigen Dialogen von „Christmas Tree Upside Down" – die Regisseure ziehen vielmehr eine resignierte Bilanz der rund zwanzig Jahre, die seit der Demokratisierung Bulgariens vergangen sind. Abgesehen davon, dass jede der Episoden ein Teil dieser Gesellschafts-Skizze ist, fehlt ihnen untereinander eine Verknüpfung. In „Sokrates" scheint sich ein roter Faden aufzutun, als die Welt mit einem Spiegelbild im Wasser verglichen wird – doch diese Meta-Aussage über das Wesen des Films selbst findet im weiteren Verlauf keinen Widerhall.

    Allenfalls indirekt macht „Christmas Tree Upside Down" seine Bilder zum Thema, indem er zwischen Dokumentar- und Spielfilm-Bildern wechselt und mitunter beide Spielarten verbindet. Zurückzuführen ist diese Herangehensweise vor allem darauf, dass die beiden Autorenfilmer Zhikov und Cherkelov aus verschiedenen Richtungen kommen: Der eine dreht Dokus, der andere Spielfilme. „Das Segelboot" und „Die Trommel" arbeiten mit Bildern des Dokumentarfilms: Die Roma aus der erstgenannten Episode sprechen ohne Untertitelung, während die lokalen Anwohner aus der letzten Szene in wortlosen Porträtaufnahmen verharren. Die übrigen Episoden erzählen mit den Mitteln des fiktionalen Kinos, wobei „Sokrates" sogar Rückblenden in die Antike vollführt. Spannend ist diese Reibung verschiedener Blickwinkel allemal, nur leider gelingt es den Filmemachern nur in Einzelmomenten, das Konzept in eine ansprechende und stringente Form zu packen.

    Letztlich erscheint der Film als eine Reihung rund viertelstündiger Kurzfilme, was naturgemäß ermüdend ist. Lichtblicke bieten indes einige der fast durchweg unerfahrenen Darsteller. So stemmt die Debütantin Slava Doycheva ihre Episode „Der hölzerne Engel" beinahe im Alleingang, während Krassimir Dokov wenigstens die wuchtige Hauptfigur aus der inhaltlich banalen Erzählung „Der Eber" mit Tiefe versieht. Georgi Cherkelov („Donnergrollen"), das erfahrenste Ensemble-Mitglied, spielt die letzten Stunden Sokrates' in der gleichnamigen Epsiode mit Würde und hat großen Anteil daran, dass dieser Filmteil zu den besseren gehört.

    „Christmas Tree Upside Down" hätte seine Bilder und deren Verschiedenartigkeit viel mehr zum Thema machen müssen – Ansätze finden sich hier, etwa wenn krisselige Videokamera-Bilder das 35mm-Format durchbrechen, eine wirkliche Thematisierung bleibt jedoch aus. Wenngleich einige der Abschnitte durchaus interessant sind, wirkt der Film letztlich holprig und länglich. Das Feuerwerk beim Abspann versinnbildlicht daher je zur Hälfte die gezeigte „Feier des Lebens" – und die Freude darüber, dass der sechsteilige „Christmas Tree Upside Down" vorbei ist.

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