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    Sharkwater
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,0
    solide
    Sharkwater
    Von Christian Horn

    Es ist ganz eindeutig dem Klimawandel und der damit einhergehenden medialen Sensibilisierung der Öffentlichkeit geschuldet, dass Tier- und Naturdokumentationen neuerdings vermehrt im Kino anlaufen. Filme wie der grandios bebilderte Unsere Erde – Der Film, aber auch der kitschige Knut und seine Freunde verbreiten eine ökologische Botschaft, die sich nahtlos in die Berichterstattung einreiht. Es gab zwar auch in den Jahren vor der großen Öffentlichkeit für den Klimawandel Tierdokumentarfilme im Kino, etwa Deep Blue oder „Mikrokosmos“, aber die mussten noch durch innovative technische Leistungen überzeugen, um auf die große Leinwand zu dürfen. Das gilt auch für „Unsere Erde“, aber längst nicht für jeden der gegenwärtig im Kino aufgeführten Tierdokumentationen. „Sharkwater“ zum Beispiel, Rob Stewarts Plädoyer für die zu Unrecht als Killer stigmatisierten Haie, wäre auch im Fernsehprogramm gut aufgehoben gewesen; und vor zwei Jahren hätte es sicherlich auch kein Verleih gewagt, ihn im Kino anlaufen zu lassen. Dazu ist er nämlich schlicht und ergreifend zu gewöhnlich umgesetzt, mit permanentem Off-Kommentar, vorantreibender Musik und recht spärlich gesäten Aufnahmen von seinen Protagonisten, den Haien (dabei wären doch gerade solche Aufnahmen im Kino sehenswert). Trotzdem ist „Sharkwater“ ein weitgehend spannender Film geworden, der das Dilemma der Jäger der Meere als eine Art Krimi-Doku inszeniert und mit schockierenden Fakten aufrüttelt.

    Ursprünglich plante der passionierte Hai-Kenner, Fotograf und studierte Biologe Rob Stewart einen Film, der mit dem Klischee von Haien als (Menschen-)Killer aufräumt. Er wollte die atemberaubende Schönheit dieser Tiere einfangen und ihr natürliches Verhalten dokumentieren. Denn durch ihren schlechten Ruf, der insbesondere durch Medien und Steven Spielbergs Horror-Abenteuer Der weiße Hai geprägt ist, haben die Haie keine Lobby, die sich um ihren Schutz bemüht. Im Gegensatz zu Elefanten, Pandabären oder Walen kümmert sich niemand wirklich um das Schicksal der Haifische, deren Population in den vergangenen 50 Jahren um 90 Prozent (!) zurück gegangen ist.

    Doch Stewards Dreharbeiten nahmen eine unerwartete Wendung und sein Film wurde vom Naturfilm zu einem Öko-Krimi. Als er gemeinsam mit dem weltbekannten, kompromisslosen Naturschützer Paul Watson (der auch mal Schiffe versenkt, die illegal fischen) vor der Küste Costa Ricas ein Fischerboot stoppen will, das unrechtmäßig Haie fischt, kommt es zum Skandal. Die Behörden Costa Ricas zeigen das Team wegen versuchten Mordes an und wollen es sogar auf unbestimmte Zeit inhaftieren. Dass die Fischer illegal Haie gejagt haben – und das auch noch in großem Ausmaß – scheint den Verwaltungsapparat nicht weiter zu interessieren. Steward, Watson und die übrige Crew flüchten vor der Küstenwache in internationale Gewässer. Als Rob Stewart daraufhin illegal nach Costa Rica einreist, um Nachforschungen anzustellen, wird schnell klar, warum die Behörden sich auf die Seite der illegalen Fischer gestellt haben: Es gibt eine (vermutlich von der asiatischen Mafia betriebene) Industrie, die über etliche private Anlegestellen verfügt und Milliarden mit Haifischflossen umsetzt. Diese sind in Asien nicht nur für die berüchtigte Suppe, sondern auch als (abergläubisch motiviertes) Arznei- und Potenzmittel begehrt; ein Pfund getrocknete Haifischflosse bringt auf dem asiatischen Markt bis zu 300 US-Dollar – ein Preis, der in den letzten Jahren regelrecht explodiert ist.

    „Sharkwater“ behandelt aufgrund dieser Wende vor allem die Schwierigkeiten der Haifisch-Schützer, die sich ohne Unterstützung der breiten Öffentlichkeit in einem Netz aus Korruption durchsetzen müssen. Dass Elefanten nur wegen des Elfenbeins geschossen werden, regt jedermann auf; dass Haie nur wegen ihrer Flossen gejagt werden – über 100 Millionen Exemplare jährlich! – wissen zwar die meisten, aber niemand unternimmt etwas dagegen und kaum einer kennt das wahre Ausmaß. Daher ist es für Stewart zu einer Art Mission geworden, diesen Zustand aufzudecken. Er verwendet viel Zeit darauf, die brutalen Techniken der Fischer vorzustellen – zum Beispiel das Langleinenfischen, bei dem bis zu 90 Kilometer lange, mit zahlreichen Ködern bestückte Leinen in Haifisch-reichen Gewässern ausgeworfen werden. Darin verfangen sich hunderte Haie und natürlich auch etliche andere Meerestiere, die gar nicht das Ziel der Fischer sind. Den Haien wird an Bord die Rückenflosse abgeschnitten, woraufhin die noch lebenden Tiere einem qualvollen Tod durch Verblutung im Meer ausgesetzt werden.

    Das Thema von „Sharkwater“ ist ohne Zweifel spannend. Leider hapert es aber ein wenig an der Umsetzung, denn wie erwähnt ist diese allzu Fernseh-mäßig: ein ständiger Off-Kommentar, dramatisierende Musik, Inserts mit schockierenden Fakten und immer wieder Interview-Situationen. Dass es dabei vergleichsweise wenige Unterwasser-Aufnahmen von Haifischen zu sehen gibt, ist sehr zu bedauern. Stewart lässt zumeist nicht die Bilder sprechen, sondern die Worte – und das ist so ziemlich genau das Gegenteil von filmisch; und von Kino-tauglich. Hinzu kommt, dass „Sharkwater“ in großen Teilen auch ein Selbstporträt seines Machers, Rob Stewart, geworden ist. Man könnte – mit ein wenig bösem Willen – sogar sagen, dass er sich selbst beweihräuchert und als einen der wenigen Hai-Retter stilisiert. Das hat aber in einem aufklärerischen Film wie „Sharkwater“ nun gar nichts zu suchen und wird zum Glück auch von der starken Botschaft dominiert.

    Es wird nicht jedem gefallen, dass „Sharkwater“ auf eine offensichtlich didaktische Art und Weise Aufklärungsarbeit leistet. Aber dass diese Arbeit nötig ist, kann kaum bezweifelt werden. Es gelingt Steward, den Mythos vom mordenden Haifisch ein wenig aus den Angeln zu heben und die kompromisslose Haifischflossen-Industrie (in teilweise recht brutalen Bildern) zu diffamieren. Propaganda für einen guten Zweck, könnte man schließen.

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