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    Elbe
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,5
    durchschnittlich
    Elbe
    Von Martin Thoma

    Mit „Elbe“ hat Marco Mittelstaedt nach seinem DFFB-Abschlussfilm „Jena Paradies“ seinen zweiten Spielfilm gedreht. Der große Wurf ist es nicht geworden. Dass es noch zu einem durchschnittlichen deutschen (River)-Road-Movie reicht, verdankt der Film vor allem dem Charme seiner heimlichen Hauptdarstellerin, der Elbe.

    Kowsky (Henning Peker, „Jena Paradies“) und Gero (Tom Jahn, Lichter, Berlin Is In Germany) sind irgend so was wie Freunde. Kann ja nicht anders sein, wenn man seit 20 Jahren zusammen auf einem Frachtkahn die Elbe befährt. Nun sind sie aber beide entlassen worden und machen die gleiche Tour noch einmal auf Geros kleinem Segelboot. Das Boot heißt (ein mittelorigineller Einfall der Filmemacher) „Ghost“, und damit ist eigentlich schon alles gesagt über die Verfassung der beiden. Ein bisschen diffuse Hoffnung auf neue Arbeit, neues Leben, neue Liebe ist mit an Bord und eine Reihe unbewältigter Probleme aus den vergangenen 20 Jahren, über die man nie miteinander gesprochen hat, sind es auch. Kowski ist Zocker, Falschspieler, Zechpreller und war als Vater und Ehemann nur so lange zu gebrauchen, so lange er sich fern von der Familie auf seinem Elbekahn befand. Kowski hatte ganz sicher eine schwere Kindheit und philosophiert/psychologisiert in seinen offensten Momenten ein wenig darüber, dass man doch öfter in seinem Leben ungute Sachen tut, die man eigentlich gar nicht will. Das gilt zweifellos auch für einige Dinge, die er im Lauf des Films dem sehr wortkargen und behäbigen Gero antut. Während Kowski sich auf der Elbe treiben lässt, scheint Gero, obwohl man ihm das zunächst nicht anmerkt, gezielter neue Ufer anzusteuern. Er versucht Kontakt mit seiner Tochter aufzunehmen, die ihn noch nie gesehen hat, und er verliebt sich in die Gemüseverkäuferin Ulrike (Steffi Kühnert, Halbe Treppe). Doch dann zieht Kowski die falschen Leute beim 17 und 4 ab und die Dinge nehmen noch einmal eine dramatische Wendung.

    „Elbe“ ist, obwohl nicht auf Zelluloid, sondern klein und günstig digital „gedreht“, ein sehr schön fotografierter Film. Neben den langen Kamerafahrten, die die spröde Schönheit der Elbelandschaft gekonnt in Szene setzen, drängt sich der originelle Folk-Soundtrack von Lars Löhn stark in den Vordergrund. Der pfeift und schrammelt im Grenzgebiet zwischen noch charmant und schon nervig, dass es nur so eine Art hat. Addiert man zu diesen formalen Merkmalen die langsame Erzählweise und den sehr reduzierten Plot, liegt ein Vergleich mit den Filmen von Jim Jarmusch recht nah. Das Presseheft preist „Elbe“ dementsprechend mit den unvermeidlichen Adjektiven „tragikomisch, lakonisch, ruhig dahinfließend“ an, die auch, wenn es um die Beschreibung eines Jarmusch-Films geht, niemals fehlen dürfen. Leider bringt es „Elbe“ auf nicht mehr als zwei Einstellungen, die man mit etwas gutem Willen als komisch bezeichnen könnte, und das ist dann doch ein gewaltiger Unterschied zum Vorbild. In „Elbe“ wachsen sich Einfachheit und Trägheit zu einer Grundstimmung aus, die auch mit dem Adjektiv „freudlos“ treffend beschrieben ist.

    Mittelstaedts Film gefällt sich in Andeutungen. Die Protagonisten haben offensichtlich die eine oder andere Sache in ihrem Leben nicht im Griff und das schon eine ganze Weile lang, aber sie erzählen sich gegenseitig nicht übertrieben viel voneinander und dementsprechend wird dem Zuschauer auch nicht wesentlich mehr Einblick in ihr Leben gewährt. Die beiden Hauptdarsteller haben es deshalb nicht leicht. Peker kann als der extrovertiertere Kowski beim Zocken und beim Zechprellen ein bisschen die schräge Type geben. Aber Jahn muss mit Gero ein verdammt unbeschriebenes Blatt verkörpern. Immerhin stellt er die überraschende Unbeirrtheit dieser Figur mit einiger Überzeugungskraft dar.

    Bei aller versuchten Lakonie neigt der Film zu unpassenden Mätzchen, deren Funktion sich nur schwer erschließt. So springt er in der ersten Hälfte reichlich unmotiviert in seiner Chronologie hin und her. Das macht den Einstieg in die Geschichte unnötig schwer und bringt ansonsten nichts. Ab der zweiten Hälfte wird dann plötzlich chronologisch erzählt, schließlich sogar sehr dramatisch, ohne dass sich die Dramatik aus der vorangegangenen Handlung entwickelt hätte. In was Kowski da hineingerät, das hätte ihm genauso gut Jahre vorher wie Jahre später passieren können. Sogar der Soundtrack soll auf einmal Suspense erzeugen. Das klappt nicht richtig und ist zudem ein wenig glaubhafter Stilbruch.

    „Elbe“ ist ein kleiner, ruhiger Film, der sehr auf seine spröden Außenseitertypen und die melancholische Stimmung setzt, die die schöne Flußlandschaft transportiert. Gegen einen solchen Ansatz ist ganz und gar nichts zu sagen, aber in diesem Fall hat es einfach ein bisschen zu wenig Substanz und ist in der Umsetzung nicht rund genug.

    Kowski und Gero sprechen wenig, und wenn sie es tun, dann meist sehr ungelenk. Das wirkt nicht einmal unglaubwürdig. Interessant ist es aber leider auch nicht, ebenso wenig auf irgendeine Art charmant oder erhellend. Eine schöne Zeile immerhin hat Gero. Sein Boot wird gepfändet und beschlagnahmt, und er sagt den Beamten mit leicht lächerlichem trotzigen Pathos: „Aber den Fluss, den könnt ihr mir nicht auch noch wegnehmen.“ Das lässt sich auf den ganzen Film übertragen: Die stimmungsvollen Bilder der Elbelandschaft, die hat er sicher. Sie sind das, was am Ende in Erinnerung bleiben wird. Aber der Rest dürfte schnell wieder vergessen sein.

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