Franck Vestiels Filmdebüt weist eine gewisse Verwandtschaft zum Horrorgenre auf. Allerdings badet „Eden Log“ nicht in ekstatischen Blutfontänen, sondern ist eher in einer Cube-ähnlichen Mystery-Region angesiedelt. Leider vergisst der durchaus talentierte Franzose bei seiner künstlerisch-experimentellen Inszenierung die enorme Wichtigkeit eines stimmigen Drehbuchs. Zwar gibt es eine rätselhaft-interessante Ausgangssituation, die jedoch unnötigerweise auf Spielfilmlänge ausgedehnt wird und aufgrund der verkopften Behäbigkeit nur in wenigen Momenten richtig fesselt.
Kopfüber und mit Schlamm beschmiert erwacht Tolbiac (Clovis Cornillac, Asterix bei den Olympischen Spielen, Sky Fighters) in einem dunklen, katakombenartigen Labyrinth unter der Erde. Ohne jegliche Erinnerung daran, wer er ist und wie er in diese stockfinsteren Gänge gelangt ist, macht er sich auf die Suche nach Antworten – und viel wichtiger: dem Ausgang. Zu allem Übel heften sich schon nach wenigen Metern grauenhafte Kreaturen an die Fersen des Gedächtnislosen. Ein kafkaesker Kampf ums Überleben beginnt…
Bereits in den ersten Minuten zeichnet sich ab, dass sich „Eden Log“ zu gebündelter Lethargie entwickeln wird. Ein nahezu schwarzer Bildschirm. Mühsam quält sich der Protagonist aus seinem unfreiwilligen Schlammbad. Er schnauft und stöhnt. Wahrscheinlich hätte jeder normale Mensch bereits laut herumgeflucht oder zumindest nach Hilfe geschrieen. Tolbiac bleibt aber maulfaul. Fast fünf Minuten vergehen. Für den Zuschauer eine halbe Ewigkeit, denn es passiert schlicht und ergreifend nichts. In äußerst anstrengenden, stroboskopartigen Einstellungen stakst Tolbiac umher. Bis die ersten Worte gesprochen und Orientierungspunkte offenbart werden, vergehen noch weitere Minuten.
In der Folgezeit reihen sich immer wieder lange Szenen, in denen nicht gesprochen wird, aneinander. Denn auch die wenigen Menschen, auf die Tolbiac trifft, sind ähnlich artikulationsfaul. Wenn sie doch mal bereit sind, sich mitzuteilen, neigen sie dazu, in kopflastigen Rätseln zu schwelgen. In dieser kalten und emotionslosen Welt ist es wohl zu unorthodox, eine klare Antwort zu geben. So wird weder Tolbiac noch der Betrachter schlau aus den undurchsichtigen Puzzlefragmenten.
Im Gegensatz zu dem Flüchtigen kann man sich als Zuschauer glücklicherweise zurücklehnen und an den interessanten Kulissen des Films ergötzen. Denn „Eden Log“ bietet eine sehenswerte Szenerie aus Erde, Metall und Wurzelgestrüpp, der das vermeintlich geringe Budget keineswegs anzusehen ist. Die mit einem blauen Farbfilter gefilmte unterirdische Landschaft wirkt so gänzlich emotionslos und steril – eine Zukunft, wie man sie wahrlich nicht erleben möchte. Leider stellen sich aber auch bei der visuellen Ausgestaltung nach einiger Zeit erste Ermüdungserscheinungen ein. Die kühlen Hintergründe scheinen sich nach einer gewissen Zeit zu wiederholen. Es gibt zu wenig optische Abwechslung, die von der öden Handlung ablenken könnte.
So verspielt „Eden Log“ nach und nach jegliche interessanten Ansätze. Sogar ein gestandener Schauspieler wie Clovis Cornillac, der zuletzt an der Seite von Gérard Depardieu den Asterix spielte, kann in diesem zähflüssigen Film nicht viel retten. In der Anfangszeit bekommt man ihn nur selten zu Gesicht. Er ist zwar ständig präsent, die Beleuchtung ist aber auf ein Minimum reduziert und das Gesicht des Franzosen völlig mit Schlamm beschmiert. Da fällt es naturgemäß schwer, einen bleibenden Eindruck zu hinterlassen.
Besonders ärgerlich sind die dramaturgischen Mängel, wenn man sich vergegenwärtigt, dass Franck Vestiel eigentlich ein Gespür für Atmosphäre besitzt. Die ambienteartige Musik verschmilzt mit den Geräuschen des Stollens. Wie ein Herzschlag pumpt aufblendendes Licht. Während des Durchquerens der unbeleuchteten Gänge entwickelt sich zaghaft ein beengendes Gefühl. Rückblickend erweist sich dann sogar die ziemlich dünne Geschichte als nicht uninteressant. Immerhin ergeben die finalen Puzzlestücke ein stimmiges Gesamtbild des „biblischen“ Handlungsverlaufs. Selbst für die Schweigsamkeit des Protagonisten finden Franck Vestiel und Pierre Bordage – Letzterer schrieb auch am Drehbuch für den nicht unähnlichen Dante 01 mit – eine halbwegs plausible Erklärung.
Allerdings ist es eine berechtigte Frage, ob das Autorenduo den Zuschauer wirklich derartig lange im Dunklen tappen lassen muss, ohne dass sich irgendetwas Wichtiges ereignet. Die Kernhandlungspunkte hätte man ohne atmosphärischen Verlust auf eine angenehme Kurzfilmlänge zusammenkürzen können - eine Maßnahme, die dem Zuschauer viel Leerlauf und Langeweile erspart hätte.
Vielleicht wäre „Eden Log“ aber auch einfach auf dem heimischen PC besser aufgehoben. Denn der formale Aufbau erinnert deutlich an ein Survival-Computerspiel. Immer wieder stehen in großen Lettern die Etagennummern an der Wand, als ob sie einen neuen Level ankündigen. Während zu Beginn noch kleine „Rätsel“ zwischen Tolbiac und der nächsten Ebene stehen, tauchen nach einer gewissen Zeit die ersten „Gegner“ auf. Zunächst ist nur deren unheilvolles Gebrüll zu vernehmen. Urplötzlich tauchen die Mutanten dann auf und attackieren den Protagonisten. Leider sind diese Widersacher aber nicht annähernd so furchterregend und gefährlich, wie es die Geräusche haben vermuten lassen. Die Angriffe erinnern fast an einen bellenden Hund, doch Biss haben diese Mutanten mit ihren harmlosen Schlägen dennoch nicht. Besonders nervig werden die Kämpfe aber erst durch die Kameraführung. Hektische Bilder, auf denen eh schon nichts zu erkennen ist, sind kopflos zusammengeschnitten.
„Gott, der Herr, schickte ihn aus dem Garten von Eden weg, damit er den Ackerboden bestellte, von dem er genommen war.“ – Genesis, 3, 23
Während das kanadische Mathematik-Mysterium „Cube“ noch wegen seines einfallsreichen Drehbuchs überzeugte, fällt es Franck Vestiel bereits in den ersten Minuten schwer, Aufmerksamkeit zu erzeugen. Äußerst lethargisch entwickelt sich die Geschichte, wirkliche Lösungsansätze werden sogar erst in den letzten Minuten offenbart. Ein Filmexperiment, das einigen wenigen sicherlich gefallen wird. Die meisten wird „Eden Log“ jedoch mindestens so kalt lassen wie die monochrome Optik des Films. Es war einfach ein Fehler, die Handlung eines Kurzfilms auf Spielfilmlänge aufzublähen.