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    Shoppen
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,0
    solide
    Shoppen
    Von Roderich Reuter

    Speed-Dating hat sich mittlerweile zu einer gut frequentierten Möglichkeit gemausert, äußerst schnell einen Partner zu finden. Man ist der Zumutung enthoben, seinen ganzen Mut zusammennehmend, Frauen oder Männer anzusprechen, anzutanzen, anzubaggern. Viele geben der Speed-Variante den Vorzug vor dem Internet, weil es einen direkteren, weniger anonymen Zugang zu vielen möglichen Flirtpartnern bietet. Der Modus ist dabei fast immer der gleiche: Die Flirtinteressierten sitzen sich gegenüber, haben lediglich fünf bis zehn Minuten, um das jeweilige Gegenüber auf seine Tauglichkeit hin zu prüfen, dann wird der nächste vorgesetzt. Der Ablauf ist dabei so konventionell oder unkonventionell wie der Ablauf solcher Kennenlerngespräche auch in natura ausfallen würde – mit der Einschränkung, dass der verknappende Zeitfaktor natürlich doch irgendwie mit hinein spielt. Regisseur Ralf Westhoff hat sich für sein Debüt, die temporeiche Komödie „Shoppen“, nun diesen durchorganisierten Prozess der Partnerfindung als Thema gewählt. Der Film lotet dabei vor allem die komischen Seiten dieses knappen, strategischen Abcheckens aus. Er versucht aber auch, das Speed-Dating als Chiffre für die wachsende Durchrationalisierung von Liebe und Partnerschaft in der heutigen Gesellschaft zu nutzen: Liebe ist nicht mehr als eine Frage von Angebot und Nachfrage – also eine, die sich in den kühlen Terminologien der Ökonomie auf den Punkt bringen lässt.

    18 Menschen - neun Frauen, neun Männer - lassen sich angetrieben durch die unterschiedlichsten Motive, nur das Ziel einen Partner für irgendetwas zu finden, ist ihnen gemein, in der sterilen Umgebung eines kargen undefinierten Raumes auf das Wagnis Tempo-Flirt ein. Da ist zum Beispiel Markus (Martin Butzke), ein Literaturstudent und Vorzeigeöko, der in seinem Fünf-Minuten-Gespräch mit der jungen Jasmin (Julia Heinze) schnell auf das Thema „Autofahrgewohnheiten“ kommt, woraufhin der Flirt in einen geschrieenen Disput ausartet. Die scheue Krankenschwester Irina (Lisa Wagner) hat die Dating-Teilnahme von ihren Kollegen geschenkt bekommen, nimmt eigentlich nur widerwillig teil, verliebt sich aber trotzdem sofort unsterblich in den armen, aber lebensklugen Jörg (Sebastian Weber). Dumm nur, dass dieser gerade sie auf seiner Auswahlliste nicht ankreuzt. Die Münchnerin Susanne (Julia Koschitz) scheitert stets an ihren unrealistischen Erwartungen an die Männerwelt, nutzt die meisten Gespräche ausschließlich dafür, ihren Gesprächspartnern die Testosteron-Hölle heiß zu machen. Die bildhübsche Susanna (Anna Böger) sieht zwar in dem sympathischen Normalo Jens (Oliver Bürgin) einen möglichen Traumpartner, kann sich aber ebenso wenig wie dieser vorstellen, dass der durchorganisierte Flirt in der sterilen Atmosphäre der leeren Halle wirklich die Grundlage für eine lebenslange Beziehung sein könnte:

    „Stell’ dir vor, du findest hier deinen Traumpartner, und später erzählst du dann deinen Kindern an langen Winterabenden vor dem Kamin, wie du ihn kennen gelernt hast. Und dann musst du ihnen von diesem sterilen Scheißspiel hier berichten. Das ist doch peinlich. Wahrscheinlich muss man sich beim Skifahren treffen, oder an der Käsetheke, meinetwegen auch beim Hausarzt.“

    Ralf Westhoffs Langfilmdebüt kommt formal beinahe dokumentarisch daher und verstärkt so den Eindruck, dass dem Autor und Regisseur nicht nur die komödiantischen Elemente am Herzen liegen, sondern er auch eine Art Generationsporträt im Hinterkopf hatte. Dieser Sichtweise trägt auch die Tatsache Rechnung, dass hier selbst davor nicht zurückgeschreckt wird, soziologische Thesen, die der Zuschauer sich eigentlich auch ohne Hilfe hätte erschließen können, den Figuren quasi in den Mund zu legen. Sogar der Filmtitel wird dem Zuschauer auf diese nicht immer elegante, manchmal sogar bevormundende Art erklärt. Diese explizite Thesenhaftigkeit stößt in einigen Szenen gerade deshalb so sauer auf, weil sie zu aufgesetzt und wenig natürlich wirkt. So taugt „Shoppen“ als soziologisches Porträt nur mittelprächtig, aber glücklicherweise ist er in erster Linie ja auch eine auf temporeiche Unterhaltung setzende Komödie.

    Auch wenn die Figuren nur teilweise aus dem wahren Leben gegriffen scheinen, letztlich alle ein bisschen konstruiert wirken, ist dieser Ansatz absolut okay, weil er in vielen Momenten einfach ungeheuer witzig ist. Käme der Film nämlich ausschließlich mit dem Anspruch daher, ein möglichst realistisches Porträt des Speed-Dating-Klientels, beziehungsweise von Single-Typen allgemein, zu zeichnen, wäre er wohl sterbenslangweilig geraten. Dank der augenzwinkernden Figurenzeichnung punktet „Shoppen“ als unterhaltsame Komödie mit überdurchschnittlicher Gag-Trefferquote und einer ordentlich Anzahl an zündenden Pointen. So ist dieses Debüt für den kurzweiligen Kinoabend durchaus zu empfehlen. Und es bleibt weiterhin zu hoffen, dass Ralf Westhoff bei seinem nächsten Film einen ähnlich originellen Ansatz wählt, sich dann aber vielleicht an einer etwas konventionelleren, lineareren Erzählform versucht. Denn die zahlreichen Sprünge geben bei „Shoppen“ das hohe Tempo vor. Und bei anderen Filmen, die diese simple Variante der dramaturgischen Beschleunigung nicht zulassen, könnte man wohl noch sicherer die wahre Qualität dieses aufregenden Regie-Neulings erkennen.

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