Drei Regisseure, drei Filme, drei Frauen – und was für welche! Mit „Unholy Women“ legen Keita Amemiya, Takuji Suzuki und Keisuke Toyoshima jeweils einen Kurzfilm vor, der das weibliche Geschlecht weder von seiner schwachen, noch von seiner besten Seite zeigt. Auch wenn in jeder Episode eine Frau im Zentrum steht, könnten die einzelnen Geschichten kaum unterschiedlicher sein. Das Spektrum reicht von altmodischem Grusel, über lyncheske Groteske bis zum modernen, grudgigen Schocker. Und auch qualitativ wird eine große Spanne abgedeckt. Von mau bis wow ist alles vorhanden.
Die erste Episode Rattle Rattle (kata kata) handelt von der jungen Kanako. Nachdem sie aus dem Auto ihres Freundes gestiegen ist, um den Rest des Heimweges zu laufen, hört sie plötzlich ein rasselndes Geräusch. Kurz danach verliert sie das Bewusstsein. Als sie wieder zu sich kommt, bricht die Hölle los und sie sieht sich von einer abstoßenden Monster-Frau verfolgt. Unter den Episoden des Films ist „Rattle Rattle“ eindeutig die am einfachsten gestrickte. Kanako, gespielt von der reizenden Noriko Nakagoshi, die auch in dem Eröffnungsfilm des Nippon-Filmfests „Strawberry Shortcakes“ als Chihiro brillierte, flieht im Folgenden vor der bösen Dame in Rot und deckt dabei nebenbei die Ursachen für den Albtraum auf, in dem sie gefangen ist. And that’s it. In ihrer Konsequenz und Einfachheit, genau wie durch die Ironie, mit der hier das Böse gezeichnet wird, macht die Episode einen durchaus sympathischen Eindruck. Amüsant sind die zahlreichen Genre-Referenzen, auch wenn der Zuschauer als Kehrseite der Medaille so natürlich nie etwas wirklich Neues zu sehen bekommt. Verfolger und Verfolgter sind ebenso bekannt wie das ganze Verfolgungsprinzip, so dass der Genrekenner Gefahr läuft, sich zu langweilen. Dass der Zuschauer am Ende dann noch mit einem Doppeltwist abgespeist werden soll, ist dabei ebenso wenig erfreulich. Eine kleine ironische Pointe kann hingegen wieder etwas Boden gut machen. Unterm Strich kann Keita Amemiyas Episode„Rattle Rattle“, die ein wenig wie eine Fingerübung des Regisseurs wirkt, als durchschnittlicher Horror-Kurzfilm eingestuft werden, bei dem sich Negatives wie Positives ungefähr die Waage hält.
Einen ganz anderen Eindruck vermittelt die zweite Episode Steel (Hagane). Wo Amemiya dem Zuschauer Horrorstereotypen vorführt, wagt sich Takuji Suzuki, der auch Drehbücher schreibt und als Schauspieler tätig ist, weit über die Genre-Grenzen und sorgt für ein Highlight von „Unholy Women“. In seiner Geschichte „Steel“ ändert sich das Leben des ruhigen Sekiguchi, als ihn sein Chef bittet, mit seiner Schwester auszugehen. Das Foto der Frau, das ihm gezeigt wird, gefällt ihm, und so willigt Sekiguchi ein. Fehler. Denn auch wenn sich die Beine besagter Schwester durchaus sehen lassen können – mit ihrem Oberköper ist etwas ganz und gar nicht in Ordnung. Jedenfalls ist über ihn ein grober Sack gestülpt, der an der Hüfte mit einer Kordel zusammengebunden ist. Ehe er sich versieht, sitzt dieses Wesen neben ihm im Auto – und eines der skurrilsten Rendezvous der Filmgeschichte beginnt. Gewalttätig, lustig, düster, absurd und nicht zuletzt erotisch. Mit „Steel“ beweist Takuji Suzuki, dass er ein ausgezeichnetes Händchen dafür besitzt, verschiedenste Stimmungen zu einem stimmigen Ganzen zu verarbeiten. Eine tolle Leistung des Regisseurs. Zudem sorgen kleine Überraschungen immer wieder für den richtigen Schwung; und auch die Beine des Sackwesens tragen ihren Teil dazu bei, den Zuschauer bei der Stange zu halten. Insgesamt ein starkes Stück Kurzfilm.
Mit The Inheritance (Uketsugumono) schlägt danach das Qualitätsbarometer in die andere Richtung aus. Der Beitrag von Keisuke Toyoshima ist die mit Abstand uninteressanteste der drei Episoden: Saeko zieht nach ihrer Scheidung mit ihrem Sohn Michio zu ihrer Mutter aufs Land. Michio bekommt schnell mit, dass irgend etwas dort nicht mit rechten Dingen zugeht. Seine Großmutter ist ihm sowieso schon unheimlich, aber nach und nach beginnt auch seine Mutter sich seltsam zu verhalten. Bald muss Michio erkennen, dass sogar sein Leben in Gefahr ist. Bald? Eigentlich braucht Toyoshima diese gesamte Spielzeit seines Kurzfilms dazu, um zu diesem Punkt zu gelangen. Mühsam schleppt sich seine Geschichte von Hinweis zu Hinweis auf das große, spukige Ganze. Gegen Ende enthüllt, fällt es weder besonders spektakulär noch in sich stimmig aus. Doch nicht nur die Auflösung kann nicht überzeugen, auch der Weg dahin macht keinen besonderen Spaß: Das Tempo, das der Regisseur anschlägt, ist zu zäh, die Geschichte entwickelt sich zu langsam. Bei dieser spannungsarmen Inszenierung kann man mit einem solchen altbackenen Besessenheits-Szenario niemanden mehr hinter dem Ofen hervorlocken. Zusätzlich ärgert die unsorgfältige Machart des Drehbuchs, die einige unstimmige oder in der Luft hängende Szenen zur Folge hat und die Episode weit unter die Mittelmäßigkeit drücken.
Durch die annehmbare erste und die starke zweite Episode bleibt insgesamt immer noch ein knapp positiver Gesamteindruck dieser locker durch die unheiligen Frauen verbundenen Kompilation. Man darf bezweifeln, ob der marginale thematische Zusammenhalt der Episoden, die inhaltlich wie qualitativ eine große Bandbreite abdecken, das Ganze wirklich schon zu einem Film zusammenschweißt. Wen es nicht stört, dass er es hier eigentlich mit drei völlig unabhängigen Kurzfilmen zu tun hat und wer dem Genre generell etwas abgewinnen kann, sollte einen Blick riskieren. Denn eigentlich macht schon allein die zweite Episode „Steel“ von Takuji Suzuki den Film sehenswert. „Unholy Women“, der auf der Nippon Connection 2007 in Frankfurt Deutschlandpremiere hatte, geht übrigens bald auf Kinotour durch einige deutsche Kinos. Interessenten sollten die Augen offen halten.