Regisseur Pepe Danquart hat sich in seiner Karriere schon in den verschiedensten Genres betätigt. So hat er 1993 mit seinem Antirassismus-Kurzfilm „Schwarzfahrer“ einen Oscar gewonnen, sich zuletzt mit der Gangster-Comedy Basta. Rotwein oder Totsein aber auch an seichterer Unterhaltung versucht. Eine ganz besondere Leidenschaft Danquarts gilt dem Extremsport, den er jetzt mit der spektakulär bebilderten Speedclimbing-Dokumentation „Am Limit“ bereits zum dritten Mal thematisiert. In der Kinodoku „Heimspiel“ nahm er 2000 anhand einer ostdeutschen Eishockeymannschaft die aufkeimende Ost-West-Problematik unter die Lupe. 2004 ließ er dann die gesellschaftliche Ebene beiseite, interessierte sich bei seiner ausdrucksstarken Tour-De-France-Doku Höllentour für den ganz persönlichen Umgang der Sportler mit ihren individuellen Grenzen und Grenzerfahrungen. Auch in „Am Limit“ geht es einmal mehr um den persönlichen Kampf seiner Protagonisten, nur dass er diesen hier im Gegensatz zum insgesamt dann doch gelungeneren Höllentour durch seine den Film dominierende Inszenierung und Stilisierung zu stark in den Hintergrund drängt.
Die beiden Brüder Alexander und Thomas Huber sind schon seit frühester Jugend begeisterte Extremkletterer und haben in dieser Sportart mittlerweile schon so ziemlich alles erreicht. Eines ihrer letzten Ziele ist der Rekord im Speed-Klettern an der „Nose“, einer 1.000 Meter hohen Granitwand des „El Capitan“ im Yosemite Nationalpark in Kalifornien. Der Film begleitet die „Huberbuam“ auf ihrer Reise in die Vereinigten Staaten und bei ihren Vorbereitungen und Trainingsläufen für den Rekordversuch im Sommer 2005. Doch dann löst sich ein Fels und Alexander stürzt zwölf Meter im freien Fall in die Tiefe. Zwar kommt er dabei mit einer Bänderverletzung noch relativ glimpflich davon, doch der Rekordversuch ist erstmal gestorben. Aber so schnell geben die Hubers nicht auf, ein Jahr später wollen sie es erneut probieren. Bis dahin sind allerdings zunächst gehörige Spannungen zu überstehen. Vor allem eine Patagonien-Reise im Februar 2006, auf der die beiden an der Überschreitung der drei Gipfel der Cerro-Torre-Gruppe scheitern, stellt das Verhältnis der grundverschiedenen Brüder auf eine harte Probe…
Die größte Stärke von „Am Limit“ liegt überraschenderweise weder in den spektakulären Postkartenpanoramen noch in den beeindruckenden Kletteraufnahmen verborgen, sondern in dem Ansatz, das komplexe Verhältnis der Huber-Brüder durchaus kritisch anzugehen. Danquart präsentiert seine Protagonisten nämlich keinesfalls als durchweg sympathische Abenteurer oder bewundernswerte Helden, vielmehr zeigt er zwei vom unbändigen Ehrgeiz getriebene Konkurrenten, deren Verhältnis von brüderlichem Zusammenhalt genauso wie von offenem Egoismus und unabhängigen Zielsetzungen geprägt ist. Wenn Thomas von der allgegenwärtigen Todesgefahr beim Extrembergsteigen berichtet, gleichzeitig aber auch behauptet, seine beiden kleinen Kinder über alles zu lieben, schwingt da nicht nur Heldenmut, sondern auch eine gehörige Portion Eigensinn mit. Und auch wenn die beiden Kletterer schmunzelnd die These aufstellen, ihr Hobby wäre eigentlich der absolute Wahnsinn, lächelt der Film bei weitem nicht immer mit, sondern hält seinen angemessen kritischen Unterton bei. So gestalten sich die sehr persönlichen Interviews in großen Teilen mindestens ebenso spannend wie das Erklettern der kilometerhohen, senkrechten Felswand.
„Ihr müsst wenigstens im Schwierigkeitsgrad 9 klettern können und in der senkrechten Welt des El Capitan absolut zu Hause sein.“ - Danquarts Grundvoraussetzung an seine Kameramänner
Danquart hat seine bergerfahrenen Kameraleute regelmäßig entlang der gesamten Kletterroute positioniert, jede Einstellung vorher berechnet, sogar für die kompliziertesten Bewegungen wie etwa den „Swing Move“, bei dem die Kletterer 20 bis 30 Meter durch die Luft schwingen, einen exakten Drehplan ausgearbeitet. So sind spektakuläre Aufnahmen entstanden, die die Protagonisten auch in den kritischsten Momenten aus nächster Nähe einfangen und so oder auch nur ähnlich wohl noch nie im Kino zu sehen waren. Zuschauer mit Höhenangst seien hier ausdrücklich gewarnt, denn selbst ohne solch ein Handicap dürfte ein flaues Gefühl rund um die Magengegend bei diesen monumentalen Bildern keine Seltenheit sein.
Problematisch wird es allerdings immer dann, wenn Danquart anfängt, zusätzlich zu seinen eh schon spektakulären und vollkommen ausreichenden Aufnahmen auch noch Dramaturgien inszenieren zu wollen. Wenn er nach einem Absturz plötzlich wegblendet, langsam mit seiner Kamera den Berg hinaufschleicht und dabei Spannungsmusik einsetzen lässt, wirkt diese Sequenz so unnatürlich und übermäßig stilisiert, dass dem an sich wirklich bedrohlichen Ereignis hierdurch ein Großteil seiner Spannung genommen wird. Sowieso erweist sich die offensiv unterlegte Musik, die dem Zuschauer schon zu Beginn einer Szene seine Stimmung vorgibt, recht schnell als kontraproduktiv – man fühlt sich bald genervt und bevormundet, eigene Gedanken oder Deutungen sind bei diesem wenig subtilen Einsatz kaum möglich. So bietet „Am Limit“ insgesamt atemberaubende Aufnahmen und aufregende persönliche Einblicke, aber die selbstverliebte Inszenierung und der vieles überlagernde Score trüben das Kinovergnügen doch merklich.